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Opinion
Snooker

Mit Blut, Schweiß und Tränen zum WM-Titel

Rolf Kalb

Publiziert 28/05/2015 um 16:11 GMT+2 Uhr

Stuart Bingham ist Weltmeister. Er selber wird wohl noch immer eine Augenbraue hochziehen, wenn er diesen Satz liest. Es war ein langer Weg voller „Blut, Schweiß und Tränen“, wie er selber sagte: Nach 20 Profi-Jahren ist er auf dem Gipfel angekommen.

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Fotocredit: Eurosport

Der Mann, der über viele Jahre als Mitläufer galt, als ein guter Spieler, aber eben kein Top-Spieler, hat es allen gezeigt, und er tat das ohne Häme. Er tat das mit Klasse, mit Brillanz, mit Selbstvertrauen und mit seiner Unerschütterlichkeit. Matt Huart von Prosnookerblog hat das hervorragend formuliert: Die mentale Stärke von Stuart Bingham war „kolossal“. Das war bei dem 38-Jährigen nicht immer so. Als er vor neun Jahren in die Top 32 der Weltrangliste vorgerückt war, da fiel es ihm schwer, mit den gestiegenen Erwartungen zurechtzukommen. Wie sich die Zeiten ändern können!
Damit ist ein Spieler Weltmeister, dem alle den Erfolg gönnen. Shaun Murphy sprach der Snooker-Community aus dem Herzen, als er nach der Niederlage meinte, es gebe keinen Spieler auf der Welt, der diesen Titel mehr verdient hätte. Die Welle von Glückwünschen durch andere Spieler auf Twitter beweisen, dass dies allgemein so gesehen wird. Neben seiner Familie liebt Stuart Bingham nichts mehr, als Snooker zu spielen. Schon zu Zeiten eines sehr ausgedünnten Turnierkalenders war er bei jedem ProAm-Event dabei, nahm jede Möglichkeit wahr, ein Turnier zu spielen. Die Möglichkeit, jetzt beinahe jede Woche ein Turnier spielen zu können, hat er willkommen geheißen und die Chancen ausgenutzt. Prompt versprach er auch, er werde derselbe Mensch bleiben, werde weiter hart arbeiten und auch weiter jedes Turnier spielen, das nur möglich ist.
Natürlich war Frame 31 gestern Abend die entscheidende Wende. Shaun Murphy verschoss Gelb, als er nur noch bis Braun hätte abräumen müssen, um mit 16:15 in Führung zu gehen. Mit brillantem taktischem Spiel holte sich stattdessen Stuart Bingham die Führung. Nachdem er nach dem Ausgleich durch Murphy schon den Druck verspürt hatte gab das Bingham wieder Auftrieb, und das gab den Ausschlag. Danach dominierte er wieder gegen einen zunehmend ratlosen Murphy. Aber eine entscheidende Weichenstellung gab es schon in der dritten Session, als Bingham aus einem 8:9-Rückstand eine 14:11-Führung machte und damit Murphy vor der entscheidenden Session unter großen Druck setzte.
Natürlich wird Shaun Murphy enttäuscht sein. Ausgerechnet in der entscheidenden Phase verließen ihn seine Longpots. Das war die Waffe, mit der er zuvor seine Gegner überrollt hatte. Warum ihm das passiert ist wird er nun genau mit seinem Coach Chris Henry analysieren. Murphy wollte unbedingt Weltmeister werden; das merkte man ihm in jedem Moment an. Und er wusste auch genau, dass er das Spiel und die Form hatte, um das große Ziel zu erreichen. Vielleicht hat er sich damit zu sehr unter Druck gesetzt. Aber das kann nur er selber beantworten, und das wohl auch erst mit einigem Abstand. Ich hoffe trotzdem für ihn, dass diese Niederlage sich nicht negativ auf seine nächste Saison auswirkt. Dazu ist sein Spiel einfach viel zu gut und viel zu attraktiv.
Für Stuart Bingham beginnt jetzt sozusagen ein neues Leben. Wie sich der Druck durch den WM-Titel auswirken kann haben wir ja in der letzten Saison bei Mark Selby gesehen. Bingham steht mit beiden Beinen fest im Leben; das ist eine Hilfe. Und er wird nicht abheben, sondern weiß genau, dass er auch weiterhin die harten Stunden am Trainingstisch investieren muss. Da wird er sich selber keine Nachlässigkeit erlauben. Und trotzdem wird ihm noch so manches Mal ein Schauer über den Rücken laufen, wenn er als Weltmeister vorgestellt wird.
In einem ist sich die Fachwelt einig: Das Finale in diesem Jahr war eines der besten WM-Endspiele der letzten Jahrzehnte. Atemberaubende Breaks, messerscharfe Safeties und viel Spannung – alles war dabei. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Und jetzt schon freue ich mich auf die neue Saison.
Mit besten Grüßen
Ihr / Euer Rolf Kalb (Twitter: @Rolf_Kalb)
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