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Frankreich unter Schock: Befürchtungen für EM 2016 "maximal"
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Publiziert 15/11/2015 um 11:54 GMT+1 Uhr
Der Terror von Paris ändert auch für die Organisatoren der EM 2016 alles. Vier Wochen vor der Gruppenauslosung ist die Vorfreude auf das Fußballfest mit einem Schlag verflogen, die Sorgen sind groß. "Der Grad des Terror-Risikos ist gestiegen", sagte Jacques Lambert, Präsident des Organisationskomitees, in einer bedrückenden Analyse.
Nach den Terroranschlägen steht die Sicherheit bei der EM 2016 auf dem Prüfstand
Fotocredit: AFP
Einhundertprozentige Sicherheit kann es für ein Großereignis mit zehn Stadien in zehn Städten niemals geben - auch dies war eine Erkenntnis, als der erste Schock sich gelegt hatte. Noël Le Graët, Präsident des französischen Fußball-Verbandes FFF, ließ anderweitige Illusionen noch in den Katakomben des Stade de France platzen.
"Wir haben sehr viele Vorsichtsmaßnahmen ergriffen", sagte er nachdenklich, "aber man sieht jetzt, dass Terroristen jederzeit zuschlagen können. Wir hatten vorher bereits eine gewisse Unruhe bezüglich unserer Europameisterschaft. Diese ist natürlich noch stärker geworden." Zwei der Sprengsätze waren offensichtlich direkt am Endspielstadion für 2016 explodiert. Ein Bericht, ein Attentäter mit Sprengstoffweste habe ins Stadion einzudringen versucht, blieb unbestätigt.
Eigentlich hatte Frankreich sich für die EM gerüstet gefühlt. Seit Monaten arbeiten Innenministerium, FFF und OK an Details des Schutzes von Besuchern, Spielern und Touristen, in der Bewerbung stand die Sicherheit in der Liste von zwölf Risiken an oberster Stelle. Zudem hatte schon der Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo ein Umdenken ausgelöst. Doch dieser Freitag war eine andere Dimension.
EM-Absage 2016 kein Thema
Er schockierte selbstverständlich auch die Équipe tricolore, zumal mehrere französische Nationalspieler persönlich betroffen waren. Während Lassana Diarra gegen Deutschland auf dem Platz stand, starb bei den Anschlägen seine Cousine. Die Schwester von Antoine Griezmann überstand das Attentat auf den Konzertsaal Bataclan mit viel Glück unbeschadet.
Eine Absage der Fußball-EM 2016 in Frankreich ist für OK-Chef Jacques Lambert aber kein Thema. "Wenn wir diese Frage stellen würden, würden wir den Terroristen einen Gefallen tun", sagte Lambert dem französischen Sender RTL.
"Das Risiko ist im Januar gestiegen", erklärte Lambert mit Blick auf den damaligen Anschlag auf das Satire-Magazin Charlie Hebdo. "Und es ist nun wieder gestiegen. Und es ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation in Sachen Terrorismus bis zur EURO 2016 entspannt. Aber wir werden alle Maßnahmen treffen, um die größtmögliche Sicherheit zu gewähren. Die Sicherheit im Stadion funktioniert gut, das Risiko besteht eher auf der Straße und bei spontanen Zusammenkünften."
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Lassana Diarra
Fotocredit: Imago
Keine unmittelbare Gefährdung für die EM sieht allerdings der deutsche EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). "Frankreich ist auch in Syrien engagiert und deswegen auch verstärkt ein Ziel. Insgesamt muss man aber wenig Angst haben. Die Sicherheitslage ist ausreichend", sagte er "WDR 2".
Ein Leitmedium sieht das anders. "Die EM 2016 wird bedroht. Die Befürchtungen sind maximal", schrieb die französische Sportzeitung "L'Equipe". Viele Medien und Kommentatoren allerdings kamen unter dem unmittelbaren Eindruck des Horrors noch gar nicht dazu, über die EM nachzudenken. Selbstverständlich gilt das auch für die Spitzenpolitiker, die ganz andere Sorgen haben.
Doch wie sind Menschen, Stadien, Hotels und Anlagen, öffentliche Verkehrsmittel und bevölkerte Plätze 2016 zu schützen? Die Antwort: in erster Linie durch den Staat. Der wird sich im Wesentlichen um die Sicherheit kümmern, wenn zum Turnier vom 10. Juni bis 10. Juli Hunderttausende anreisen.
Staat, Verband und Kommunen arbeiten zusammen
Am 2. September ist ein Protokoll unterschrieben worden, in dem die Aufgabenverteilung zwischen dem Staat und der FFF geregelt wird. Die Stadien, Camps, Mannschafts- und UEFA-Unterkünfte werden laut dieses Abkommens von den Organisatoren abgesichert. Außerhalb trägt der Staat die Verantwortung.
"Wir wussten von Anfang an, dass der Sicherheitsfrage eine Schlüsselrolle zukommt", sagte Lambert. "Wir wussten von Anfang an um die Gefahr von terroristischen Anschlägen gegen Frankreich." Wichtig war ihm, hinzuzufügen: "Ich sage Frankreich, und nicht UEFA oder EM!" Die Europäische Fußball-Union hatte am Samstagmorgen kondoliert, ließ aber Fragen des SID in Bezug auf die EM unbeantwortet.
Für die Koordination wurde eine nationale Arbeitsgruppe unter Leitung des Innenministers Bernard Cazeneuve gegründet. In den Fanzonen der EM-Städte sind die Stadtverwaltungen zuständig, sie werden sich mit privaten Sicherheitsdiensten verstärken. Ziad Khoury, OK-Sicherheitsdirektor, sieht Frankreich gut aufgestellt. "Die Organisation einer Sportveranstaltung von Weltgeltung erfordert präzise und ausreichende Mittel", sagte er und versicherte: "Unsere technische Ausrüstung wird ausreichend sein. Vor allem, was die Entdeckung von Sprengstoff angeht."
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