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Der LIGAstheniker: FC Bayern verpennt Zeitenwende in der Bundesliga - Bayer 04 Leverkusen ist das Maß der Dinge

Thilo Komma-Pöllath

Update 12/02/2024 um 11:44 GMT+1 Uhr

Der FC Bayern München kassiert gegen Bayer 04 Leverkusen eine schallende Ohrfeige, die eine Zäsur in der jüngeren Bundesliga-Geschichte darstellt. Die Werkself von Xabi Alonso ist spätestens seit dem 3:0 über den Serienmeister aus München das neue Maß der Dinge, während beim Rekordmeister die Fahnen auf Halbmast wehen und die Zweifel an Thomas Tuchel wachsen. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Tuchel nach Pleite: "Übernehme Verantwortung für Taktik"

Wir leben in Zeiten der Transformation, das hat sich längst herumgesprochen. Klima, Krieg, Energie, Gender – alles wird anders. Der Kanzler sprach von "Zeitenwende" - dumm nur, dass dem FC Bayern keiner gesagt, dass sich auch der Fußball wenden wird.
Man muss ja nicht immer alles irre hoch hängen, aber wenn man sagt, dass seit dem Samstagabend die Liga eine andere ist, dann stimmt das wohl. Der FC Bayern ist immer noch eine passable Fußballmannschaft, aber eben nicht mehr die beste im Land.
Dass ich den Satz mal ohne Widerrede schreiben würde - Wahnsinn! Die Beste, man glaubt es kaum, ist eine Mannschaft, über die man sich seit Jahren lustig macht ob Ihrer Vizekusenhistorie, ein "Werksklub" - wie das schon klingt - und dann noch Bayer mit ihrem Hang zum Pestizid. Jetzt haben sie die Bayern weggegüllt.
Bayer Leverkusen spielt das Spiel der Zukunft - irgendwelche Einwände?

Glauben die Bayern-Spieler noch an Tuchel?

Wäre ich Naturwissenschaftler, hätte ich ein paar beeindruckende Zahlen zum Prahlen: Das 31. Pflichtspiel ohne Niederlage in Folge. Gefühlt war das 3:0 vom Samstag ja eher ein 5:0.
Oder andersherum: Sind 18 Ballkontakte oder so in 90+5 Minuten für einen, der 100 Millionen Euro Sondervermögen gekostet hat, eigentlich ein Arbeitsnachweis oder ein fristloser Kündigungsgrund? Kane Ahnung!
Bayern hatte, das ist wohl die niederschmetterndste Erkenntnis des Spitzenspiels aus Münchner Sicht, keine wirklich echt gute Torchance. Wie kann das eigentlich sein, wenn Bayern-Trainer Thomas Tuchel doch ein "Statement" sehen wollte?
Oder war das gar ein Statement, nur eben völlig anders, als der Trainer sich das gedacht hat, gar ein Statement gegen ihn selbst? „Die Mannschaft glaubt an ihn“, sagte Lothar Matthäus nach dem Spiel und meinte Xabi Alonso. Für Tuchel gilt dann wohl das Gegenteil: Die Mannschaft hat offenbar jeden Glauben an ihn verloren.
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Ein wütender Thomas Müller im Interview nach der 0:3-Pleite des FC Bayern München gegen Bayer 04 Leverkusen

Fotocredit: Getty Images

Bayern fehlt fast alles: Herz, Hirn & Hoden

"Bei Leverkusen hat man das Gefühl, dass die miteinander sehr viel Spaß haben", erklärte Thomas Müller, um sich dann in einen Rausch zu palavern, dass man zu kopflastig, dafür aber "teilweise ohne Eier" agiert hätte.
Wie jetzt? Kein Fun, kein Mumm, ohne Herz - was hat der Tuchel, der Fußball bekanntermaßen vor allem als theoretischen Synapsensport begreift, nur aus den "Mia San Mia"-Bayern gemacht?
Die Fußballmannschaft, die in den letzten zehn Jahren noch jedes wichtige Ligaspiel mit ihrer ganz eigenen Mischung aus Selbstüberzeugung und Arroganz dominiert hat, fällt sprichwörtlich in sich zusammen.
Was wollte Manuel Neuer eigentlich im Strafraum des Gegners in Minute 90+5 noch mal genau bewirken beim Zwischenstand von 0:2 - einen "Dreier" gibt es bekanntlich nur im Basketball. Wer glaubt, dass diese "Demütigung" (SZ) nichts mit der nahen Zukunft von Thomas Tuchel in München zu tun hätte, dem ist offensichtlich der Stern des Südens auf den Kopf gefallen.

Entschuldigung, Bayer ist eine Spitzenspielmannschaft!

Vor zwei Wochen nährte ich an dieser Stelle noch Zweifel, ob Bayer Leverkusen das Zeug zur Spitzenspielmannschaft hat. Zu oft war der BVB in der Vergangenheit in einer ähnlichen Position und hatte sich dann, wie sage ich das jetzt nur, naja, halt nassgemacht.
Der analoge Transfer vom BVB auf Bayer, lieber LIGAstheniker, ist eine bodenlose Unverschämtheit, für die ich mich vor Wirtz & Co. auf den gedüngten Rasen werfe.
Wie Bayer innerhalb von fünf Tagen Bayern und Stuttgart jeweils maßgeschneidert düpiert hat, das ist Weltklasse - Werksklub hin oder her.
Diese fantastische Xabi-Mischung aus Kontrolle und Dominanz, mit und gegen den Ball, Leichtigkeit und Kaltschnäuzigkeit, das bekommt im europäischen Fußball derzeit kaum einer so hin wie Alonso. Tuchel jedenfalls nicht.
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Bayern-Trainer Tuchel "nicht zufrieden mit dem Level"

Holt Bayer das Triple?

Die Zeitenwende im deutschen Fußball datiert also auf den 10. Februar 2024: Dass die Leverkusener in dieser Saison noch das Triple holen können und die Bayern am Ende zum ersten Mal seit der Spielzeit 2011/12 ohne Titel dastehen könnten. Was bedeuten würde: Dass aus der Ära Tuchel in München keine mehr werden wird.

Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.

ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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Tuchel unzufrieden mit Leih-Regel: "Ausgerechnet Stanisic"

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