Heinrich-Blog: Das wäre was für den Gabentisch

Ich gehe rodeln. Auf jeden Fall. Sie werden zu Recht fragen: Wo? Kein Problem. Ich habe mehr als fünf Sommer-Rodelbahnen gefunden. Ich bin dabei, mich mit dem nicht vorhandenen Winter zu arrangieren. Die Sommergarderobe bleibt im Schrank. Die Pelzstiefel im Keller. Der Spaziergang zur Weihnachtsmesse findet in Herz-Jesu-Sandalen statt. Fällt neben dem Messner kaum auf. Ich habe nämlich die ewige Jammerei satt.

Wie auch die ständige Nachrichtenlage. "Blattini" und kein Ende. Ein uneinsichtiger Rentner und ein übergewichtiger ehemaliger Mittelfeldspieler betätigen sich als Totengräber des gesamten Sports, weil wir ja alle glauben, ja glauben müssen, dass alle Funktionäre Dreck am Stecken haben. Und trotzdem: Ich liebe meinen Sport weiterhin. Wenn sie wie Vögel gleich am Schanzentisch abheben und für kurze Zeit schwerelos fliegen, wenn sie mit artistischen Einlagen Stürze auf eisigen Pisten verhindern und dann wie durch Zauberhand sauber ihre Spuren in den Schnee ziehen (der natürlich künstlich ist).

Selbst wenn sie auf grünen Almwiesen wie in einer 3D-Animation auf weißen Schneebändern skaten und danach sogar noch schießen: Ich lasse in meiner bekannten Sturheit nicht nach, mich fesseln zu lassen von all der sportlichen Vielfalt. Nein, sie, die korrupten Funktionäre, die sich längst von ihren Athleten entfernt haben, kriegen mich nicht klein. Wäre ja noch schöner. Und so brauche ich mir als Geschenk unter dem Christbaum keine spannenden Rennen, Spiele und Kämpfe wünschen. Die bekomme ich zuhauf geliefert, bei uns sogar meist frei Haus.

Ich frage mich freilich auch, wie die Athleten ihren Unmut gegenüber all den Menschen zügeln können, die eigentlich grundsätzlich ihre Interessen vertreten müssten. In erster Linie. Und nicht ihre eigenen. Vermutlich haben sie ein sehr dickes Fell. Sie machen einfach weiter, als wäre nichts gewesen. Allerdings haben sie auch nicht den Mumm und vermutlich auch gar nicht die Zeit, ihren Repräsentanten ordentlich auf die Finger zu klopfen. Auf dieselben zu schauen, reicht nicht mehr.

Das ist schade, weil ich es toll fände, wenn sich die Verbände von innen heraus, von den Sportlern her erneuern würden. Und zwar total und von Grund auf. Mit komplett neuen Strukturen. Revolutionen wünsche ich mir. Kein Schneeball sollte mehr auf dem anderen bleiben. Ich weiß: Wird nicht passieren. Traum bloß, Idee halt. Aber es ist ja die Zeit der Sehnsüchte. Einer ist mal über sich hinausgewachsen: Hat mir imponiert als Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB), Klartext redete und seinen Funktionärskollegen den Kopf gewaschen hat wie früher der Krampus.

Fühlten sich einige auf den Schlips getreten. Recht so. Dass diejenigen, die jahrelang in verschiedenen Ämtern nur dabei waren, weil es ihnen gut ging dabei, weil sie wichtig zu sein schienen und weil sie viele Annehmlichkeiten damit genießen konnten und die nie, wirklich nie, genau nachgeschaut und nachgefragt haben, dass auch diese Spezies Funktionäre - und dazu gehören fast alle - endlich den Mut haben, gegen das System vorzugehen: Das wäre was für den Gabentisch.

Es ist ein frommer Wunsch in einer Zeit, in der die Welt aus den Angeln zu fliegen scheint. Die Sportveranstaltungen zur Jahreswende und auch danach verschaffen uns ein wenig Luft. Sie sind ein emotionaler Rettungsanker, der uns ein wenig Ablenkung verschafft. Bis zum nächsten Skandal, der so sicher kommt wie dieses und das nächste Weihnachten.