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Eurosport trauert um Stéphane Franke

Sigi Heinrich

Publiziert 28/05/2015 um 15:52 GMT+2 Uhr

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Eurosport

Fotocredit: Eurosport

Diese Buchstaben wollten einfach nicht raus. Sie haben sich gewehrt. Tagelang. Ich musste sie zwingen, ihren Weg zu finden. Sie überreden. Erst waren die Gedanken da. Sie waren ständig präsent, egal wo ich mich auch befand. Vor allem in stillen Phasen übernahmen sie das Kommando. In der Sauna, im Ruheraum danach, in dem nur der Körper zum Stillstand kam, nicht aber Kopf und Herz.Es ging um Stéphane Franke, um seinen schnellen für wirklich alle überraschenden Tod und dabei auch um mich. Denn sein Tod führte unweigerlich dazu, dass ich mein Leben überdachte. Wahrscheinlich ist das normal und auch ehrlich. Ein Ende ist immer auch eine Weggabelung. Ich habe noch nie einen Nachruf geschrieben. Ich finde das Wort schon befremdlich. Als würde man Worte hinterher werfen, die den Adressaten direkt nicht mehr erreichen können. Aber vielleicht bringt der erwünschte Text auch eine Art Befreiung für den Leser und den Schreiber. Ein Innehalten auf dem Lebensweg. Solche Augenblicke sind ja immer nur kurz und werden immer kürzer. So empfinde ich das zumindest. Schon kommt der nächste Termin und nur noch das Hier und Heute zählt. Stéphane Franke wäre gerne noch dabei gewesen.Das weiß ich, denn ich war mit ihm auf einigen Terminen. Er wollte immer raus aus der Zwangsjacke des Experten am Mikrofon, wollte ein eigenständiger Kommentator werden, für den die sportlichen Erfolge letztlich die Eintrittskarte sein sollten für die Karriere danach. Als Co-Kommentator im Marathon an der Seite von Dirk Thiele formulierte er die ersten Sätze. Und Schritt für Schritt, wie bei seinen Langstreckenläufen, kam er seinem Ziel näher. Sein Ehrgeiz, dieses zu erreichen, war unübersehbar. Aber ohne diese Motivation wäre er auch als Sportler nicht auf sein großartiges Niveau gekommen. Stéphane Franke ist dabei an Grenzen gegangen. Erlaubt ist, was nicht verboten ist. Genau so hat er mir das selbst gesagt. Es war nicht sein Motto, aber er hat in vollem Bewusstsein alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Bei Eurosport musste er freilich Geduld aufbringen, aber er bekam seine Chancen, die er nutzte. Kommentierte Sportarten, die er selbst nie ausgeübt hatte. Und war plötzlich im Winter der Mann für Langlauf. Jetzt hatte er Experten an seiner Seite. Sein Traum freilich war immer, dies auch in der Sportart zu erreichen, die er naturgemäß besonders liebte: In der Leichtathletik. Das hat eine besonders bösartige Form des Lymphdrüsenkrebses jetzt verhindert.Es war sein Traum, bei Olympischen Spielen im Stadion zu sitzen und seinen Nachfolgern auf der Bahn auf die Füße zu schauen. Und dann hätte er mir natürlich noch Restaurants vorgeschlagen in London, denn der hagere Dauerläufer war ein ausgesprochener Gourmet. Auch in Budapest kam er zu den Hallen-Europameisterschaften vor ein paar Jahren schon mit einem Gastroführer an, wohl wissend natürlich, dass er da mit mir leichtes Spiel hatte. Das durfte dann schon etwas anspruchsvoller sein. Er suchte den Wein aus. Vielleicht lag das in den Genen. Die Mama ist Französin, er kam in Versailles auf die Welt. Nicht im Spiegelsaal, sondern im Kreissaal, wie er auf seiner Internetseite humorvoll schreibt. Oder sagt man jetzt schon: schrieb. So ist das mit den Gedanken. Man kann, hat er mir versichert, auch als Sportler das Leben genießen. Natürlich war es leichter nach dem Ende seiner Laufbahn, die ihn zu Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen führte.Und er war ja auch unglaublich umtriebig, als die Laufschuhe nicht mehr jeden Tag benutzt wurden. Er gründete einen eigenen Verlag, schrieb Bücher über Laufen und Ernährung und er war Verleger der zwei Auflagen von "Biathlon-Kompakt", das ich zusammen mit Frank Luck geschrieben habe. Auch "Skispringen-Kompakt" von Dirk Thiele und Michael Uhrmann erschien in seinem Verlag. In diesem Wirken war er gnadenlos. Vor allem wenn die Texte zu spät kamen, was bei mir fast immer der Fall war. Aber er hat alles koordiniert, sehr professionell und mit dem durchaus notwendigen Druck dahinter. In dieser Zeit konnte ich viel von ihm lernen und habe auch gespürt: Da will einer nicht bloß sein Erbe als erfolgreicher Läufer verwalten. Da will einer auch außerhalb des Stadions erfolgreich sein. Er hatte sich alles schon so schön zurechtgelegt. Er verbrachte zuletzt ein paar Tage mit seiner Tochter in den Schweizer Bergen. Im Wallis wollte er teilweise sesshaft werden, denn die Berge, die hatten es ihm auch angetan. Den Jahreswechsel verbrachte er gerne im Zillertal. Die Langlaufski waren immer dabei. Er wollte ja wissen, wovon er spricht, wenn er seine Einsätze mit Viola Bauer bekam. Da war er wie stets sorgfältig und intensiv bei seiner Vorbereitung.Nur wenige wussten in den letzten Wochen von seiner Krankheit, die ihn jetzt aller Träume beraubte. Ich habe mit ihm telefoniert noch vor der ersten Chemotherapie. Er werde kämpfen, versprach er. Da kam der Sportler ihn ihm durch. Er werde das angehen wie einen Marathonlauf. Alles in Etappen. Die heimtückische Krankheit hat ihm keine Chance gegeben, noch einmal alles zu geben, noch einmal das Ziel zu erreichen. Und diesmal wäre die Zeit egal gewesen. Diesmal wollte er nur ankommen. Seine Asche ließ er über dem Mittelmeer verstreuen, unweit des Hauses, in dem seine Eltern leben. Die Sache mit dem ehrenden Andenken... Sie wissen schon. Ist Unsinn. Wir werden ihn natürlich nie vergessen, genauso wenig wie Peter Woydt oder Wolfgang Hempel und all die anderen, die wie auch Stéphane meist viel zu früh abberufen wurden. Stéphan (e) übrigens. Das wollte ich noch sagen. Das "e" hat er uns nach vielen Jahren mal erklärt, dass spricht man eigentlich nicht aus. Ich hatte mich an die neue Aussprache schon gewöhnt. Alle Einträge in der Übersicht
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