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Bundesliga-Kolumne LIGAstheniker: Bayer Leverkusen und seine Knock-Out-Kunst - B04 vorne und hinten spektakulär

Thilo Komma-Pöllath

Update 18/03/2024 um 12:02 GMT+1 Uhr

Bayer 04 Leverkusen fliegt der ersten Meisterschaft seiner Vereinsgeschichte entgegen, Rotationsmagier Xabi Alonso tütete mit seiner Mannschaft den 33. Pflichtspielsieg der Saison ein. Der LIGAstheniker findet: An die phänomenal brutale Knock-Out-Kunst der Leverkusener kommt keiner ran - da schaut selbst der große FC Bayern in die (TV-)Röhre. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Alonso analysiert Sieg in Freiburg: "Seriöse, gute Leistung"

Liebe SportsfreundInnen,
Es hat sich in den letzten Wochen eine Art von Bundesliga-Gesellschaftsspiel entwickelt, das doch sehr amüsant zu beobachten ist.
Das Spiel geht so: Da kickt der FC Bayern immer samstags mit den Mindestlohnklubs der Liga (erst Mainz, dann Darmstadt) Katz und Maus, Tormaschine Harry Kane wird zum Superkater stilisiert und die oftmals bayernaffine Medienmeute schwadroniert mit Lust und Laune über einen möglichen Umkehrschwung an der Tabellenspitze.
Und dann macht das Team von Xabi Alonso am späten Sonntagnachmittag einfach nicht dabei mit. Nicht in Köln, nicht gegen Wolfsburg, nicht gestern in Freiburg - Leverkusen gibt sich unbeeindruckt und nüchtern, kein Torfestival à la Bayern, kein 90-minütiger Überwältigungskick, sondern jeweils ein klinisch-überlegter Sieg, der mit Anpfiff nie in Frage gerät.
Ein gutes Turnierpferd springt nur so hoch, wie es muss, hat man früher dazu gesagt. Die Knock-Out-Kunst von Bayer 04 ist phänomenal brutal.

Bayerns Binge Watching

Gerne möchte man einmal Mäuschen spielen bei einem wie Thomas Müller, der Sonntagnachmittag Mitspieler und Freunde zu sich nach Hause in den Münchner Süden einlädt, um Leverkusen dabei zuzuschauen, wie sie nun aber endlich ihren riesigen Vorsprung verspielen.
Müllers Frau Lisa reicht Diät-Limonade und vegane Gemüsesticks, Kane ist sauer, weil es wieder kein Pint gibt und es dauert keine Halbzeit, bis Leroy Sané auf so viel Gruppenkuscheln gar keinen Bock mehr hat - auch weil es offenbar sinnlos ist.
Müller ballt bis zum Schluss die Fäuste, feuert Freiburg an bis zur Heiserkeit. Aber Leverkusen ist das alles wurscht, spielt seinen Stiefel selbstsicher herunter, auch weil sie wissen, dass so eine Gelegenheit nie wieder kommt.
38 Spiele ohne Niederlage sind Vereinsrekord, das reicht bis in das vegetative Nervensystem eines jeden einzelnen Spielers und nicht nur in den Verdauungstrakt wie die Müller'schen Gemüsespieße. Dieses magische Flirren auf der Haut kriegen die Bayern in diesem Jahr nicht mehr hin.

Leverkusen: Vorne und hinten spektakulär

Ob Müller tatsächlich solche Leverkusener Sonntagseinladungen ausspricht, sei mal dahingestellt, allein die Vorstellung amüsiert. Tatsächlich aber ist es ein besonderes Erlebnis, wie Leverkusen in den ersten Minuten in ein Spiel hinein- und wie es in den letzten Minuten wieder hinausgeht.
In Freiburg führte Bayer bereits nach 87 Sekunden. Florian Witz hat es sich offenbar zur Mission gemacht, die Freiburger Abwehr immer ganz alleine schwindlig zu tanzen, wobei man kritisch anmerken muss, dass sein Tor gestern - in der nach oben offenen Messi-Skala - nicht ganz so spektakulär war wie im Hinspiel. Auch in der Schlussphase war Bayer diesmal nicht ganz so spektakulär wie sonst.
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Florian Wirtz und Co. jubeln gegen den SC Freiburg

Fotocredit: Getty Images

Keine Siegtreffer wie gerade erst in der Europa League gegen Qarabag in der 90.+3 und +6, kein Siegtreffer wie in Augsburg in der 90.+4, kein Siegtreffer wie in Leipzig in der 90.+1 und auch kein Siegtreffer wie im DFB-Pokal gegen Stuttgart in der 90. Minute exakt.
In Freiburg standen sie in der Nachspielzeit defensiv extrem stabil und ließen nichts mehr zu. Eine mindestens ebenso wichtige Eigenschaft eines künftigen Meisters wie das späte Tore schießen. Defensiven gewinnen Meisterschaften hab ich mal gehört. Gilt das noch?

Alonsos große Rotationskunst

Interessant ist auch, wie es Xabi Alonso gelingt, die Erfolgsgeschichte seines Teams trotz eines hohen Rotationsniveaus weiterzuschreiben. In München ist man bekanntlich der Meinung, Rotation und Erfolg schließen sich aus.
Bei Bayer spielten in Freiburg zu Beginn sieben Neue im Vergleich zum Europa League-Spiel drei Tage zuvor - und doch wie aus einem Guss. Wie macht er das?
Bayern-Coach Thomas Tuchel wird dafür kritisiert, wenn zu oft eine andere Elf aufläuft. Alonso zeigt, wie er die Qualität seines ganzen Kaders zwischen Europa League, DFB-Pokal und Bundesliga ohne jeden Qualitätsverlust in Schwingung halten kann. Das ist ganz große Trainerkunst!
Gut möglich, dass Thomas Müller das bald ähnlich sieht und das Binge Watching zu Leverkusen einstellt.

Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als LIGAstheniker das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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