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Olympia 2022: Kamila Valieva darf im Eiskunstlauf-Einzelwettbewerb starten - Urteil des CAS gefallen
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Publiziert 14/02/2022 um 07:02 GMT+1 Uhr
Die unter Dopingverdacht stehende russische Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Kamila Valieva darf am Einzelwettbewerb der Winterspiele in Peking ab Dienstag teilnehmen. Die Ad-hoc-Kammer des Sportschiedsgerichts CAS wies den Einspruch des IOC, der WADA und des Eislauf-Weltverbandes ISU gegen die Aufhebung der Suspendierung der 15-Jährigen durch die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA zurück.
Kamila Valieva
Fotocredit: Getty Images
Der CAS teilte in seiner Urteilsbegründung mit, dass Valieva als besonders schutzbedürftig gelte. Die Anti-Doping-Regeln der RUSADA und der WADA-Code seien zudem für vorläufige Suspendierungen bei minderjährigen Athletinnen und Athleten nicht ausreichend.
Der CAS-Generaldirektor Matthieu Reeb betonte außerdem, den "irreparablen Schaden", zu dem ein Ausschluss von den Winterspielen geführt hätte. Die Verzögerung bei der Auswertung der Probe habe Valieva darüber hinaus die Möglichkeit genommen, "bestimmte gesetzliche Anforderungen zu erfüllen". Reeb sagte: "Wir wären alle nicht hier, wenn es wie üblich eine Woche oder zehn Tage gedauert hätte."
Der "Fall" Valieva ist damit aber nicht abgeschlossen - sie läuft unter Vorbehalt. Und Katarina Witt fordert Konsequenzen.
Zunächst bedeutet die Entscheidung, getroffen von der Ad-hoc-Kammer des CAS im Continental Grand Hotel der chinesischen Hauptstadt, nur, dass Valieva am Einzelwettbewerb der Winterspiele teilnehmen darf. Der beginnt am Dienstag im Capital Indoor Stadium mit dem Kurzprogramm, Valieva soll um 21:52 Uhr Ortszeit (14:52 MEZ) aufs Eis gehen.
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Ihre Kür zu Maurice Ravels Bolero mit den einmaligen Vierfachsprüngen kann Valieva am Donnerstag präsentieren.
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Olympia: Valieva unter enormem Druck
Doch hält sie dem Druck stand? Immerhin ist der Teenager längst Mittelpunkt eines Politikums, für viele Beobachter Opfer eines unbelehrbaren Systems und Opfer eines kriminellen Umfelds. Keine eiskalte Betrügerin. Dennoch wird sie sich für die verbotene Substanz Trimetazidin verantworten müssen. Erst nach der Rückkehr aus China wird es somit auch um das russische Teamgold gehen, zu dem Valieva einen Großteil beigetragen hatte.
"Das ist ein Dilemma in dem wir alle stecken", sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Montag.
Die CAS-Richter Fabio Iudica (Italien), Jeffrey Benz (USA) und Vesna Bergant (Slowenien) entschieden nur über Valievas weitere Teilnahme an den Spielen in Peking. Fünfeinhalb Stunden dauerte die Videoanhörung, sie endete erst um 2.10 Uhr am Morgen in Peking. Ob sich Valieva selbst äußerte, oder vertreten wurde, war zunächst unklar. Zu Wort kamen das IOC, die WADA, die ISU, das Olympische Komitee Russlands ROC und die RUSADA.
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Quelle: Eurosport
Fall Valieva: Witt sieht Sportlerin nicht in der Schuld
Die russische Anti-Doping-Agentur hatte Valievas Suspendierung nach nur einem Tag aufgehoben, dabei sind etliche Fragen nicht geklärt. Die am meisten diskutierte: Warum wurde das Ergebnis der Probe erst am 8. Februar bekannt, einen Tag nach der Teamentscheidung? Der Test fand am 25. Dezember statt, Coronafälle im Labor in Stockholm sollen die Auswertung verzögert haben.
Unabhängig von der CAS-Entscheidung hofft Eiskunstlauf-Legende Witt auf ein Umdenken beim Internationalen Olympischen Komitee und der ISU. "Vielleicht sollte das Alter für die Teilnahme auf der olympischen Weltbühne auf 18 Jahre festgelegt werden", schrieb Witt bei Facebook. Die 15-Jährigen gehörten in die Jugendspiele, "dafür wurden sie ins Leben gerufen".
Witt fragt: "Wäre es nicht richtig, ein Kind reifen zu lassen?" Anstatt es zu verheizen. Diesen Vorwurf muss sich vor allem ihre Trainerin Eteri Tutberidse gefallen lassen, die für ihre überharten Methoden berüchtigt ist. Die Liste der jungen Athletinnen, die angetrieben von Tutberidse in die Weltspitze schossen und mit seelischen oder körperlichen Schäden verschwanden, ist lang.
Das IOC versicherte bereits, Valievas Umfeld ausleuchten zu wollen. "Wir haben die Entourage-Kommission", sagte Sprecher Mark Adams, "und wir wollen, dass die WADA das Team in diesem Fall untersucht." Zu diesem Team gehört auch Filipp Schwezki, ein Arzt mit einschlägiger Dopingvergangenheit. Witt ist überzeugt: "Valieva trägt keine Schuld."
Auszug der Urteilsbegründung des CAS im Fall Kamila Valieva:
Auf Grundlage der sehr begrenzten Faktenlage dieses Falles und nach Berücksichtigung der einschlägigen Rechtslage hat der CAS entschieden, dass der Athletin keine vorläufige Suspendierung auferlegt werden sollte angesichts der folgenden außergewöhnlichen Umstände:
a) Die Athletin ist eine "geschützte Person" gemäß Welt-Anti-Doping-Code (WADC);
b) Die Anti-Doping-Regeln der RUSADA (russische Anti-Doping-Agentur; d.Red.) und des WADC sagen nichts in Bezug auf eine vorläufige Suspendierung einer geschützten Person, wohingegen diese Regeln besondere Bestimmungen für andere Beweisstandards und für geringere Sanktionen im Fall geschützter Personen enthalten;
c) Das Gremium prüfte die Grundprinzipien der Fairness, der Verhältnismäßigkeit, des irreparablen Schadens und des relativen Interessenausgleichs zwischen den Antragsstellern und der Athletin, die nicht während der Olympischen Spiele in Peking positiv getestet wurde und noch Gegenstand eines Disziplinarverfahrens in Folge des im Dezember 2021 genommenen positiven Anti-Doping-Tests ist; insbesondere war das Gremium der Ansicht, dass der Athletin unter diesen Umständen ein irreparabler Schaden zufügt würde, sollte ihr die Teilnahme verwehrt werden;
d) Das CAS-Gremium betonte zudem, es habe ernsthafte Probleme mit der rechtzeitigen Benachrichtigung der Ergebnisse des im Dezember 2021 durchgeführten Anti-Doping-Tests der Athletin, da dies die Möglichkeit der Athletin beeinträchtigte, bestimmte rechtliche Anforderungen zu ihren Gunsten zu erfüllen, wobei zugleich diese späte Benachrichtigung während der Olympischen Winterspiele in Peking 2022 nicht ihre Schuld war.
Der Fall Valieva - zusammengefasst:
Was ist passiert?
Die unter Dopingverdacht stehende russische Eiskunstläuferin Kamila Valieva darf am Einzelwettbewerb der Winterspiele in Peking ab Dienstag teilnehmen. Die Ad-hoc-Kammer des Sportschiedsgerichts CAS wies am Montag den Einspruch des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und des Eislauf-Weltverbandes ISU gegen die Aufhebung der Suspendierung der 15-Jährigen durch die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA zurück.
Wie begründet der CAS sein Urteil?
Der CAS erklärte, dass Walijewa aufgrund ihres Alters als besonders schutzbedürftig gelte. Die Anti-Doping-Regeln der RUSADA und der WADA-Code seien zudem für vorläufige Suspendierungen bei minderjährigen Athletinnen und Athleten nicht ausreichend. Weiterhin betonte CAS-Generaldirektor Matthieu Reeb den "irreparablen Schaden", zu dem ein Ausschluss Valievas von den Winterspielen geführt hätte. Auch sei es "nicht die Schuld der Athletin, dass die Benachrichtigung sie während der Olympischen Spielen erreicht hat", erklärte Reeb weiter.
Ist damit alles geklärt?
Bei weitem nicht. Der CAS entschied allein über die Frage, ob der Kinderstar im Einzelwettbewerb auf die Eisfläche darf. Erst nach den Spielen wird sich Valieva dafür verantworten müssen, dass die verbotene Substanz Trimetazidin in ihrem Körper gefunden wurde. Fällt auch die B-Probe positiv aus, könnte sie gesperrt werden. Dann würden auch rückwirkend ihre Ergebnisse seit der Probeentnahme am 25. Dezember gestrichen, also der russische Meistertitel, EM-Gold - und jedes Resultat bei den laufenden Winterspielen. In der Vorwoche belegten die russischen Athleten um Valieva im Team bereits Platz eins. Wegen der unklaren Rechtslage erklärte das IOC am Montag, in Peking keine Medaillenzeremonie abzuhalten, an der Valieva beteiligt wäre. Nach Abschluss des Falls würde dies "würdig" nachgeholt.
Was bedeutet der Fall für die umstrittene Sportnation Russland?
Es bleiben viele Streitfragen von großer Tragweite. Es wird etwa darum gehen, inwiefern die Teenagerin Valieva Opfer eines unbelehrbaren Systems bzw. eines kriminellen Umfelds ist. Dies könnte auch Folgen für die allem Anschein nach unbelehrbare Sportnation Russland haben. Die zweijährige Sperre bei Großereignissen läuft Mitte Dezember aus. Es stellt sich die Frage, ob das Riesenreich von CAS, WADA oder IOC aufgrund seiner Verfehlungen der Vergangenheit ausreichend sanktioniert wurde.
Was bedeutetet der Fall für den Anti-Doping-Kampf?
Der Ruf der Kontrollinstanzen ist in jedem Fall weiter beschädigt. ARD-Fachjournalist Hajo Seppelt sprach von einer "schallenden Ohrfeige für das Anti-Doping-System". Es wird zu klären sein, wieso die Auswertung der Probe so lange dauerte. Die Verantwortung übernehmen will niemand: Laut WADA-Darstellungen hat die RUSADA die Probe beim Versand ins Kontrolllabor in Stockholm nicht als prioritär gekennzeichnet, die RUSADA wiederum begründet die späte Auswertung mit Coronafällen im Stockholmer Labor. Diese Verzögerung habe Valieva die Möglichkeit genommen, "bestimmte gesetzliche Anforderungen zu erfüllen", hieß es in der CAS-Erklärung. Generaldirektor Reeb sagte: "Wir wären alle nicht hier, wenn es wie üblich eine Woche oder zehn Tage gedauert hätte."
Wie reagiert die Sportwelt auf das CAS-Urteil?
Wie erwartet gemischt. Das russische Olympische Komitee ROC sprach von der "besten Nachricht des Tages". Sarah Hirshland, Präsidentin des NOK der USA, zeigte sich "enttäuscht von der Botschaft, die von dieser Entscheidung ausgeht". Die Eiskunstläufer aus den USA hatten im Teamwettbewerb Rang zwei hinter den Russen belegt. Generell ist die Zustimmung groß, Valieva starten zu lassen - mit dem Zusatz, dass der Dopingfall damit längst nicht geklärt sei.
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