Tour de France - Jan Ullrich sieht Florian Lipowitz in Paris auf dem Podium: "Eindeutig stärker als Oscar Onley"

Jan Ullrich glaubt an eine große Zukunft von Tour-Senkrechtstarter Florian Lipowitz - losgelöst von allen Kapitänsfragen im Team Red Bull-Bora-hansgrohe. Auch wenn Olympiasieger Remco Evenepoel zum deutschen Rennstall käme, sieht Ullrich keine gravierenden Auswirkungen auf die Karriereplanung des Schwaben: "UAE macht es ja vor mit Joao Almeida und Isaac del Toro", so der Tour-Sieger von 1997.

Wohin geht die Reise für Lipowitz? Ullrich sieht große Zukunft

Quelle: Eurosport

Egal, wie das Tour-Debüt für Lipowitz schließlich ausgeht - es darf als großer Erfolg gewertet werden. Und Ullrich freut sich für den 24-Jährigen genauso wie für Radsport-Deutschland insgesamt.
"Er wird auf jeden Fall einen tollen Empfang daheim bekommen. Er hat mittlerweile schon einen Boom ausgelöst in Deutschland", meinte er. "Seine Leistungen kann man nicht leugnen. Er ist superstark gefahren und wird das aushalten müssen. Aber das gehört auch zur Reife eines Champions dazu."
Ullrich, der 1996 bei seiner ersten Tour im Alter von 22 Jahren direkt Zweiter wurde und ein Jahr später das Gelbe Trikot eroberte, weiß sehr gut, wovon er spricht. Auch ihm galt vor 28 Jahren plötzlich eine riesige Aufmerksamkeit.

Ullrich sieht viel Potenzial: "Die Würze ist die Zeit"

Im Velo Club blickte Ullrich aber auch schon etwas weiter voraus. Auf die Frage von Moderator Holger Speckhahn, ob Lipowitz irgendwann auch um das Gelbe Trikot kämpfen könne, antwortete er zunächst mit einem Grinsen: "Sollen wir wirklich schon darüber diskutieren? Wir sind ja noch nicht mal in Paris", fragte er lachend, fügte dann aber hinzu:
"Meine Meinung ist: Er ist noch sehr jung und die Würze ist die Zeit. Auch ein Pogacar und ein Vingegaard werden älter. Lipo ist noch drei, vier Jahre jünger. Er ist ein Quereinsteiger und sein Potenzial ist meines Erachtens noch nicht ausgeschöpft."
Lipowitz brauche nun vor allem Zeit, um sich in Ruhe weiterentwickeln zu können, betonte Ullrich, ohne aber zu viele konkrete Erwartungen schüren zu wollen. "Er hat diesen Angriff, ist ein Kämpfer, hat einen großen Motor. Da können wir noch viel erwarten in Zukunft", meinte er.
Darüber hinaus äußerte sich Ullrich auch über die mögliche Ankunft von Remco Evenepoel (Soudal-Quick-Step) als neuem Teamkollegen bei Red Bull-Bora-hansgrohe, die seit Wochen als sehr heiße Hauptspeise in der Gerüchteküche brodelt.

Ullrich sieht mögliche Evenepoel-Verpflichtung positiv

"Remco ist ja, wenn er nicht ins Team kommt, trotzdem weiterhin ein Konkurrent. Wenn er dagegen kommt, hast Du einen der besten Fahrer auch noch in Deiner Mannschaft", sagte der Olympiasieger des Jahres 2000 und zweifache Zeitfahr-Weltmeister (1999 und 2001).
"Es gibt ja drei große Rundfahrten, dann konzentriert sich Florian vielleicht erstmal auf den Giro oder die Vuelta und gewinnt da – und dann vielleicht auch noch die Tour. UAE macht es ja vor mit Joao Almeida und Isaac del Toro. Die können sich auch arrangieren um den Superstar Tadej Pogacar. Am Ende entscheiden die Beine: Wenn der Helfer eindeutig stärker ist als der Kapitän, dann wird geswitcht."

Königsetappe: Lipowitz ging in Offensive

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Highlights: Spektakel auf Königsetappe – und Lipowitz mittendrin

Quelle: Eurosport

Obwohl Florian Lipowitz (Red Bull-Bora-hansgrohe) als Etappenelfter auf dem 2.304 Meter hohen Col de La Loze 1:39 Minuten auf seinen direkten Kontrahenten, den 22-jährigen Schotten Oscar Onley (Picnic-PostNL), eingebüßt hat und bis zum Zielstrich um seinen Podestplatz zittern musste, hat der deutsche Hoffnungsträger Jan Ullrich einmal mehr beeindruckt.
"Man hat gesehen, dass er ein Büffel ist. Er ist brutal stark, ist die letzten Kilometer am Col de Madeleine allein gefahren und hat da auch alles richtig gemacht, dass er das Tempo von Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard nicht ganz mitgegangen ist", beurteilte der Tour-Sieger von 1997 den Auftritt des 24-Jährigen.
Ullrich ordnete die Leistung von Lipowitz, der am Col de la Madeleine nicht mit Pogacar und Vingegaard zur Spitzengruppe um Teamkollege Primoz Roglic vorgefahren war, trotzdem aber alle anderen Kontrahenten abhängte und dann allein über den Gipfel kam, sehr hoch ein.
Die lange Abfahrt ins Isère-Tal bestritt Lipowitz allein und kam dann unten wieder zu Roglic und Co. nach vorn, um keine zehn Kilometer später selbst zu attackieren und 33 Kilometer vor dem Ziel sowie sieben Kilometer vor Beginn des Schlussanstiegs zum Solo anzusetzen.
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Lipowitz attackiert Pogacar und Vingegaard vor letztem Berg

Quelle: Eurosport

Das zog Lipowitz bis etwa neun Kilometer vor dem Ziel durch, wurde dann aber wieder eingeholt und verlor sechs Kilometer vor der Bergankunft schließlich den Kontakt zur Favoritengruppe, in die am Fuß des Schlussanstiegs auch sein großer Kontrahent aus Schottland mithilfe seines Picnic-Teams wieder zurückgefunden hatte.

"Er war eindeutig der drittstärkste Mann heute"

"Eigentlich ist er ja das ganze Rennen ab dem Col de Madeleine alleine gefahren und hat trotzdem weniger als zwei Minuten zu Oscar Onley verloren, der sehr viel Zeit im Windschatten der Gruppen saß. Das war wirklich stark und er hat es verdient, dass er noch auf Platz 3 ist", so Ullrich. "Er war eindeutig der drittstärkste Mann heute. Das hat man bei der Attacke von Vingegaard (am Madeleine) klar gesehen."
Vor der letzten schweren Bergetappe dieser 112. Frankreich-Rundfahrt hat Lipowitz nun noch 22 Sekunden Vorsprung auf Onley, um seinen Podestplatz und auch das Weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers zu verteidigen. "Ich hoffe er kann sich heute Nacht gut erholen und hat morgen nochmal so gute Beine wie heute", blickte Ullrich voraus und ist sicher:
"Oscar Onley hatte heute gute Form, aber man hat trotzdem gesehen, dass Florian Lipowitz stärker ist. Am Col de Madeleine hat man eindeutig gesehen, dass Florian der bessere Bergfahrer ist."
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Krimi um Rang drei: Lipowitz verliert Zeit auf Onley

Quelle: Eurosport

Dass Lipowitz im Isère-Tal vor der Schlusssteigung über Courchevel hinauf zum Col de La Loze eine mutige Attacke ritt, als die Gruppe von Onley noch mehr als zwei Minuten zurücklag, imponierte Ullrich und der 51-Jährige erklärte: "Die Attacke war eine Instinktgeschichte. Er hat diesen Biss. Er hatte vorher schon viel selbst gefahren, hatte die Kraft schon verbraucht und hatte den Vorsprung auf die Gruppe um Oscar Onley. Und den wollte er auch nicht herschenken, denn die Gruppe um Pogacar stand ja komplett still."
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"Es war eine Gratwanderung": Eurosport-Experten zur Lipowitz-Taktik

Quelle: Eurosport


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