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Armstrong mit Klartext
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Publiziert 28/06/2013 um 09:49 GMT+2 Uhr
Lügen, Doping, Quatsch und Reue: Lance Armstrong hat sich vor dem Tour-Start mit Klartext zu Wort gemeldet. In einem langen Interview mit der französischen Tageszeitung "Le Monde" spart der Texaner nicht mit klaren Worten.
Lance Armstrong, 2005 Tour de France
Fotocredit: AFP
Eines ist für den spät geständigen Doper klar: "Es ist unmöglich, die Tour ohne Doping zu gewinnen. Denn die Tour ist ein Ausdauerwettbewerb, bei dem Sauerstoff entscheidend ist", so sein Credo. Heute möge das anders sein - er hoffe es sogar, fügt er später an.
Dass seine Aussage aber zumindest für die Jahre, in denen er aktiv war, gelten dürfte, unterstreicht er mit einer bissigen Bemerkung:
"Man kann meinen Namen aus den Siegerlisten streichen, schön und gut, aber die Tour fand ja zwischen 1999 und 2005 trotzdem statt, oder? Es gibt also einen Sieger. Wer ist das? Niemand hat sich gemeldet und diese Trikots gefordert."
Tatsächlich schien es auch den Veranstaltern wie dem Weltverband unmöglich, mit gutem Gewissen die Ranglisten neu zu schreiben - oft genug sind aus jenen Jahren mindestens die Top Ten des Klassements überführt oder höchst verdächtig. Deshalb reagiert Armstrong auch entsprechend auf die Aussagen von Laurent Jalabert, der sich gegen massive Dopinganschuldigungen der letzten Tage wehrt. "Mit allem Respekt für ihn - aber da lügt er. Er weiß genau, dass Michele Ferrari in den 90er Jahren der Arzt seines ONCE-Teams war."
"Fußballklubs nahmen Einfluss"
Damit sich im Radsport etwas ändert, fordert auch er nun einen Wechsel an der Spitze der UCI: "Pat McQuaid hat keine Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Doping. Es kann sich nichts ändern, wenn er an der Macht bleibt." Eine Wahrheitskommission, die von vielen Seiten gefordert wird, könne die UCI gar nicht zulassen: "Die Aussagen, welche die Welt dann hören würde, würden McQuaid, Verbruggen [dessen Vorgänger als Präsident] und die ganze Institution zu Fall bringen."
Und einer Sache ist sich der einstige Weltstar sicher: Der Radsport ist längst nicht der einzige Sport, der tief im Dopingsumpf steckt - was aber etwa in der Aufarbeitung der Puerto-Affäre kaum zur Sprache kam. "Ich bin überzeugt, dass manche große Fußballklubs dort Einfluss auf das Urteil genommen haben", so Armstrong.
Der Radsport-Weltverband reagierte erbost über die Aussagen des 41-Jährigen. "Ich kann ihm nur sagen, dass er absolut falsch liegt. Seine Kommentare helfen dem Radsport nicht im Geringsten", sagte Präsident Pat McQuaid: "Die Kultur im Radsport hat sich seit der Armstrong-Ära verändert. Es ist jetzt möglich, Rennen sauber zu gewinnen." Das hatte Armstrong in dem Interview sogar für seine "Regentschaft" durchklingen lassen: Es sei eine Frage des Rennens, ob man sauber zum Sieg komme könne - bei der Tour-Gesamtwertung sei dies aber nicht machbar.
"Das ist Quatsch"
Armstrong wehrt sich auch dagegen, ihn als alleinigen Bösewicht zu betrachten: "Ich habe das Doping nicht erfunden und es hat mit mir auch nicht sein Ende gefunden. Ich war einfach Teil eines Systems." Und das Dopingprogramm in seinen Teams sei auch nicht so ausgeklügelt gewesen, wie es behauptet wurde: "Das ist Quatsch. Die Puerto-Affäre war hundert Prozent raffinierter - unser System war sehr einfach, sehr konservativ. Ich hatte nie Angst vor den Dopingkontrollen, weil unser System so simpel und ohne Risiko war. Viel größer war meine Angst vor Zoll und Polizei."
Dabei unterschlägt Armstrong aber, dass er bei Nachkontrollen der Tour 1999 überführt wurde und auch seine Werte in den Jahren 2009 und 2010 klar auf Doping hinwiesen. Und dass die Aufklärungsarbeit der US-Antidopingagentur USADA "dem Radsport gar nicht geholfen" habe, ist eine sehr persönliche Sicht der Dinge. Hingegen sei es der USADA "perfekt gelungen, das Leben eines Mannes zu zerstören", klagt Armstrong.
Dass er aber mit seinen Taten die Leben etlicher Menschen zumindest fast zerstört hat, lässt er nur am Rande anklingen: "Ich war zu hart mit den Leuten. Es wird mir nie gelingen, dass alles wieder gutzumachen, aber ich werde mein Leben darauf verwenden, es zu versuchen."
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