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Fecht-WM: Ukrainerin Charlan verweigert Handschlag, Russin Smirnowa reagiert mit Sitzstreik - Charlan disqualifiziert

Eurosport
VonEurosport

Update 28/07/2023 um 12:01 GMT+2 Uhr

Die ukrainische Fecht-Olympiasiegerin Olha Charlan ist bei der WM in Mailand zu ihrem mit Spannung erwarteten Kampf gegen die Russin Anna Smirnowa angetreten. Die viermalige Einzel-Weltmeisterin, die als klare Medaillenanwärterin galt, bezwang Smirnowa 15:7, verweigerte danach aber den Handschlag. Darauf folgte ein fast einstündiger Sitz-Protest der Russin - und die Disqualifkation der Ukrainerin.

Fecht-WM 2023: Anna Smirnowa aus Russland mit Sitzstreik auf der Planche

Fotocredit: Getty Images

Anna Smirnowa saß auf einem Plastikstuhl mitten auf der Planche und wollte nicht gehen. 10 Minuten, 20 Minuten, 30 Minuten protestierte die Russin nach dem umstrittenen Ende ihres WM-Kampfs gegen die ukrainische Fecht-Olympiasiegerin Olha Charlan. 45 Minuten dauerte der Sitzstreik schließlich, erst dann trat Smirnowa den Rückzug an.
Vorausgegangen war ein denkwürdiges Säbelgefecht mit einem noch denkwürdigeren Ende.
Lange war fraglich, ob Fechtstar Charlan in Mailand überhaupt gegen Smirnowa antreten würde. Sie tat es - und gewann klar mit 15:7, begleitet von "Slawa Ukraini" ("Ruhm der Ukraine")-Rufen ihrer 20-köpfigen Delegation. Es war außerhalb des Tennis der erste sportliche Wettbewerb zwischen der Ukraine und Russland seit Beginn des Krieges.
Und Smirnowa hatte mit ihrem seltsamen Protest Erfolg: Die ukrainische Fecht-Olympiasiegerin Charlan wurde nach dem verweigertem Handschlag tatsächlich disqualifiziert. Die Gold-Kandidatin durfte in der zweiten Runde gegen die Bulgarin Joana Ilijewa nicht mehr antreten. Der ukrainische Verband legte Protest gegen die Entscheidung ein.

Charlan: "Ihr Land tötet unsere Landsleute"

Laut Regelwerk ist es vorgeschrieben, dem Gegner nach dem Kampf Respekt zu zollen. Deshalb griff der Weltverband FIE durch - und disqualifizierte Charlan.
Vor dem Kampf hatte noch wenig auf eine Eskalation hingedeutet. Charlan hatte zwar schon vor der WM im "AFP"-Interview angekündigt, auf einen Handschlag mit Russinnen verzichten zu wollen. Als Vorbild nannte sie Tennis. Wie ihre Kolleginnen dort würde sie nach einem Gefecht einer Russin den Handschlag verweigern. "Ihr Land bombardiert und tötet unsere Landsleute", sagte sie.
Am Donnerstag gingen beide Kontrahentinnen zunächst kurz aufeinander zu, kreuzten die Klingen und fochten ihr Duell ganz normal aus.
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Olha Charlan und Anna Smirnowa im WM-Kampf 2023

Fotocredit: Imago

Nach dem Gefecht wollte Smirnowa aber mehr: Die Russin streckte ihre linke Hand aus und trat Charlan entgegen. Die Ukrainerin schüttelte jedoch nur kurz den Kopf und hielt ihr stattdessen den Säbel entgegen, offensichtlich um zur Verabschiedung erneut die Klingen zu kreuzen.
Hände schütteln, so viel wurde deutlich, wäre dann doch etwas zu viel des Guten.

Smirnowa mit Sitzstreik auf der Planche

Während Charlan daraufhin die Planche verließ, blieb Smirnowa einfach stehen - bis ihr irgendwann ein Stuhl gereicht wurde. Es begann ein fast unendliches Warten. Der Kampfrichter redete vergeblich auf die Russin ein, bis diese nach 45 Minuten doch Platz für die längst wartenden Fechter nach ihr machte.
Zwei Stunden später folgte die Disqualifikation - laut Regelwerk müssen "die beiden Fechter (...) dem Gegner die Hand schütteln, sobald die Entscheidung gefallen ist". Aus Respekt.
In der Ukraine war das Entsetzen groß. Der Ausschluss sei "absolut beschämend", schrieb Mychajlo Podoljak, Berater des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, in den Sozialen Netzwerken. Auch das Internationale Olympische Komitee schaltete sich ein und forderte die Sportverbände auf, sensibel mit Aufeinandertreffen zwischen ukrainischen und russischen Athleten umzugehen. Der ukrainische Verband legte Protest gegen die FIE-Entscheidung ein.

Bundesinnenministerin Faeser reagiert

Der ukrainische Sportminister Wadym Hutzajt, selbst ehemaliger Fechter, sprach von einer "spezifischen Provokation der russischen Seite". Bundesinnenministerin Nancy Faeser sah es ähnlich. "Zu dieser Situation hätte es nie kommen dürfen", schrieb die für den Sport zuständige SPD-Ministerin bei Twitter: "Russland hat im Moment im internationalen Sport nichts zu suchen."
Es war ein Dilemma fast mit Ansage: Bei der WM dürfen Fechterinnen und Fechter aus Russland und Belarus in den Einzelwettbewerben als neutrale Athleten starten.
Die ukrainische Regierung hatte ihren Sportlern zunächst untersagt, gegen diese anzutreten. Am Mittwoch wurde diese Vorgabe jedoch aufgeweicht, nun sind nur noch Kämpfe gegen Sportler untersagt, "die die Russische Föderation oder die Republik Belarus repräsentieren".

Charlan will nicht "auf der Couch sitzen bleiben"

Ein Jahr vor Olympia in Paris wurde damit erneut deutlich, dass der von IOC-Präsident Thomas Bach erhoffte "normale" Wettkampf zwischen Ukrainern und Russen - auch als neutrale Athleten - kaum realisierbar ist.
Dagmar Freitag, ehemalige Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, sparte dann auch nicht mit Kritik. "Dazu konnte es nur aufgrund des Vorhabens des IOC und seines Präsidenten kommen. Dort ist der Unsinn mit den 'neutralen Athleten' erfunden worden. Weil Bach diese unbedingt in Paris sehen möchte", schrieb Freitag bei Twitter.
Noch ist die Teilnahme der "neutralen" Sportler aus Russland und Belarus in Paris nicht offiziell. Sollte dieser Fall jedoch eintreten, droht ein Boykott der Ukraine.
Charlan hatte schon vor der WM erklärt, gerne gegen Russinnen fechten zu wollen. "Es ist wichtig für unsere Nation, dass wir nicht auf der Couch sitzen bleiben", sagte die 32-Jährige der Nachrichtenagentur AFP und kündigte an, einer Russin den Handschlag verweigern zu wollen. Am Donnerstag ließ sie den Worten Taten folgen.
(SID)
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