Warum Carlo Ancelotti zum FC Bayern München passt

Wie lief das nun mit Carlo Ancelotti und dem FC Bayern München? Laut Karl-Heinz Rummenigge begann alles schon im Januar bei der Weltfußballer-Gala in Zürich. "Da hat er mir signalisiert, dass er sehr gerne einmal den FC Bayern trainieren würde", sagte der Bayern-Boss der "Bild": "Trotzdem war es eine gewaltige Herausforderung und Anstrengung in den zurückliegenden Wochen und Tagen, Carlo zu binden. Halb Europa wollte ihn ja haben."

Als "absoluten Wunschkandidaten" hat ihn Matthias Sammer bezeichnet, selbst Pep Guardiola hat Hochachtung vor ihm. "Alle im Verein sind überzeugt, dass der FC Bayern und Carlo Ancelotti sehr gut zusammenpassen", sagt Rummenigge. "Er passt zu uns. Ganz einfach."

Der ist schon mal gelungen. Pep Guardiola zu beerben, wird weiß Gott keine einfache Aufgabe. Doch Ancelotti ist nun schon mal im Bayern-Kosmos angelangt und hat ein halbes Jahr Zeit, sich in seiner Wahlheimat Vancouver in aller Ruhe auf die Aufgabe vorzubereiten.

Und Ancelotti lernt bereits seit einigen Wochen Deutsch. "Als wir diese Woche telefoniert haben, sagte er: ,Wie geht es euch?‘ – und auch, dass ihn unsere schwere Sprache reize", meinte Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge zur "Bild". "Wenn Giovanni Trapattoni es geschafft hat, Deutsch zu lernen, dann kann ich es auch", hatte Ancelotti zuvor gesagt, als man ihn fragte, ob er sich das Traineramt bei Bayern denn zutraue. Sprachtalent hat er durchaus: Ancelotti spricht neben Italienisch auch Englisch, Spanisch und Französisch.

Die ist - siehe "Twitter"-Statement - gegeben. Anders als Guardiola, der sich während seines Sabbaticals in New York total abschottete und keinen einzigen Satz zu seinem neuen Arbeitgeber abgab, sucht der 58-Jährige von Kanada aus durchaus hier und da die Öffentlichkeit. So gibt er via "Goal.com" öfter mal seine Meinung ab und ist auch in den sozialen Medien ganz gut unterwegs.

Zudem ist er nie um einen flotten Spruch verlegen. So schrieb er in seiner Biographie: "Es gibt Momente, da stehe ich vor einem mannshohen Spiegel und benehme mich wie ein Schlangenmensch. Ich drehe meinen Nacken und schau mir auf den Arsch. Meine fetten Pobacken sind kein besonders erbaulicher Anblick, aber mit der Zeit haben sie mich eines gelehrt: Mein Arsch ist erdbebenfest."

Hat Ancelotti schon dreimal gewonnen, zweimal mit dem AC Mailand (2003, 2007) und einmal mit Real Madrid (2014). Meister wurde er in Italien mit Milan (2003/04), in England mit dem FC Chelsea (2009/10) und mit Paris Saint-Germain in Frankreich (2012/13) - insgesamt sind's 16 Titel seit 2003 in fünf Ländern.

"Carlo Ancelotti hat als Trainer überall Erfolg gehabt. Bei Juventus, Milan, Chelsea, Paris, Real Madrid. Er hat drei Mal die Champions League gewonnen. Das ist bis heute ein Rekord, und natürlich hat er die Qualität", sagte Rummenigge der "Bild".

Die tankt er gerade in Kanada mit seiner zweiten Frau Mariann auf. Zwei Jahre bei Real Madrid hatten ihn müde gemacht, zudem plagte ihn ein Nervenleiden, dass von der Wirbelsäule in die Gliedmaßen ausstrahlte. Im Sommer unterzog er sich einer Operation, nun ist er wieder auf dem Damm.

Was er in Vancouver so macht? "Spiele anschauen, Fischen, all diese Sachen", plauderte er kürzlich aus. Doch der Fußball lässt ihn nicht los. "Ich genieße meine Zeit jetzt, aber natürlich will ich wieder arbeiten, denn das ist meine Leidenschaft", sagte er bei einem Besuch in London.

Die zeichnet Ancelotti als Mensch und Trainer aus. "Ancelotti konnte die Erfolgsbedingungen am besten mixen: die taktische Idee, das Menschliche, was gerade bei Real Madrid nicht so einfach ist", sagte Toni Kroos der "Zeit". Der Italiener kann auch mal Fünfe gerade sein lassen, was vor allem dem Lebemann Uli Hoeneß sehr gefallen wird.

Er hat in einem Don-Camillo-Streifen mit Terence Hill mitgespielt und wird im nächsten Star-Trek-Kinofilm " Star Trek Beyond" einen Cameo-Auftritt als Arzt haben. Am Spielfeldrand penetriert er stets einen Kaugummi. Eine hochgezogene linke Augenbraue ist sein Markenzeichen.

Das Ancelotti Pasta und Rotwein mag, muss nicht mehr extra ausgeschmückt werden. Er ist Italiener. "Ich schlinge Essen runter wie ein Pferd. Nehmt mich mit zu einer Trattoria und schaut mir einfach nur zu", sagte er mal. Die Bayern-Bankette nach Champions-League-Spielen werden ihm gefallen.

Im Sinne von: Wie passt Ancelotti zur bayrischen Volkstümlichkeit, die sie beim FC Bayern gerne mal hervorkramen? Nun, sein voluminöser Körper scheint für die Lederhos'n gemacht, seine Bierruhe ist fast schon legendär und seinen eigenen (Dick-)Kopf hatte "Carletto" eigentlich auch schon immer. "Mit Carlo Ancelotti kommt ein perfekter Nachfolger", sagt Franz Beckenbauer.

Ancelotti hat auch einen Hang zum Bäuerlichen. "Es hört sich vielleicht komisch an, aber Landwirtschaft hat viel mit dem Fußball gemeinsam: Ruhe, Geduld und Planung", sagte der Bauernsohn mal. Und: "Was jetzt gesät wird, kannst du erst nächstes Jahr ernten. Nichts ist unmittelbar. Wir beherrschten in unserer Familie diese Kunst, die Kunst der Geduld. Als Spieler und Trainer hat mir das eine Million Mal geholfen."

Und die Marke FC Bayern scheint dem Italiener auch zu gefallen. "Wir wollten Carlo, aber Carlo will auch den FC Bayern", sagte Rummenigge:

Kann Ancelotti gut umschmeicheln, ohne sich zum Horst zu machen. Ancelotti sagte einmal: "Weltstars sind am einfachsten zu behandeln, denn sie sind die Ehrgeizigsten." Tatsächlich hat noch keiner der zahlreichen Stars, die unter ihm arbeiteten, jemals öffentlich ein schlechtes Wort über Ancelotti verloren.

"Er ist sehr umgänglich, nicht so unter Strom wie Guardiola. Das kam bei seinen Spielern immer gut an. Er gewährt eine etwas längere Leine. Die Spieler können unter ihm möglicherweise etwas stressfreier arbeiten als unter Guardiola", sagte Dietmar Hamann bei "Sky".

Cristiano Ronaldo, der Ancelotti zwischen 2013 und 2015 bei Real Madrid erlebte, schwärmt heute noch von ihm: "Ich dachte am Anfang, dass er härter sei, etwas arrogant. Es war das Gegenteil. Er ist wie ein großer Bär, ein genialer Typ, sehr einfühlsam ", sagte er bei "ESPN". Kurz: "Ich wünschte, jeder Spieler hätte die Gelegenheit, mit ihm zu arbeiten." Und Zlatan Ibrahimovic sagte:

Ancelotti wird nach Giovanni Trapattoni der zweite Italiener auf der Trainerbank der Bayern und der vierte insgesamt in der Bundesliga. Trapattoni saß bei Bayern München in der Saison 1994/95 sowie von 1996 bis 1998 auf der Bank. Mit dem Rekordmeister gewann Trap 1997 Meisterschaft und Ligapokal sowie ein Jahr später auch den DFB-Pokal, blieb aber trotzdem irgendwie unvollendet.

In der Spielzeit 2005/06 arbeitete Trapattoni außerdem recht erfolglos beim VfB Stuttgart. Ein ähnliches Schicksal teilten auch Nevio Scala bei Borussia Dortmund (1997/98) und Roberto Di Matteo beim FC Schalke 04 (2014/15). Also, Mister Ancelotti: besser machen!

Als Spieler hatte er in Arrigo Sacchis AC Mailand der 90er Jahre sogar noch einen Hauch mehr Genialität im Repertoire als Pep Guardiola beim FC Barcelona. Als Trainer kennt er sich mit diversen Spielsystemen aus: Bei Milan war's meist eine starke Mitte mit drei defensiven Mittelfeldspielern, bei Real schwankte er zwischen 4-2-3-1 und 4-3-3. Ein radikaler Visionär war er nie, eher ein Pragmatiker. Wenn etwas passt, dann passt es. Rummenigge:

Schlau war Ancelotti auch stets im Umgang mit starken Führungspersönlichkeiten: So wusste er sowohl mit Silvio Berlusconi (Mailand) als auch mit Roman Abramowitsch (Chelsea), Nasser Al-Khelaifi (PSG) und Florentino Pérez (Real) umzugehen. Sammer, Rummenigge und Hoeneß machen Ancelotti also keine Angst.