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Die sieben Wahrheiten der Bayern

Sven Busch

Publiziert 18/05/2015 um 00:56 GMT+2 Uhr

Erst nach der Meisterfeier am Samstag planen die Bayern-Bosse die große Saison-Analyse. Wer kommt, wer muss gehen und was muss überhaupt passieren? Bayerns Trainer-Legende Ottmar Hitzfeld hat seine Schlüsse längst gezogen - und kommt dabei zu teilweise brisanten Feststellungen. Der 66-Jährige benennt in der "Bild am Sonntag" die Fehler im System und gibt Coach Pep Guardiola einen guten Rat.

Ottmar Hitzfeld analysiert die Saison der Bayern

Fotocredit: Imago

1 - Trostpreis Meisterschaft:
Der 25. Bundesliga-Titel ist alles andere als ein Trostpreis. Der Erfolg darf nicht dadurch an Wert verlieren, dass die Bayern bereits nach dem 30. Spieltag als Champion feststanden und trotz zuletzt drei Liga-Pleiten in Folge immer noch acht Punkte Vorsprung auf den Zweiten VfL Wolfsbuerg haben.
Ottmar Hitzfeld: "Bayern steht in der Kritik nach zwei verlorenen Halbfinals – und keiner redet mehr über die gewonnene Meisterschaft. Dabei ist das der wichtigste Titel. Es wird mir zu wenig registriert, was Bayern da leistet. Das liegt natürlich auch daran, dass Bayern die Messlatte selbst sehr hoch gelegt hat. Bayern ist den anderen enteilt, wirtschaftlich und sportlich in neue Dimensionen vorgestoßen mit diesem Weltklasse-Kader. Der FC Bayern war in der Breite noch nie so stark aufgestellt."
2 - Triple-Hypothek:
Pep Guardiola hat sich mit seiner Aussage "nur das Triple ist genug" keinen Gefallen getan. Im Leistungssport hohe Ziele zu formulieren, ist eine Sache, den Anspruch aufs Triple zu erheben, eine andere.
Hitzfeld: "Es war für Pep Guardiola sehr schwierig, nach dem Triple 2013 die Nachfolge von Jupp Heynckes anzutreten. In einer Mannschaft fällt nach so einem großen Erfolg sehr oft die Konzentration ab, der absolute Erfolgswille lässt nach. Er musste die Mannschaft neu orientieren, dabei seine Philosophie umsetzen, mit dem aggressiven Pressing, dem hohen Verteidigen und dem absoluten Ballbesitz. Das wurde in dieser Saison noch erschwert durch die zahlreichen Verletzungen."
3 - Gleichgewichtsstörungen:
In der überragenden Bundesliga-Hinrunde ohne Niederlage mit 41:4-Toren lief bei den Bayern alles rund. Der deutsche Rekordmeister wurde für seine Top-Leistungen europaweit gefeiert. In der entscheidenden Phase der Champions League und gegen konterstarke Gegner offenbarten sich aber Probleme. Stichwort: Kontrollverlust. Das muss sich auch Guardiola ankreiden lassen.
Hitzfeld: "Auf Top-Niveau stimmt die Balance zwischen Offensive und Defensive noch nicht so. Im Halbfinale, aber auch schon zuvor gegen Porto, wurden zu viele leichte Fehler gemacht. Daran muss weiter gearbeitet werden."
4 - Sprachlosigkeit:
Guardiola büffelte in seiner einjährigen Auszeit fleißig Deutsch und trat seine neue Herausforderung in München mit bemerkenswerten Sprachkenntnissen an. Das spricht für seinen großen Ehrgeiz und verdient große Anerkennung. Trotzdem interviewen ihn inzwischen mehr und mehr deutsche TV-Reporter auf Spanisch – das will er wieder ändern, auch wenn er immer wieder nach den richtigen Worten sucht. Manche Profis fühlen sich ausgegrenzt, da sich Guardiola mit seinen Assistenten und der gesamten spanisch-sprechenden Fraktion im Team in seiner Muttersprache unterhält.
Hitzfeld: "Man muss Guardiola sehr loben, dass er sofort Deutsch gelernt hat. Doch natürlich spricht er es noch nicht perfekt. Er hat seine klaren Vorstellungen, aber es ist nicht leicht, sie in einer fremden Sprache in die richtigen Worte zu kleiden. Das kann eine Entwicklung verzögern."
5 - Der X-Faktor Guardiola:
Der Vertrag des Katalanen läuft bis 2016, und den will Guardiola auf jeden Fall erfüllen. Darüber hinaus hat er sich noch nicht festgelegt. Vielleicht ist es für ein längeres Engagement in München sogar ein Vorteil, dass er mit den Bayern das Triple noch nicht gewonnen hat. Und Guardiola ist erst 44, ein positiv Besessener, auf der Suche nach dem perfekten Spiel. Ein Burnout scheint kein Thema zu sein. Hitzfeld erwartet eher eine Vertragsverlängerung mit den Bayern.
Hitzfeld: "Es ist immer wichtig, die richtige Balance zwischen Arbeit und Erholung zu finden. Er ist eine Belebung für die Bundesliga und den deutschen Fußball. Fünf, sechs Jahre am Stück sollten in seinem Alter möglich sein auf diesem Niveau. Ich glaube eher, dass er verlängert. Weil er bei den Bayern alle Möglichkeiten hat, seine Philosophie weiterzuentwickeln. Er ist sehr ehrgeizig, und gerade die Niederlagen in der Champions League gegen seine spanischen Landsleute schmerzen ihn. Das will er besser machen."
6 - Umdenken statt Umbruch:
Gleich sechs Leistungsträger der Bayern sind über 30: Kapitän Philipp Lahm (31), Bastian Schweinsteiger (30), Xabi Alonso (33), Arjen Robben (31), Franck Ribéry (32) und Dante (31). Ribéry ist sehr verletzungsanfällig, Robben fehlte nach einer überragenden Saison ausgerechnet in der entscheidenden Phase. Sogar Lahm fiel mit einem Fußbruch drei Monate aus und war danach nicht mehr der Alte. Schweinsteiger hatte ebenfalls mit Blessuren und seiner Form zu kämpfen. Alonso offenbarte vor allem in der Rückwärtsbewegung Defizite. Dante scheint seine beste Zeit hinter sich zu haben.
Einen personellen Radikal-Umbau wird es aber nicht geben - und das ist auch gut so. Die Spielzeit direkt nach der WM war strapaziös, nach einem ausgedehnten Sommerurlaub sollten die Asse wieder ausgeruht sein. Mit Verstärkungen in allen Mannschaftsteilen will Guardiola neue Reizpunkte setzen. Königstransfer könnte der Wolfsburger Kevin De Bruyne werden. Von überalterten Bayern kann auf jeden Fall nicht die Rede sein.
Hitzfeld: "Ich sehe das nicht so dramatisch. Die sind zwar alle Ü30, aber das Leistungsalter hat sich nach hinten verschoben. Sie sind alle noch im besten Alter. Trotzdem wird es bei Bayern sicher den einen oder anderen Transfer geben."
7 - Die Problempersonalie Mario Götze:
Auch in seinem zweiten Bayern-Jahr hat der WM-Finalheld den Durchbruch nicht geschafft. In der Vorrunde spielte er stark, in der Rückrunde ließ er stark nach. In den entscheidenden Spielen im Pokal und in der Champions League spielte er keine Rolle. Der 22-Jährige scheint noch Probleme mit den großen Erwartungen bei den Bayern zu haben. Eine Flucht zum Beispiel zum FC Arsenal kommt für ihn aber (noch) nicht in Frage.
Hitzfeld: "Das wäre zu früh. Er ist nicht der erste Top-Star, der von Bayern gekauft wurde und plötzlich merkt, dass er Konkurrenz hat. Und er war ja in Dortmund ein Top-Star. Das richtig zu verarbeiten, kann ein längerer Prozess sein. Generell bin ich überzeugt von Götze, er hat die Qualität. Aber ich weiß natürlich nicht, wie er trainiert."
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