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Blog aus Wimbledon: Novak Djokovic, der Grasfresser

Petra Philippsen

Update 13/07/2015 um 10:22 GMT+2 Uhr

Eurosport-Bloggerin und Tennis-Expertin Petra Philippsen erlebte in Wimbledon einen Novak Djokovic, der erst seine härteste Krise durchleben musste, um dann im exakt richtigen Moment in Höchstform zu sein.

Novak Djokovic durfte in Wimbledon bereits zum dritten Mal den Pokal in Empfang nehmen

Fotocredit: Imago

Er konnte es natürlich nicht lassen. Erst schickte Novak Djokovic sein martialisches Siegergebrüll über den Centre Court, dann hockte er sich auf den Rasen, riss ein paar Halme ab - und aß sie. Wie bei seinen ersten beiden Wimbledonsiegen, das hat schon Tradition. Wie das Gras schmeckte? "In diesem Jahr besonders gut", scherzte Djokovic nach seinem Sieg über Roger Federer, "ich weiß auch nicht, was der Greenkeeper da dieses Mal gemacht hat. Und zum Glück war es ja auch glutenfrei..."
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Nach dem diesjährigen Sieg in Winbledon schmeckte Novak Djokovic das Gras besonders gut

Fotocredit: Imago

Der Serbe hatte gut lachen, als er den goldenen Challenge Cup wieder glücklich küssen durfte. So hat er nun gleichgezogen mit seinem Trainer Boris Becker, der vor 30 Jahren zum ersten Mal auf dem heiligen Rasen triumphierte. Djokovic war wieder obenauf, doch er hatte tatsächlich Gras gefressen. In den vergangenen vier Wochen, seit dem herben Tiefschlag in Paris. Das verlorene Finale der French Open schmerzte Djokovic sehr, nie zuvor war die Fallhöhe für ihn größer gewesen. Wie würde er das verkraften?
Djokovic durchlebte seine bisher härteste Krise
Erstmal mit Abschalten. Kein Tennis, nur die Familie. "Paris musste Novak erst einmal richtig abhaken. Er war einfach noch nicht bereit für Rasen", meinte Becker. Es war die bisher härteste Krise, die er mit seinem Schützling durchleben musste. Djokovic sagte, sein Herz sei gebrochen gewesen. "Boris war auch in den schweren Zeiten für mich da", sagte er. "Er hat mich unterstützt und aufgebaut, wie das ganze Team. Wir haben einen echten Zusammenhalt."
Aber Djokovic suchte nicht nur die Nähe zu Familie und Anhang, sondern auch die Einsamkeit. In unmittelbarer Nähe vom All England Club, im Buddhapadipa Temple. Und den buddhistischen Tempel besuchte der Serbe während der vergangenen drei Wochen einige Male, um zu meditieren.
Djokovic ist eigentlich Christ, doch er sagt, "dass wir ja alle zu dem selben Gott beten". Und er wolle auch gar nicht Buddhist werden, doch er nutzt nun schon seit einiger Zeit den Tempel als eine Rückzugstätte, um Kräfte und Konzentration zu sammeln. Die Stunden in der Stille des Tempels hatte er zuletzt dringend gebraucht.
Mentale Stärke war entscheidend
Und an dem Ort, den viele für das Mekka des Tennis-Sports halten, adaptierte Djokovic am Sonntag dann ein wenig die buddhistische Lehre, die die Überwindung des Leidens durch Einsicht anstrebt: Für ihn war die Leidenszeit vorbei. Und Djokovic bewies aller Welt, dass seine mentale Widerstandskraft inzwischen seine größte Stärke geworden ist. Die hohen Erwartungen, der enorme Druck, die vielen Fragen - leicht hatte es Djokovic in Wimbledon sicher nicht.
Auch nicht mit den Zuschauern, die im Finale wieder geschlossen hinter Roger Federer standen. Der hatte allerdings bereits im Halbfinale gegen Andy Murray das Optimum gezeigt, während Djokovic erst im Endspiel zur Höchstform auflief - gegen den besten Rasenspieler, gegen das Publikum, gegen die eigenen Dämonen.
Djokovic blendete alles aus, wandelte die Widerstände in innere Stärke um. Das konnte sein Trainer einst auch mal ziemlich gut. Jetzt ist Becker der ruhende Pol auf der Tribüne, und er strahlt über seinen Schützling. Fast wie Buddha. "Boris, wir stoßen nachher noch mit einem Bier an", rief Djokovic Becker auf der Tribüne zu, und der musste lachen. Schließlich lebt keiner auf der Tour asketischer als Djokovic, alkoholfrei und nach strengster Diät. Da blieb eben nur: Gras fressen.
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