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Wolfsburgs Wahrnehmung: Aus Grau mach Grün

Johannes Mittermeier

Update 26/03/2015 um 21:56 GMT+1 Uhr

Hätte man Fußballfans vor Jahren gebeten, alle aktuellen Bundesligaklubs aufzuzählen, wären zwei Dinge garantiert gewesen: Bayern würde sehr früh genannt, Wolfsburg sehr spät. Inzwischen ist der VfL in dieser Wertetabelle geklettert - und doch ist es erstaunlich, wie schwer es der Öffentlichkeit fällt, den Klub in Grüntönen zu beäugen und nicht in tristem Grau. Wird Inter zum Meilenstein?

Wolfsburgs Profis sind heiß auf das Duell mit Inter

Fotocredit: Eurosport

Der VfL Wolfsburg hat eine Chance. Es ist eine sehr kostbare Chance, denn sie kommt nicht oft.
Es ist die Möglichkeit, etwas für die Außendarstellung zu unternehmen, national wie international. Inter Mailand gastiert zum Achtelfinale der Europa League (heute ab 19:00 Uhr im Liveticker). Wolfsburg fiebert dem Duell entgegen, weil endlich dieses internationale Flair durch die Autostadt weht, das alle so herbeisehnen.
"Lärm, um Inter zu schlagen"
"Das Los hat Begeisterung ausgelöst", berichtet Trainer Dieter Hecking. 26.000 Fans sorgen für ein volles Haus, das freut die Protagonisten auf dem Rasen. "Die Unterstützung war zuletzt unglaublich“, schwärmt Verteidiger Naldo. "Wir brauchen diesen Lärm, um Inter schlagen zu können“, ergänzt Abwehrkollege Ricardo Rodriguez.
Trotz der jüngsten 0:1-Pleite von Augsburg steht Wolfsburg für Spektakel. 5:3, 4:1, 5:3, Bas Dost als Tor-Phänomen, Kevin de Bruyne als Schwungrad, André Schürrle als Königstransfer. Und Hecking sowie Manager Klaus Allofs als kühne Strippenzieher.
Nie zuvor war der Klub zu diesem Saisonzeitpunkt in drei Wettbewerben vertreten, schon gar nicht im Meisterjahr 2008/09. Der Erfolg ist kein Zufall - die Interpretation der Fußball-Republik auch nicht.
"Unfair gegenüber unseren treuen Fans!"
"Wahrscheinlich holen ARD und ZDF wieder irgendwelche Konserven raus, mit leeren Rängen, und werden sagen: keine Unterstützung von den Fans", schimpfte Allofs, als der VfL zum Pokalspiel in Leipzig antrat. Vor über 43.000 Zuschauern, darunter 2000 Wolfsburger Anhänger. RB-Sportdirektor Ralf Rangnick kommentierte neckisch, dass die Partie bei vertauschten Gastgeberrollen sicher nicht ausverkauft gewesen wäre. Das erzürnte Allofs, denn seiner Meinung nach unterfütterte es die gängige Wahrnehmung.
"Es werden immer leere Ränge in unserem Gästebereich thematisiert, mit dem Hinweis, dass sich niemand für den Erfolg des VfL Wolfsburg interessiere. So werden falsche Bilder transportiert“, erklärte Allofs in der "Bild". Dies, bemerkte der 58-Jährige, "ist nicht fair gegenüber unseren zahlreichen treuen Fans".
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Fans

Fotocredit: Imago

Da mag viel Wahres dran sein, andererseits gibt es Zahlen, die unbestechlich sind. In der Bundesliga liegt Wolfsburgs Zuschauerschnitt bei 27.778, in der Europa League aber sah es bisher anders aus: Knapp 16.000 Fans gegen Lille und Krasnodar, 23.300 gegen Everton, lediglich 19.200 gegen Sporting Lissabon.
Der Name Inter strahlt
Dabei soll das internationale Unterhaus nicht mehr als ein Vorbau für die Champions League darstellen - selbstredend mit maximalem Anspruch. Bei den Wettanbietern steht der VfL hoch im Kurs; noch vor dem Einzug ins Achtelfinale wurde man von "bwin" als Titelfavorit eingestuft. "Sie sind das zweitbeste Team in Deutschland und haben Bayern besiegt", warnt Inter-Coach Roberto Mancini.
Überhaupt Inter Mailand - das ist in den Köpfen vieler noch immer der Weltklub aus der Lombardei. Da schwirrt der Doppelschlag von Diego Milito im Champions-League-Finale 2010 gegen Bayern vor dem geistigen Auge; da ist die Ära der deutschen Weltmeister; die ikonischen schwarz-blauen Längsstreifen, die Heroen von einst.
In Wirklichkeit lungert der 18-malige italienische Meister in der Serie A derzeit im berühmten Niemandsland herum. Aber der Name strahlt. Genau deshalb könnten die "Wölfe" ihre sportliche Imagekampagne gegen die "Nerazzurri" sowohl aufwerten als auch beschleunigen.
Selbst Effenberg half nichts
Die Ablehnung, welche die Niedersachsen erfahren, ist bei weitem nicht so krass wie in Leipzig. Aber der VfL Wolfsburg gilt nunmal als Erzeugnis der Retorte: spröde, nicht organisch gewachsen, massig vom Konzern subventioniert.100 Millionen Euro sollen es in den letzten Jahren jeweils gewesen sein.
Fußball-Romantiker vergessen gerne, dass Sport längst auf Ökonomie aufbaut. Volkswagen ist seit 1952 Hauptsponsor des VfL, griff allerdings erst nach dem Aufstieg 1997 ins operative Geschäft ein. Unter Felix Magath zog man sich aus sportlichen Belangen zurück, zuvor versuchte man, den Klub durch namhafte Transfers mit Reiz und Kontur zu versehen.
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Effenberg

Fotocredit: Imago

Prominenz kamen schwer in Mode, Stefan Effenberg, Andres D'Alessandro, Marcelinho oder Diego verbreiteten so etwas wie Glamour. Doch Grau blieb Grau. Dem Abstieg entging man 2006 und 2007 nur haarscharf, nach der Meisterschaft sprangen die Plätze 8, 15, 8, 11 und 5 heraus. Biederes Mittelmaß, manchmal nicht einmal das.
Schalke hat es vorgemacht
Plötzlich ist alles anders. Der VfL Wolfsburg wirtschaftet klug und umsichtig (Guilavogui, Caligiuri, Dost), spielt mitreißend und wähnt sich "stark genug, um die Europa League zu gewinnen", wie Naldo der "Sport Bild" versichert. Indes hat Klaus Allofs mit den Medienmenschen seinen Frieden geschlossen: "Es war nicht dramatisch. Alles was zu besprechen war, wurde besprochen.“
Für den VfL Wolfsburg trifft das nicht zu. Die Duelle gegen Inter könnten ein Steigbügelhalter für vieles werden. Schalke 04 hat in dieser Woche gezeigt, wie man sein Renommee binnen 90 Minuten aufpäppelt
VIDEO – "Wölfe": Keine Angst vorm großen Namen
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