Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

GP Silverstone - Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview: "Charles Leclerc ist eine arme Sau"

Pascal Steinmann

Update 04/07/2022 um 15:20 GMT+2 Uhr

Der Große Preis von Großbritannien war eines der spektakulärsten Rennen in der F1-Geschichte. Guanyu Zhou überstand einen Horror-Crash unverletzt, George Russell eilte dem Chinesen zur Hilfe und opferte damit sein eigenes Rennen. Carlos Sainz feierte seinen ersten Sieg - weil Ferrari beim Teamkollegen patzte. "Charles Leclerc ist eine arme Sau", meint Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview.

Charles Leclerc verlor beim Rennen in Silverstone nicht nur den Rennsieg, sondern auch einen Podiumsplatz

Fotocredit: Imago

Carlos Sainz feierte am Sonntag beim Rennen in Silverstone den ersten Rennsieg in seiner Formel-1-Karriere. Auch, weil die Ferrari-Crew während der Safety-Car-Phase strategisch patzte und Teamkollege Charles Leclerc die Führung verlor. "Der ist wirklich eine arme Sau. Aber das ist eben Ferrari", meint Motorsport-Legende Hans-Joachim Stuck im exklusiven Interview mit Eurosport.
Überschattet wurde der Grand-Prix aber von dem üblen Crash von Guanyu Zhou im Alfa Romeo, der zum Glück glimpflich ausging. 1976 war Stuck selbst Zeuge, als Niki Lauda auf dem Nürburgring verunfallte und schwer verletzt wurde. Wie George Russell in Silverstone war Stuck damals einer der ersten an der Unfallstelle und eilte zur Hilfe.
Auch Williams-Pilot Alexander Albon musste nach einem Unfall in der Startphase ins Krankenhaus, blieb aber ebenfalls weitgehend unverletzt- "Im Vordergrund steht, dass niemandem etwas passiert ist", sagt der Garmisch-Partenkirchener. Mick Schumacher sammelte derweil seine ersten WM-Punkte. Für Stuck, der zwischen 1974 und 1979 in der Formel 1 zwei Mal auf dem Podest stand, habe der 23-Jährige damit "allen Kritikern gezeigt, wo der Hammer hängt."
Das Interview führte Pascal Steinmann.
Woran denken Sie zuerst, wenn Sie das spektakuläre Rennen in Silverstone Revue passieren lassen?
Hans-Joachim Stuck: Im Vordergrund steht, dass niemandem etwas passiert ist. Das ist das Wichtigste. Das zeigt, dass die Sicherheitsvorkehrungen gut sind. Allerdings: Wenn ein Fahrer ins Kiesbett eintaucht und sich überschlägt, sollte man das hinterfragen.
Inwiefern?
Stuck: Die Kiesbetten sind einerseits eine gute Lösung. Andererseits ist es nicht ohne, wenn man sich dort einbohrt und überschlägt. Allerdings wird es im Motorsport niemals eine hundertprozentige Sicherheit geben. Wir haben aber inzwischen einen bisher nie da gewesenen Sicherheitsstandard in der Formel 1 erreicht. Das ist erfreulich.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie George Russell gesehen haben, der aus seinem Auto ausstieg, um Guanyu Zhou zu helfen?
Stuck: Das war eine sehr schöne Geste. Es ist eine Frage des Respekts, dass man dort versucht, zu helfen. Denn die Fahrer wissen besser als die Streckenposten, wie man gewisse Dinge öffnet, den Schulterschutz zum Beispiel. Das war beispielhaft von Russell.
picture

George Russell stellte seinen Mercedes ab, um Guanyu Zhou zu helfen

Fotocredit: Imago

Ähnlich wie Russell haben Sie den schlimmen Crash von Niki Lauda am Nürburgring 1976 hautnah miterlebt, waren damals einer der Ersthelfer. Hatten Sie am Sonntag den Unfall von damals vor Augen?
Stuck: Nein, der Crash damals war deutlich schlimmer. Zu der Zeit hatten wir nicht den Sicherheitsstandard, den wir heute haben. Ich habe Niki auf der Trage liegen sehen. Die Verbrennungen sah man zwar, man wusste aber nicht, ob er auch innere Verletzungen hatte.
Zur Ihrer Zeit wäre der Unfall von Zhou höchstwahrscheinlich anders ausgegangen. Welchen Stellenwert hat die Entwicklung der Fahrzeuge?
Stuck: Ein riesiger Schritt gegenüber früher sind die unheimlich stabilen Chassis aus Kohlefasern. Und: Wir hatten damals die Benzintanks auf der rechten und linken Seite neben dem Fahrer. Heute ist der hinter dem Fahrer und gut geschützt. Wenn heute einem Fahrer bei einem Unfall etwas geschieht, muss das ein ganz brutaler Unfall sein. Da ist das Sicherheitsniveau um 500 Prozent gestiegen.
Wie bewerten Sie das Halo-System?
Stuck: Das ist auch eine sehr gute Erfindung. Ich habe am Anfang gedacht: Hoffentlich können die Fahrer vernünftig sehen. Aber das ist eine Gewohnheitssache. Den Vorteil, dass der Kopf geschützt ist, ist das Halo definitiv wert.
Wie schwer wird es Guanyu Zhou fallen, in der kommenden Woche wieder ins Auto zu steigen?
Stuck: Ich weiß nicht, wie er gestrickt ist. Aber ich denke, es ist wichtig, zu wissen, dass er den Crash unbeschadet überstanden hat und dass er schnell wieder ins Auto steigt. Ich habe vorhin auch mit Alex Albon telefoniert. Wir sind gut befreundet und ich habe ihn in der Früh erreicht.
Wie geht es ihm?
Stuck: Alex geht es gut. Er hat das Krankenhaus verlassen und ist soweit in Ordnung. Zum Glück.
Charles Leclerc muss wirklich kotzen. Der ist wirklich eine arme Sau
Das ist das Wichtigste an diesem Wochenende. Sportlich ist allerdings auch eine Menge passiert: Wie bewerten Sie die Leistung von Mick Schumacher, der von Rang 19 auf Rang acht fuhr?
Stuck: Er hat aus seiner Sicht das Beste gemacht, was möglich war und damit allen Kritikern gezeigt, wo der Hammer hängt. Mit dem Erfolg von gestern hat er demonstriert, wozu er fähig ist. Er hat ohne ein Top-Auto eine perfekte Visitenkarte abgegeben. Und wenn sich das Fahrerkarussell bei einem Top-Team zu drehen beginnt, wird Mick Schumacher ganz oben auf der Liste stehen.
Schon im vergangenen Rennen in Montreal fuhr er stark. Inwiefern könnte der viel zitierte Knoten nun geplatzt sein?
Stuck: Da musste kein Knoten platzen, der ist schon vor Jahren geplatzt. Die Kritik an ihm war vollkommen unangebracht. Nun ist endlich Ruhe. Die Kritiker – und ich denke, viele hat er nicht - werden nun ihren Mund halten.
Ferrari hat einmal mehr strategische Fehler gemacht, die Charles Leclerc nicht nur den Sieg, sondern auch das Podium gekostet haben. Ist das Team zu schwach, um Weltmeister zu werden?
Stuck: Ich frage mich, wie lange Mattia Binotto noch bei Ferrari überlebt. Er ist schließlich der Rennchef und muss diese Entscheidungen verantworten. Andererseits muss man sagen, dass Ferrari immer Phasen hatte, in denen falsche Entscheidungen getroffen worden sind. Aber dieses Jahr ist das schon heftig. Mich freut es für Carlos Sainz, dass er sein erstes Rennen gewonnen hat. Aber: Charles Leclerc muss wirklich kotzen. Der ist wirklich eine arme Sau. Aber das ist eben Ferrari.
Wie schätzen Sie Ferraris Chancen ein, das Ruder herumzureißen?
Stuck: Es ist noch genug Zeit. Sie werden daran arbeiten und haben mit Sicherheit nach wie vor das Zeug, den Titel noch zu holen.
picture

Wachablösung? Vettel: "Wenn man uns die richtigen Mittel gibt..."

Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung