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FC Bayern - Thomas Tuchel und Joshua Kimmich im Emotionen-Karussell: Zwei Prügelknaben trumpfen auf

Dennis Melzer

Update 18/04/2024 um 11:53 GMT+2 Uhr

Der FC Bayern steht nach dem 1:0-Sieg über den FC Arsenal erstmals seit vier Jahren wieder in einem Champions-League-Halbfinale - und wahrt damit die Chance auf einen doch noch versöhnlichen Abschluss einer unzufriedenstellenden Saison. Besonders im Fokus standen am Mittwochabend zwei Protagonisten, die in den vergangenen Wochen immer wieder als Prügelknaben herhalten mussten.

Tuchel angepiekst: "Das ist ein bisschen scheinheilig"

Münchner Champions-League-Abende wirkten in dieser Saison regelmäßig wie eine willkommene Flucht aus der Tristesse, wie sonnige Kurzurlaube nach intensiven, aber ertraglosen Arbeitstagen.
Der Abend des 17. April machte dabei keine Ausnahme - zwar nicht aus meteorologischer Sicht (nasskalt), aber im übertragenen Sinn: Eitel Sonnenschein herrschte nach dem 1:0-Sieg im Viertelfinal-Rückspiel der Königsklasse gegen den FC Arsenal, der als Schlüssel für den Einzug in die Runde der letzten Vier diente.
Nach Pokal-Blamage, abhandengekommener Bundesliga-Dominanz und halbgarem Trainer-(Nicht)-Rauswurf erhielten die in dieser Spielzeit so gebeutelten Anhänger diesmal wieder ihren echten FC Bayern. Champions-League-Halbfinale, das ist doch wahrlich bayern-like. Entsprechend groß fiel der Jubel in der Südkurve aus, als die Mannschaft im Nachgang gut gelaunt herumhüpfte. "Europapokalsieger, FCB", schallte es durchs weite Rund.
Auf den Europapokal war also selbst in dieser - in allen Negativ-Belangen - wilden Spielzeit Verlass. Die Wut über Auftritte wie beispielsweise beim 2:3 in Heidenheim vor anderthalb Wochen schien mit einem Mal verpufft. Große Bühne ist eben hipper als Provinz, so viel ist klar.

Misserfolg hinterlässt Narben

Doch die vergangenen Monate haben Narben hinterlassen. Besonders zwei Dauer-Prügelknaben ließen ihren Emotionen im Nachgang an den Triumph über die Gunners demensprechend freien Lauf. Da wäre allen voran Thomas Tuchel. Der - so zumindest die Wahrnehmung - Architekt des Misserfolgs. Längst geschasst, musste er immer wieder Stellung beziehen. Regelmäßig machte sich nach unerklärlichen Darbietungen Ratlosigkeit breit.
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Thomas Tuchel

Fotocredit: Getty Images

Gegen Arsenal ließ er Medien- und Fan-Liebling Thomas Müller trotz dünner Personaldecke einmal mehr draußen und beschwor damit schon vor Anpfiff einen neuen Gegenwind herauf. Wichtige Spiele sind doch Müller-Spiele, hätte es im Falle des Nicht-Erfolgs geheißen. Dass er stattdessen in der Offensive auf den nominellen Linksverteidiger Raphael Guerreiro gesetzt hatte, wäre ihm um die Ohren geflogen.
Auch die auf den ersten Blick biedere Spielweise aus einer gesicherten Defensive - im Falle des Scheiterns rückblickend natürlich der völlig falsche Ansatz. Doch es kam anders: Die Mannschaft, die Tuchel in dieser Saison schon so oft angeblich verloren hatte, folgte seiner Marschroute, besagter Guerreiro zählte in ungewohnter Rolle zu den besten Spielern auf dem Platz.

Tuchel: "Das finde ich scheinheilig"

Kurz gesagt: Tuchels Plan ging auf. Ob er nun, nach all dem, was auf ihn eingeprasselt sei, Genugtuung verspüre, wurde der 50-Jährige im Nachgang auf der Pressekonferenz gefragt. Die Antwort des Coaches fiel vielsagend aus: "Das finde ich ein bisschen scheinheilig. Von wo prasselt das denn auf mich ein? Von den Medien, oder?"
Er empfinde "natürlich Genugtuung", allerdings nicht, weil er es seinen Beckmessern zeigen wolle. "Sonst", so Tuchel weiter, "würde ich dem Ganzen zu viel Wertigkeit geben." Doch es war offensichtlich, wie viel ihm das Erreichte bedeutete.
Genugtuung dürfte auch Joshua Kimmich, neben Tuchel heuer wohl DAS Lieblingsziel der Kritiker, empfunden haben. Gegen Arsenal war er mit einem sehenswerten Kopfballtor zum Mann des Spiels avanciert, er war es, der mit seinem Treffer (63.) den Weg ins Richtung Halbfinale bereitete. Ganz nebenbei hatte er den hochgelobten Gabriel Martinelli während der gesamten Spielzeit als Rechtsverteidiger souverän ausgeschaltet.
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Tuchel: "Können Saison unter keinen Umständen abschenken"

Kimmich vermisst Rückendeckung

"Das Tor tat sehr, sehr gut", gab der 29-Jährige in der Mixed-Zone zu: "Ich musste mir im letzten Jahr sehr viel anhören und habe wenig Rückendeckung bekommen. Am Ende zeigt es, dass sich harte Arbeit immer lohnt. Dementsprechend bin ich total stolz, dass der Abend so gelaufen ist."
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Mit besten Grüßen an die Kritiker: Joshua Kimmich

Fotocredit: Getty Images

Mit der Anschlussfrage konfrontiert, ob er auch innerhalb des Vereins fehlende Unterstützung wahrgenommen hätte, erklärte der Nationalspieler: "Ja generell. Zu mir haben sich ja Hinz und Kunz geäußert. Da waren wenige dabei, die mal pro Kimmich waren. Umso schöner, dass ich dafür sorgen konnte, dass sich die Stimmen ändern."
Das hatte er mit seiner überragenden Leistung gegen Arsenal durchaus bewerkstelligt. Zuspruch erhielt er indes an diesem Abend nicht nur von Leidensgenosse Tuchel, der Kimmichs Tor als "sensationell" deklarierte, sondern auch von einem ehemaligen Nationalmannschaftskollegen. Sami Khedira, mittlerweile "DAZN"-Experte stärkte Kimmich mit deutlichen Worten den Rücken.

Khedira deutlich: "Ihr habt keine Ahnung"

"Ein kurzes Wort zu Kimmich. Fußball ist am Ende fast immer gerecht", leitete der Weltmeister von 2014 ein: "Was er diese Saison abbekommen hat - er kann keine Ecken schießen, er soll in ein anderes Land wechseln, den brauchen wir nicht, der kann nichts. Keine Ahnung, liebe Experten. Aber ihr habt keine Ahnung!"
Kimmich sei Khedira zufolge ein "ganz toller Spieler, der zwar manchmal überdreht, aber ganz wichtig ist. Das wird er auch bei der EM zeigen."
An die EM ist für die Bayern allerdings erst einmal nicht zu denken. Zu reizvoll und namhaft ist mit Real Madrid die Aufgabe und letzte Hürde, die es vor einer möglichen Finalteilnahme in Wembley noch zu bewältigen gilt. Ein Duell als nächste Flucht aus dem Alltag, eine Partie, wie gemacht für einen typischen Münchner Champions-League-Abend.
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Tuchel blickt aufs Halbfinale: "Real Madrid, wer sonst?"

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