Andy Murray exklusiv über sein Combeack, Hüftprobleme und Novak Djokovic: "Ich will dieses Märchenszenario"

Andy Murray will im Jahr 2022 noch einmal angreifen. Am Samstag verlor der Schotte zwar das Finale von Abu Dhabi gegen Andrey Rublev, im Halbfinale aber hatte er mit einem Sieg gegen Rafael Nadal überzeugt. Im Exklusiv-Interview mit Eurosport blickt der dreimalige Grand-Slam-Champion auf die hektischen vergangenen Monate zurück und erklärt, wie die Rückkehr in die Weltspitze gelingen soll.

Andy Murray

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Perspektive. Manchmal ist sie alles, was man hat.
Andy Murray hat glücklicherweise jede Menge davon. Trotz mehrerer Operationen und einer neuen Hüfte glaubt er fest daran, im kommenden Jahr noch einmal ganz oben angreifen zu können. Im Spätherbst seiner Karriere strotzt der Schotte vor Tatendrang und Angriffslust. Murray ist bereit, neue Risiken einzugehen, um 2022 den größtmöglichen Erfolg zu haben.
Erste vielversprechende Schritte ist der Brite im Kalenderjahr 2021 schon gegangen, hat sich mit 15 Siegen - einige davon gegen Topspieler - endgültig zurückgemeldet. Zufriedenheit stellt sich beim Perfektionisten deshalb längst nicht ein. Es fehlte schließlich an Konstanz.
In der kommenden Saison soll das anders werden. Der 34-Jährige befindet sich in der Vorbereitung auf sein 18. Jahr auf der Tour und lässt laut eigener Aussage "keinen Stein auf dem anderen", um sich selbst die beste Chance zu geben, die beste Version seiner selbst zu sein.
"Ich möchte das Beste aus dem herausholen, was ich kann - und zwar solange ich es noch kann", sagt Murray im exklusiven am Rande der Mubadala World Tennis Championship in Abu Dhabi.

"Hör auf, die Metallhüfte zu erwähnen"

Dass er überhaupt noch auf Top-Niveau spielen kann, liegt nicht zuletzt an seiner neuen Hüfte. Im Jahr 2019 wurde dem Mann aus Glasgow ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Beobachter hatten daraufhin das Ende von Murrays Karriere prognostiziert. Auch Murray erklärte auf einer Pressekonferenz unter Tränen das Ende seiner aktiven Laufbahn, biss sich dann jedoch zäh und unnachgiebig zurück und wagte das Comeback.
Es hätten ihn in den vergangenen Jahren immer wieder Leute gefragt, warum er trotz nicht enden wollender Hüftprobleme so große Anstrengungen unternehme, seine Karriere am Leben zu halten.
Die Antwort sei stets einfach gewesen, sagt Murray, der den Sport und vor allem den Wettkampf liebt. "Ich habe mit vielen Ex-Spielern gesprochen, die gesagt haben: 'Wenn die Karriere vorbei ist, wird sie durch nichts ersetzt. Also genieße es, so lange du kannst, spiele, so lange du kannst'. Ich weiß, dass viele Spieler aufgehört und es irgendwie bedauert haben, weil sie hätten weitermachen können", erklärt Murray.
"Die Leute sagen, ich soll aufhören, über meine Metallhüfte zu reden", berichtet Murray. "Warum? Es ist einfach relevant", erwidert der Schotte dann und fügt an: "Die Tatsache, dass ich mich trotz Metallhüfte immer noch mit den besten Spielern der Welt messen kann, darauf bin ich stolz. Ich denke, es gibt nur sehr wenige Menschen, die dazu in der Lage wären."
Neben den vielen Zweiflern habe es auch immer wieder positives Feedback gegeben: "Viele Leute kamen zu mir und sagten: 'Es ist inspirierend, dass du es weiter versuchst, wie du kämpfst und weitermachst'. Ich glaube, das ist etwas, an das ich mich erinnern werde, wenn ich meine Karriere beendet habe."

Skeptiker treiben Murray an

Trotzdem seien es vor allem die vielen Skeptiker gewesen, die die ehemalige Nummer eins der Welt zum Weitermachen angespornt haben. "Ich mag es, wenn Leute sagen, dass ich etwas nicht kann oder nicht tun sollte. Das motiviert mich sehr", verrät er.
In der abgelaufenen Saison hatte der dreifache Familienvater vor allem Probleme damit, Siege in aufeinanderfolgenden Matches zu erzielen. Doch besonders die dritte Runde in Wimbledon, eine knappe Fünf-Satz-Niederlage gegen Stefanos Tsitsipas bei den US Open (6:4, 6:7, 6:3, 3:6, 4:6), sowie das Jahresende mit zwei Siegen gegen Top-10-Spieler wie Hubert Hurkacz (6:4, 6:7, 6:3 in Wien) und Jannik Sinner (7:6, 6:3 in Stockholm) lieferten den Beweis, dass Murray noch immer auf höchstem Niveau mithalten kann.
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Murray dreht auf: Sieg gegen topgesetzten Sinner in Stockholm

Quelle: SNTV

Beim Exhibition-Turnier in Abu Dhabi machte der Rechtshänder nun den nächsten Schritt, bezwang auf seinem Weg ins Finale nicht nur Daniel Evans (6:3, 6:2), sondern auch seinen ebenfalls am Comeback arbeitenden langjährigen Rivalen Rafael Nadal (6:3, 7:5) glatt in zwei Sätzen.
Erst im Endspiel war gegen Andrey Rublev, derzeit die Nummer fünf der Welt, Endstation (4:6, 6:7).
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He's back! Nadal heizt Publikum im Duell mit Murray ein

Quelle: SNTV

"Ich sage nicht, dass ich Roger Federer oder Muhammad Ali bin", sagt Murray über sein ambitioniertes Ziel, noch einmal mit den besten der Besten mithalten zu wollen. "Aber ich habe immer noch die Fähigkeit, mich mit den besten Spielern der Welt zu messen. Wenn mein Körper mitspielt, besteht diese Möglichkeit ganz sicher. Und solange diese Möglichkeit noch besteht, werde ich weiterhin versuchen, das zu erreichen, was ich will."

Murray visiert zwei Meilensteine an - mit neuem Schläger

Ziele für das kommende Jahr hat Murray genug. Zum einen will er sein 700. Karriere-Match gewinnen - aktuell steht er bei 691. Zudem fehlen noch vier Turniersiege bis zur Marke von 50 Titeln auf der ATP Tour.
Das größte Ziel aber sei es, "einen tiefen Lauf bei einem Grand-Slam-Turnier zu haben und im Viertelfinale oder Halbfinale zu stehen. Ich will dieses Märchenszenario erreichen, damit es heißt: 'Kann er es noch einmal tun? Ist das möglich?'", so Murray.
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Andy Murray (l.) und Andrey Rublev

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Wie ambitioniert er ins kommende Jahr geht, ist zudem an zwei grundlegenden Veränderungen zu sehen. Nach fast sechs Jahren hat sich die aktuelle Nummer 134 der Weltrangliste von seinem Trainer Jamie Delgado getrennt, wechselte außerdem nach knapp zwei Jahrzehnten mit dem gleichen Schläger nun sein Arbeitsgerät.
Ein großer Schritt.
Murray testete in der Vergangenheit immer wieder verschiedene Rackets, konnte sich jedoch nie zu einem Wechsel durchringen. Das bisherige Modell hatte "im Vergleich zu 95 Prozent der Spieler auf Tour" eine etwas kleinere Kopfgröße, erklärt der zweimalige Wimbledon-Sieger und begründet seine Entscheidung mit nachlassender Spritzigkeit.
"Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich einen Schläger ausprobieren sollte, mit dem man vielleicht ein bisschen leichter spielen kann. Vor allem, wenn ich mich nicht mehr ganz so gut bewege wie in der Vergangenheit und vielleicht nur einen Bruchteil einer Sekunde später bei einigen Bällen ankomme, mir dadurch die Mitte des Schlägers fehlt, könnte mir das helfen."

Australian Open? Würde auch Qualifikation spielen

Die anstehenden Weihnachtstage verbringt Murray mit seiner Familie in London, bevor es anschließend nach Melbourne geht. Dort hofft er auf eine Wildcard für das erste große Highlight des Jahres, die Australian Open. Sollte er diese nicht bekommen, was angesichts von fünf Final-Teilnahmen beim Happy Slam eher unwahrscheinlich ist, wäre sich der 34-Jährige nicht zu schade, in der Qualifikation anzutreten.
Doch bevor Murray überhaupt in ein Flugzeug ans andere Ende der Welt steigt, möchte er seine Booster-Impfung gegen Covid-19 bekommen. Ohnehin müssen alle Spieler vollständig geimpft sein, um in Melbourne an den Start zu gehen - und der Brite möchte als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme seine dritte Impfung bekommen.
Auf die Frage, ob es ihn überraschen würde, wenn Novak Djokovic aufgrund seiner bekannten Impfskepsis die Chance verpassen würde, den rekordträchtigen 21. Major- und zehnten Australian-Open-Titel zu holen, antwortet Murray mit ja und nein.
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Djokovic weist Pressefrage zurück: "Ich weiß, was sie wollen"

Quelle: Perform

"Ja, das würde mich überraschen, denn ich glaube, der Impfstoff ist sicher. Ich weiß, dass einige Leute jetzt sagen, dass sie nicht wirksam sind, weil sie jetzt mehr Impfstoffe brauchen, um gegen die neuen Stämme und alles andere zu helfen, aber das ist meiner Meinung nach bei vielen Krankheiten der Fall", so Murray.
So sei es zum Beispiel bei der Grippeimpfung, bei der jährlich angepasste Impfstoffe angeboten werden, um das Risiko einer Infektion zu verringern. "Ich glaube, dass sie (Coronaimpfung, Anm. d. Red) sicher und effektiv ist, also wäre ich überrascht, wenn er nicht nach Australien kommen würde."
Allerdings wisse er auch, dass die Zeit knapp und Djokovics Impfstatus unbekannt sei. "Wenn ich morgen hören würde, dass er nicht nach Australien fliegt, wäre ich dann überrascht? Nein, ich glaube nicht."
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Murray kritisiert Belastung auf der ATP Tour

Quelle: Perform

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