Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Pep Guardiola trifft mit dem FC Bayern auf Thomas Tuchel mit Borussia Dortmund

Johannes Mittermeier

Update 03/10/2015 um 14:48 GMT+2 Uhr

Der Gipfel zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund ist auch das Duell der Trainer. Für BVB-Coach Thomas Tuchel ist Pep Guardiola eine Art Vorbild, von dem er sich inspirieren lässt. Ein Treffen der beiden ist Legende. Obwohl Guardiola und Tuchel eine nicht zu vergleichende Vita aufweisen, ähneln sie sich in vielen Punkten stark. Ein gravierender Unterschied besteht jedoch.

Pep Guardiola spielt mit dem FC Bayern gegen Thomas Tuchel mit Borussia Dortmund

Fotocredit: Eurosport

Was passieren kann, wenn sich zwei Männer ihrer Berufung hingeben, haben die Kellner einer Münchner Bar sicher in lebhafter Erinnerung.
Im Dezember 2014 verabredeten sich Pep Guardiola und Thomas Tuchel zu einer Unterredung über Gott und die Welt und den internationalen Fußball. Im "Schumanns" rotierten dann Salz- und Pfefferstreuer über die Tischplatte, irgendwann, heißt es, hielten sich die aufgeschreckten Servicekräfte lieber mit der Lieferung von Getränken zurück. "Positionen der Spiele" seien abgebildet und "Spielzüge nachgestellt" worden, verriet Tuchel der "Zeit". Guardiola äußerte sich bedeckter: "Wir haben allgemein gesprochen."
Am Sonntagabend treffen sich die Tischnachbarn erneut, diesmal im Stadion: Guardiolas FC Bayern empfängt Tuchel mit Borussia Dortmund zum Salz-und-Pfeffer-Gipfel (ab 17:30 Uhr im Liveticker auf eurosport.de). Die beiden Fußballlehrer stehen im Fokus. Weil sie so unterschiedlich und doch so gleich sind.

Die Philosophie

Was Guardiola und Tuchel eint, ist der ganzheitliche Ansatz. Dem Zufall wird so wenig Raum wie möglich gestattet, Unwägbarkeiten sind zu eliminieren. Dem 44-jährigen Katalanen und dem 42-jährigen Schwaben liegt ein ähnlicher Dreiklang zugrunde: kritisieren, motivieren, optimieren.
Ein "eingespieltes Orchester" nennt Tuchel das Zusammenwirken der Kräfte, ARD-Experte Mehmet Scholl zieht Parallelen:
Mir kommt das alles bekannt vor. So wie Tuchel das System umgebaut hat - das hat Pep in München auch brutal gemacht.
picture

Nur nicht nachlassen! Pep Guardiola will den maximalen Erfolg

Fotocredit: Imago

Bei Bayern war sogar die Ärzte-Koryphäe Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt nicht vor Guardiolas eisernem Besen gefeit. In seinem Stab versammelte er, ähnlich wie Tuchel, ein Experten-Team für Athletik, Psyche und Ernährung. Guardiola hat sich der ewigen Suche nach dem Fortschritt verschrieben, ein 5:0 kann er nicht genießen, wenn ihm Feinheiten missfallen. Mitten hinein in Robert Lewandowskis irre Tor-Serie ließ er den Stürmer wissen, "mehr, mehr, mehr" zu erwarten.
Der Star-Coach ist ein Vorbild für Tuchel, den die "Welt" bereits als "deutschen Guardiola" betitelte. "Ich habe jahrelang die DVDs von Peps Training bei Barcelona studiert und davon profitiert", enthüllte Tuchel. Das Mantra: Erfolg ist das Produkt von Details.

Die Außendarstellung

Guardiolas Wesen ist ein Stück weit unergründlich. Er wirbt für die Unabhängigkeit Kataloniens, verkehrt in höheren Kreisen der Kunst, vor kurzem hielt er einen Gedichtvortrag im Münchner Literaturhaus. Andererseits lässt er sich als Botschafter der umstrittenen WM in Katar entlohnen - laut "France Football" fließt ein zweistelliger Millionenbetrag.
picture

Streit: Pep Guardiola und Zlatan Ibrahimovic in Barcelona

Fotocredit: AFP

Mit unbequemen Charakteren kam Guardiola selten zurecht. Höhepunkt der Fehden war das Jahr in Barcelona mit Zlatan Ibrahimovic, der nachher im "Spiegel" pestete:
Er ist ein fantastischer Trainer. Aber als Mensch? Er ist feige und hat keine Eier! Ich wurde für Lionel Messi geopfert. Aber er hatte nicht den Mut, mir das zu sagen. Guardiola hat rumgesäuselt: 'Ibra, du bist super, du machst alles richtig.' Trotzdem hat er mich auf die Bank gesetzt.
Das erinnert verdächtig an Guardiolas Spruch, er hätte gerne "1000 Dantes". Wochen später war der Verteidiger verkauft. "Ich liebe Mario Götze" tirilierte Pep, behauptete aber auch: "Ich liebe Mario Mandzukic." Nun ja.
Intern regiert Pep mit harter Hand, in der Öffentlichkeit stellt er sich vor seine Spieler. Dann ist er der charismatische, stolze Katalane, der sich Interviews auf Spanisch verbietet, weil er Deutsch sprechen und die bayerische Tradition nach außen tragen will. Ausschweifend dozierend, wie ein Gelehrter - und damit wie Tuchel, der so geschliffen referiert als wäre er ein Dozent an der Uni.
picture

Ex-Mainz-Keeper Heinz Müller (r.) erhob schwere Vorwürfe gegen Thomas Tuchel

Fotocredit: Imago

Beide sind Philosophen. Tuchel gibt sich jovialer und volksnaher, wohnhaft im Dortmunder Stadtkern, offen für Wünsche der Fans. Angreifbar machte er sich aber ebenfalls: Als dem Mainzer Torwart Heinz Müller der Dienst quittiert wurde, erhob er Anklage gegen den damaligen Trainer Tuchel. "Er gibt Werte vor, Respekt, Höflichkeit und Ehrlichkeit, die er selbst mit Füßen tritt", tobte Müller in der "Bild" und ritt via "kicker" eine noch schärfere Attacke:
Tuchel ist ein Diktator!

Der Ehrgeiz

Bei Guardiola kratzt eine Evolution oft an der Revolution. Als junger Trainer scheute er sich bei Barca nicht, die Weltstars Ronaldinho und Eto'o für überflüssig zu erachten - sie passten nicht in seine Vorstellungen. Vom Ideal des perfekten Spiels ist er ergriffen, manche sagen: besessen.
Wie Tuchel legte er vor seinem Engagement bei Bayern ein "Sabbatjahr" ein. Sein heutiges Dortmunder Pendant stieß Angebote vom HSV und Leipzig aus - und die Vereine damit vor den Kopf. Tuchel bildete sich fort und suchte Kontakte, etwa zu Guardiola, beim Abend mit Salz und Pfeffer.
Dieser, sagte Tuchel einmal, konnte "gar nicht glauben, wie viel ich über sein Spiel in Barcelona wusste". Genau wie Pep unterscheidet er nicht wirklich zwischen Pflicht- und Testpartie. Alles ist relevant.

Die Emotion

Das gestenreiche Fuhrwerken prägt Guardiolas Stil, die Grenzen der Coaching-Zone sprengt er mitunter, Schiri-Zoff und Vorwürfe nach überdrehten Show-Einlagen inbegriffen. Sein Ehrgeiz befeuert die Emotion, im Misserfolg reagiert er reizbar und schmallippig.
picture

Aktiv an der Linie: Thomas Tuchel ist ähnlich aufbrausend wie Pep Guardiola

Fotocredit: Imago

Tuchel war in seiner Mainzer Zeit als "Motzki" verschrien, beim BVB präsentierte er sich betont umgänglich und kulant. Nach den ersten Punktverlusten aber prangerte er Fehler des Schiedsrichters an… Ein "Buddha" an der Seitenlinie wird er in diesem Trainerleben nicht mehr.

Die Erfolge

Zwei Welten. Guardiola spielte beim FC Barcelona, als Aktiver holte er 17 Titel, darunter Olympiasieg und Europapokal der Landesmeister 1992. Als Trainer - persönliche Auszeichnungen nicht eingerechnet - sind bislang 19 Titel verbucht, etwa zweimal die Champions League (2009 und 2011).
Guardiola darf sich zudem auf die Fahnen schreiben, ein Pionier gewesen zu sein. Er mutierte Philipp Lahm zum formidablen Mittelfeldrenner und wagte das Risiko, David Alaba in der Innenverteidigung zu positionieren. "Das hätte ich mich nicht getraut", gesteht Trainer-Legende Ottmar Hitzfeld im "kicker".
picture

In der Saison 2013/14 gewann Pep Guardiola gegen Thomas Tuchel zweimal

Fotocredit: Imago

Tuchel spielte nie hochklassig. Achtmal lief er für die Stuttgarter Kickers in der 2. Liga auf, von 1994 bis 1998 stand er in Ulm unter Vertrag, ehe ihn eine Knorpelverletzung zum Karriereende zwang. Als Trainer wurde er mit Stuttgart 2005 und Mainz 2009 jeweils A-Jugend-Meister, zwischen 2009 bis 2014 erreichte er als Chefcoach der 05er zweimal die Europa League. In dieser Zeitspanne holte Tuchel die fünftmeisten Punkte aller Bundesligisten - mit Mainz!
Dreimal besiegte er den FC Bayern, die einzigen Duelle mit "Professor" Guardiola verlor der "Doktorand" 2013/14 jedoch. Die Spiele waren enger als es die Ergebnisse 1:4 und 0:2 ausdrücken.

Der Style

Der mondäne Guardiola gilt als eitel, kleidet sich akkurat in Maßanzügen mit Krawatte, Businesshemden, Strichpullovern, Stoffhosen, Lederschuhen. Auch Tuchel trägt Anzug beim Fußball - Trainingsanzug.
picture

Pep Guardiola kleidet sich vornehm

Fotocredit: Imago

Vor seinem Dortmunder Engagement hat er kräftig abgenommen (siehe: Ehrgeiz) und ist mittlerweile regelrecht hager. Guardiola, noch so ein Asket, erfreut die Frauenwelt indes mit Drei- bis Zehntagebart. Er weiß halt, wie es geht.

Fazit

Pep Guardiola und Thomas Tuchel ähneln sich sehr in ihrer Denkweise, den Methoden und Ansichten. Großer Unterschied sind die Trainer-Erfolge auf Weltniveau. Allerdings coachte Guardiola mit Barca und Bayern ausschließlich Eliteteams, während sich Tuchel über die Nachwuchsklassen nach oben diente. In der "Zeit" liefert er eine passende Zustandsbeschreibung:
Bei Guardiola konnte ich in seiner Barcelona-Zeit alles lernen, was dieses Spiel ausmacht. Der herausragende, schematische Ballbesitz, großartige Individualisten und das absolut mutigste und fleißigste Verteidigen von Topstars, das ich je gesehen habe.
Wie viel Guardiola steckt also in Tuchel? Der "Bild" sagte Dortmunds Coach, keine billige Kopie sein zu wollen:
Das ist eine große Gefahr, mir ist das echt unangenehm. Mich beschleicht immer die Sorge, dass man es mir zurechnet, dass ich gerne wie Pep wäre. Aber so ist es überhaupt nicht.
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung