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Novak Djokovic gewinnt das Finale der US Open, aber nicht die Zustimmung der Fans
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Publiziert 14/09/2015 um 12:03 GMT+2 Uhr
Boris Becker hatte ganz staatsmännisch die Arme hinter dem Rücken verschränkt und blickte andächtig drein, als sein Schützling Novak Djokovic den Silberpokal in den Nachthimmel von New York stemmte. Der Triumph bei den US Open war der krönende Abschluss einer fast perfekten Grand-Slam-Saison für den serbischen Branchenführer mit drei von vier möglichen Major-Titeln.
Novak Djokovic gewinnt die US Open, aber nicht die Zustimmung der Fans
Fotocredit: Imago
Am Ende ging auf der größten Tennis-Bühne der Welt sogar sein amerikanischer Traum in Erfüllung. Allerdings hatte Djokovics Bilanz einer denkwürdigen Night Session auch bittere Seiten. Das Flushing-Meadows-Finale gegen seinen Dauerrivalen Roger Federer gewann der 28-Jährige mit 6:4, 5:7, 6:4, 6:4. Doch der Kampf um die Herzen der Zuschauer wird für den "Djoker" immer mehr zu einem aussichtslosen Unterfangen.
"Roger ist der Favorit der Fans. Wenn man gegen ihn spielt, muss man sich dieser Realität stellen", sagte Djokovic, nachdem gefühlte 99 Prozent der 23.771 Besucher den Schweizer frenetisch angefeuert hatten.
Im Arthur-Ashe-Stadium herrschte eine Stimmung wie bei einem Finale einer Fußball-WM oder im Davis Cup. "Das sind die Gänsehaut-Momente, für die es sich zu spielen lohnt. Es war schon fast unwirklich", meinte auch Publikumsliebling Federer, der sich immer wieder über "Roger"-Sprechchöre freuen durfte. Selbst Fehler von Djokovic wurden beklatscht. Stuhlschiedsrichterin Eva Asderaki musste die Fans mehrfach zur Ordnung rufen.
Mit Kritik an der Atmosphäre hielt sich der Becker-Schützling nach dem Gewinn seines zehnten Grand-Slam-Titels aber zurück. "Ich gehe da raus, um mir die Unterstützung zu verdienen. Und hoffentlich komme ich in Zukunft einmal in diese Position, dass ich sie auch bekomme", sagte Djokovic.
Für seinen Coach Boris Becker sind diesbezüglich weitere Siege der Schlüssel zum Erfolg. "Novak gehört immer mehr zu den Besten der Tennis-Geschichte. Und dann kommen automatisch auch irgendwann mehr Anerkennung und Respekt", behauptete der dreimalige Wimbledonsieger, der in seinen Profitagen die Zuschauer immer extrem elektrisiert hatte.
Für US-Ikone John McEnroe ist Djokovic "der Bösewicht", der eigentlich nichts falsch gemacht habe. "80 Prozent seiner Zeit verbringt er damit, seine Gegner zu zerstören. 20 Prozent damit, die Liebe des Publikums für sich zu gewinnen", sagte McEnroe.
Dabei versucht Djokovic alles: Auch beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres präsentierte sich der fünfmalige Australian-Open-Sieger volksnah. Der Vater des knapp einjährigen Stefan spielte geduldig mit Kindern Tennis, scherzte, lachte - und tanzte nach einem Match sogar mal mit einem Zuschauern über den Court.
Rein sportlich ist der eloquente Djokovic auch in diesem Jahr die unangefochtene Nummer eins. "Er ist jetzt schon nah am Olymp", sagte Becker: "Viel mehr kann man kaum erreichen."
Und selbst der Gewinn des Grand Slams scheint für Djokovic in Reichweite zu sein. Dieses Jahr fehlte dazu nur ein weiterer Sieg - im Finale der French Open hatte der Serbe gegen Stan Wawrinka (Schweiz) verloren. "Novak wird beständig jedes Jahr etwas besser", meinte Becker.
Positiv wirkt sich auch das Familienleben aus. "Sein Sohn und seine Frau sind ihm wichtiger als das nächste Match. Und das macht ihn entspannter", sagte Becker. Der 47-Jährige hat keine Angst, dass Djokovic irgendwann satt ist: "Man möchte immer mehr gewinnen, das ist die stärkste Droge. Dieses Gefühl beim Matchball. Wenn man das einmal gespürt hat, möchte man das immer wieder." Genauso, wie von den Fans geliebt zu werden.
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