Australian Open | Roger Federer triumphiert nach sieben Matchbällen gegen sich
Update 28/01/2020 um 12:59 GMT+1 Uhr
Roger Federer hat mit einer schier unglaublichen Willensleistung das Halbfinale der Australian Open erreicht. Im Viertelfinale gegen Tennys Sandgren (USA) wehrte der 38-Jährige im vierten Satz sieben Matchbälle - davon drei in Folge - ab und siegte mit 6:3, 2:6, 2:6, 7:6 (10:8), 6:3. Dabei überwand der Schweizer, der nun auf Novak Djokovic trifft, physische Probleme, die ihn gehandicapt hatten.
Roger Federer konnte sich im Viertelfinale gegen Tennys Sandgren im dritten und vierten Satz aufgrund von Leistenproblemen nicht gewohnt elegant über den Platz bewegen, so dass die Zuschauer in der Rod Laver Arena zwischenzeitlich eine Aufgabe des Maestros befürchteten.
Beim Stand von 6:3, 2:6, 0:3 musste Federer dann sogar den Physiotherapeuten rufen und für sechs Minuten in den Katakomben verschwinden.
"Ich war quasi schon Ski fahren in der Schweiz", sagte Federer nach dem Match und versicherte: "Ich habe das nicht verdient. Aber manchmal muss man Glück haben."
Federer kann nicht mehr richtig returnieren
Vor allem im Returnspiel wirkte der 38-Jährige nach seinem gewonnenen ersten Satz sichtlich gehandicapt und konnte sich bis Ende des vierten Satzes nur drei Breakchancen erspielen, die er alle ungenutzt ließ.
Vor dem Match hatte Federer noch gescherzt: "Ich habe in meinem Leben schon viel Tennis gespielt, aber noch nie gegen Tennys." Nach dem ersten Satz verging ihm das aber Lachen.
Dem dreimaligen Melbourne-Sieger unterliefen in den Sätzen zwei, drei und vier erstaunlich viele leichte Fehler, zugleich gelangen seinem mutig spielenden Gegner viele direkte Punkte.
Als Federer jedoch beim Stand von 4:5 im vierten Satz drei Matchbälle abwehren und sich in der Folge in den Tiebreak retten konnte, erwachte Federers Kampfgeist. Im Tiebreak mit 3:6 und 6:7 hinten, wehrte der Schweizer weitere vier Matchbälle ab und verwandelte bei 9:8 schließlich selbst seinen zweiten Satzball.
Roger Federer glaubt an Wunder
Im fünften Satz war dann der Wille des Außenseiters gebrochen.
"Es war nicht so schlimm und es wurde auch nicht schlechter", erzählte Federer später: "Es war einfach steif, hat zugemacht, wie auch immer ihr es nennen wollt. Ich hatte heute unfassbares Glück, ich weiß nicht mal, wieviel Uhr wir haben."
Und weiter:
Ich habe mir dann irgendwann einfach gesagt: Ich glaube an Wunder, ich spiele einfach weiter.
Roger Federer legt sich mit Schiedsrichterin an
Sandgren, nur die 100 der Welt und zuvor noch nie in einem Grand-Slam-Halbfinale, hatte zuvor lange im Rahmen seiner Möglichkeiten konzentriert sein Pensum heruntergespielt. Bei seinen Matchbällen merkte man dem 28-Jährigen jedoch deutlich die Nervosität und den Respekt vor dem größten Karriere-Erfolg an.
Im Tiebreak musste Sandgren zu allem Überfluss auch noch eine Schrecksekunde überstehen, als ihm ein Ballkind beim Seitenwechsel in die Beine lief.
Ungewöhnlich war auch eine Szene aus dem dritten Satz, in der Federer für eine angeblich begangene verbale Entgleisung gegenüber einer Linienrichterin von Stuhlschiedsrichterin Marijana Veljovic verwarnt wurde und sich danach mit der Unparteiischen anlegte.
Roger Federer hält tapfer durch
Bemerkenswert: Federer, der noch nie ein Match auf der Tour aufgegeben hatte, hielt letztlich auch in seinem 1512. Spiel tapfer durch.
Eurosport-Experte Boris Becker zeigte sich begeistert vom Auftritt des Rekord-Grand-Slam-Champions:
Der große Houdini! Das ist einfach die Klasse von Federer. Er wehrt sieben Matchbälle ab, liegt eigentlich chancenlos zurück und muss sich auch noch sorgen, erstmals aufgeben zu müssen. Er hat unglaubliche Kräfte entwickelt und Leidenschaft gezeigt.
Es sei "unglaublich, wozu dieser Roger Federer in der Lage ist", so Becker, der die Australian Open 1991 und 1996 gewann.
Sandgren, der bereits 2018 überraschend das Viertelfinale der Australian Open erreicht, danach aber nur noch mit einem Achtelfinal-Einzug in Wimbledon 2019 für Aufsehen gesorgt hatte, muss weiter auf seinen ersten Grand-Slam-Halbfinal-Einzug warten. Zuvor hatte der US-Amerikaner eine 4:0-Bilanz in Fünf-Satz-Matches.
2018 hatte Sandgren allerdings zusätzlich für Aufsehen gesorgt, weil auf seinem Twitter-Account Nachrichten mit rechtsextremem und homophobem Gedankengut entdeckt worden waren. Damals sagte er unter anderem, nur Christus "und ihm alleine lege ich Rechenschaft ab".
Federer nun zum 50. Mal gegen Djokovic
Für Federer (32:23 in Fünf-Satz-Spielen) hingegen geht der Traum vom siebten Titel in Melbourne weiter. Der Schweizer gewann zum 22. Mal, nachdem er Matchbälle abgewehrt hatte. 2003 waren es in Cincinnati gegen Scott Draper (Australien) auch sieben gewesen. Für den 20-maligen Grand-Slam-Sieger Federer ist es das 46. Major-Halbfinale, 15 Mal davon in Melbourne.
Im Halbfinale trifft er nun auf Novak Djokovic, der durch einen 6:4, 6:3, 7:6 (7:1)-Erfolg gegen Milos Raonic das Halbfinale erreichte. Es wird das 50. Duell der beiden Ausnahmespieler, den direkten Vergleich führt Djokovic knapp mit 26:23 an.
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