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Mit seiner Kritik an "Laptop-Trainern" macht es sich Mehmet Scholl nicht leichter

Johannes Mittermeier

Update 10/09/2015 um 18:38 GMT+2 Uhr

Als Spieler war Mehmet Scholl begnadet, als Coach hat die Bayern-Legende bisher wenig bis nichts vorzuweisen. Trotzdem fiel Scholl nun mit einer Generalabrechnung auf: am Geschäft, an den Typen der modernen Generation, am Fokus auf Taktik. "Laptop-Trainer" wurde zum Schlagwort. In Zukunft will TV-Experte Scholl selbst zurück auf die Bank - doch seine Aussagen machen dieses Vorhaben nicht leichter.

Mehmet Scholl trainierte seit zwei Jahren keine Mannschaft

Fotocredit: Imago

Geschichten über den Fußballer Mehmet Scholl sind Geschichten vom Streben und Scheitern. In einer Zeit, in der deutsche Kreativspieler mit der Lupe zu finden waren, gab es diesen schmächtigen Burschen aus Karlsruhe, der Haken schlug wie ein Hase, dessen Körper aber nie Schritt mit seinem Talent halten konnte.
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Was für ein Spieler! Mehmet Scholl begeisterte nicht nur Bayern-Fans

Fotocredit: Imago

Womöglich rührt es ja daher, dass dieser Spieler, der in München zur Legende reifte, selbst solchen Fans sympathisch war, die den FC Bayern herzlich ablehnen. Oder es lag an Scholls Eigenart, neben flinken Füßen auch eine flinke Zunge zu besitzen. "Hund bei Uli Hoeneß" hat er mal als Wunschtraum ausgegeben; ein Blick in den Spiegel offenbarte "67 Kilo geballte Erotik"; die Frage nach seinen Ängsten beantwortete er so: "Vor Krieg und Oliver Kahn".

"Dieses typische Kursbestergesicht!"

Ist doch klar, dass so einer ins Fernsehen muss. Nach seiner Fußballerkarriere (Scholl erzielte 98 Tore in 398 Bundesligaspielen) fing er 2008 bei der ARD an. Die Leute mögen ihn. Weil er so ganz anders ist und spricht, weil er unangepasst ist, frech und flapsig. "Mein Vorteil ist, dass mich im Fernsehen kein Ehrgeiz treibt. Ich will da nichts werden", hat der 44-Jährige dem "Spiegel" verraten. Kürzlich verlängerte er seinen ARD-Vertrag bis 2018 - mit Ausstiegsoption.
Es wartet schließlich eine Aufgabe, die Scholl "leidenschaftlich gern" ausübt. Er macht es nur nicht, seit zwei Jahren schon. Im Sommer 2013 kündigte er seinen Trainervertrag bei Bayerns U23, wegen Interessenskonflikten mit dem Fernsehen, wie es hieß. Keine endgültige Entscheidung, Scholl möchte wieder als Coach einsteigen, trotz vieler Vorbehalte.
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Mehmet Scholl will wieder als Trainer arbeiten

Fotocredit: Imago

"Ich akzeptiere die Bedingungen des Geschäfts zurzeit nicht", nölte er, "das geht in die völlig falsche Richtung". Und dann war plötzlich Schluss mit dem Amüsement, Scholl hielt einen Monolog wie eine Tirade:
Im Moment kommt eine Schwemme von Trainern auf den Markt, immer der gleiche Typus, der alles anders macht, als ich es machen würde. Die haben nie selbst oben gespielt und keine Ahnung, wie ein Profi auf höchstem Niveau tickt. Je mehr ich die Kandidaten beobachtet habe, die mit Bestnoten abschließen, die dieses typische Kursbestergesicht haben und die Kursinhalte aufgesogen haben, desto mehr sträubten sich bei mir die Nackenhaare.
Mein lieber Scholli!

Der Notenbeste aus Scholls Jahrgang trainiert den VfB Stuttgart

"Warum sollte ein Spieler drei verschiedene Positionen beherrschen? Normalerweise besteht eine Mannschaft aus elf Spezialisten", grantelte der Europameister von 1996. Sein nächster Satz war so plakativ, dass ihn die Schlagzeilendichter beim besten Willen nicht umschiffen konnten: "Bei denen ist Taktik oberstes Gebot, das sind Laptop-Trainer!“
Scholl legte 2012 den Fußballlehrer ab, aus seinem Jahrgang ging Alexander Zorniger als Notenbester hervor. Tatsächlich hat Zorniger "nie oben gespielt", was ihn jedoch nicht davon abhält, oben zu trainieren; erst RB Leipzig, derzeit den VfB Stuttgart. Der Zweitbeste von 2012, Sören Osterland, verdingt sich bei der ungarischen U19-Nationalmannschaft, der Drittbeste Sven Hübscher ist Co-Trainer bei Schalke 04. Andere Sportskameraden, die auf Namen wie Jürgen Klopp oder José Mourinho hören, schnupperten als Aktive ebenfalls keine Erstliga-Luft...
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Alexander Zorniger trainiert den VfB Stuttgart

Fotocredit: Imago

Scholls Aussagen enthielten einen derart aggressiven Grundton, dass Zorniger von der "Bild" extra um ein Statement gebeten wurde. "Das ist eben Mehmet", sagte er. "Wenn ich mich richtig erinnere, hatte er im Unterricht auch immer einen Laptop dabei."

Platz zwei mit den "kleinen" Bayern - allerdings hinter 1860

Der Frei- und Feingeist Scholl denkt differenzierter: "Auf Taktik gucke ich als Letztes. Ohne Menschen kann man Taktik vergessen. Fußball ist ein einfaches Spiel, und damit die Menschen es verstehen, muss es einfach bleiben."
Diese Einstellung hat er ab Herbst 2008 der U13 des FC Bayern eingetrichtert, es waren Scholls erste Gehversuche als Übungsleiter. "Jürgen Klinsmann muss aufpassen, denn in ein paar Jahren übernehme ich die erste Mannschaft", witzelte die FCB-Ikone damals. Als Chefcoach Klinsmann im April 2009 entlassen wurde, rückte Hermann Gerland zu den Profis und Scholl zur Reserve auf. Seine Bilanz aus insgesamt 43 Spielen bis 2010 ist mit 17 Siegen, 12 Remis und 14 Niederlagen durchwachsen.
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Der Trainer Scholl: Von 2009 bis 2010 sowie 2012 bis 2013 coachte er die Bayern-Reserve

Fotocredit: Imago

Nach Erhalt der erforderlichen Lizenzen betreute Scholl 2012/13, parallel zur TV-Rolle, seine bis dato letzte Fußballmannschaft. In der Regionalliga reichte es mit Bayern zu Rang zwei - allerdings hinter den "Löwen".
Scholl war ein begnadeter Spieler, ein Genius am Ball. Als Coach aber hat er (noch) nichts wirklich Zählbares vorzuweisen. Mit seiner Generalkritik am Trainerwesen macht er es sich nicht leichter: Die Fallhöhe wird größer. Und ein typisches Kursbestergesicht hatte der Mann mit den markanten Schneidezähnen ja ohnehin nie.
Wenn ich niese, hacke ich mir ins Knie.
(Mehmet Scholl über Mehmet Scholl)
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