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Bayern-Blog: 3 Dinge, die auffielen: Guardiolas Plan geht auf

Steffen Meyer

Update 17/10/2015 um 16:36 GMT+2 Uhr

Pep Guardiola spielt ohne Innenverteidiger, Bernat und Thiago sind noch nicht bei alter Stärke und Arturo Vidal ist unersetzlich. Bayern-Blogger Steffen Meyer zieht seine Schlüsse aus dem 3:0 der Münchner gegen Bayer Leverkusen.

Das Konzept, ohne Innenverteidiger zu spielen, ging beim FC Bayern München und Pep Guardiola auf

Fotocredit: Imago

1. Guardiolas Kalkül geht auf
Es war schon ein spektakuläres Experiment, das Pep Guardiola gegen Bayer Leverkusen wagte. Wohl zum ersten Mal in der Geschichte des FC Bayern begannen die Münchner ohne gelernten Innenverteidiger. Auf dem Feld sah die Aufteilung so aus: Bernat und Lahm bildeten zusammen mit Alaba als zentralem Verteidiger eine Dreierkette. Xabi Alonso positionierte sich leicht vorgerückt im 6er-Raum und kippte bei Bedarf (vor allem bei langen Leverkusener Bällen und auch immer wieder im Spielaufbau) ab, um eine Viererkette zu bilden.
Dieses Wechselspiel verlangte den Defensivakteuren eine enorme Konzentrationsleistung ab, da sie immer wieder, je nach Situation, zusammen- oder auseinander rücken mussten. Vor allem Lahm und Alonso waren hier als Partner gefordert. Wie gut dieses Wechselspiel funktionierte, unterstreicht die herausragende Spielintelligenz der beiden Routiniers. Wenn Alonso abkippte orientierte sich Defensiv-Freigeist Vidal zudem direkt auf die 6er-Position und übernahm seinerseits den Raum von Alonso. Es war in der Tat spektakulär mit anzusehen.
Guardiolas Kalkül auf eine so spielstarke Defensive zu setzen, ging insofern auf, dass Leverkusens Pressing zwar jederzeit unangenehm war, aber keine (tor)gefährliche Wirkung entfaltete. Unkontrollierte lange Bälle waren selten. Ballverluste in der eigenen Hälfte noch seltener. Lediglich Bernat hatte in der Anfangsphase zwei kleinere Wackler. Bayern bemühte sich, die Kugel gerade nach Ballgewinn sehr schnell auf die beiden Flügelpositionen zu bringen, um mögliche Eins gegen Eins-Situationen (Costa vs. Hilbert/Robben vs. Wendell) zu provozieren. Gelang dies nicht direkt, störte insbesondere Alonso durch seine Pendelbewegungen das Leverkusener Pressingsystem und machte es so immer wieder möglich, dass die erste Welle des Gegenpressings ausgespielt werden konnte. Gelang dies, wurde es ohnehin leichter, da Leverkusen den Druck in der Folge ein wenig verringerte.
Deutlich war Bayerns Unterlegenheit im Kopfballspiel, die Guardiola aber offenbar in Kauf nahm. Leverkusen gewann 24 der 38 direkten Duelle. Allein Kießling kam in der Luft 8 Mal an den Ball – immer im Bereich zwischen Strafraum und Mittelkreis. Auffällig war jedoch, wie die Münchner den Raum um Kießling herum bei einem hohen Ball direkt zustellten, um Weiterleitungen oder die Eroberung von zweiten Bällen zu verhindern. So blieb Bayers Luftüberlegenheit wirkungslos. Auch hier zeigte sich die einmal mehr exakte Vorbereitung der Mannschaft auf das Spiel.
Trotz des sehr positiven Eindrucks des Leverkusen-Spiels wird Guardiola in Zukunft sicher nicht auf Jerome Boateng verzichten, wenn dieser zur Verfügung steht. Seine individuelle Qualität im Zweikampf ist zu herausragend, um sie auf dem Feld zu missen. Gleichzeitig ist sein Aufbauspiel so gut, dass es im Vergleich zur Aufstellung vom Samstag-Abend keinen Qualitätsverlust gäbe. Möglich ist aber, dass sich der Trend zu nur einem echten Innenverteidiger verfestigt. Guardiola hat immer wieder mal (verletzungsbedingt oder aus freien Stücken) auf spielstarke Varianten mit Rafinha oder Alaba als Ergänzung von Boateng gesetzt. Gerade bei einer Dreierkette ist dies eine sehr ernsthafte Option. Das erklärt auch warum die Münchner recht gelassen auf die Verletzungen von Martinez, Badstuber und nun erneut Benatia reagiert haben und wohl sogar bereit sind, Dante ziehen zu lassen. Es gibt genügend Varianten, die funktionieren, wenn sie richtig und konzentriert ausgeführt werden. Das hat der Sieg gegen Leverkusen eindrucksvoll bewiesen.
2. Rückkehrer mit Anpassungsproblemen
Es war ein Startelfdebüt für zwei Spanier in dieser Bundesliga-Saison. Bernat und Thiago brauchten lange, um richtig ins Spiel zu finden. Vor allem Bernat, der im Vorjahr nach Neuer die meisten Einsatzminuten sammelte, war das fehlende Timing durch mangelnde Spielpraxis deutlich anzumerken. Nachdem er in den Anfangsminuten mehrfach zu spät gekommen war und auch früh eine gelbe Karte kassierte fing sich der Spanier zusehends und kämpfte sich in die Partie. Dass Schmidt zur Pause den bis dahin wirkungslosen Bellarabi auf die linke Seite beorderte, um den etwas langsameren Lahm zu bearbeiten, kann durchaus als Kompliment für Bernat gewertet werden. Der junge Spanier war sehr bemüht, Fehler und Risiko zu vermeiden, was insgesamt gelang. Große Akzente setzte Bernat nicht, unterstrich jedoch insgesamt, dass auch in dieser Saison auf ihn Verlass ist, wenn er gebraucht wird.
Thiago wurde von uns schon nach dem Hoffenheim-Spiel als eines der Sorgenkinder benannt. Auch gegen Leverkusen lief das Spiel etwas an ihm vorbei. Um nicht missverstanden zu werden: Er machte keine großen Fehler, aber er setzte auch keine wesentlichen Akzente. Das hat viel mit der etwas veränderten Spielweise der Münchner zu tun, in der die 8er und 10er Räume deutlich weniger Bedeutung haben. Thiago spielte 37 Pässe – kaum mehr als Manuel Neuer – und brachte davon durchschnittliche 80% an den Mann, den Großteil davon allerdings im Niemandsland. Ein Pass führte zu einem Torschuss, zwei Mal schoss er selbst aus der Distanz. Viel mehr war nicht. Erst als Leverkusen nach dem 0:2 nachließ, war auch Thiago deutlich präsenter. Insgesamt blieb er aber eher Mitläufer als Spielgestalter.
Wichtig ist trotzdem, dass Guardiola ihm 80 Minuten gab, um Rhythmus aufzunehmen. Es werden Gegner kommen, die deutlich weniger Pressing spielen als Hoffenheim oder Leverkusen. Dann werden auch die Räume im zentralen Mittelfeld wieder wichtiger im Kombinationsspiel. Gerade gegen tiefstehende Kontrahenten werden Thiagos Fähigkeiten gebraucht. Momentan ist ein wenig Geduld gefragt.
3. Der Wert von Arturo Vidal
Der Chilene brauchte eine halbe Stunde, um sich an die Geschwindigkeit, die zu Beginn vor allem die Leverkusener vorgaben, zu gewöhnen. Bis dahin war er ziemlich beeindruckt vom Pressing-Tempo der Gäste und nicht immer auf der Höhe. Der ein oder andere Ballverlust und manch verlorener Zweikampf stachelten den Neuzugang jedoch sichtlich an. Zwischen 50. und 75. Minute – in der Phase also, in der Bayern die Partie entschied, war er der dominierende Spieler auf dem Feld. Seine Griffigkeit, sein defensiver Aktionsradius und seine “no-nonsense”-Attitüde tun dem Münchner Spiel sehr gut. Vidal führte insgesamt 41 (!) Zweikämpfe, überwiegend im Defensivbereich, und gewann davon 46%.
Auch die Duelle, die er nicht gewann, sind dabei wichtig für Bayerns Spiel, weil sie den Gegner beschäftigen und zermürben. Das so hervorragend praktizierte Wechselspiel der Defensive mit Alonso wäre ohne ihn ebenfalls nicht möglich gewesen. Vidal gewann die meisten Zweikämpfe, eroberte die meisten Bälle und lief die zweitmeisten Kilometer. Es gab eine Phase in der Hinrunde der Vorsaison, in der Xabi Alonso der dominante Taktgeber in Bayerns Offensivspiel war. Gegen Leverkusen übernahm Vidal eine ebenso dominante Rolle als defensiver Taktgeber. Dass er zudem auch immer wieder in der Offensive für Unruhe beim Gegner sorgt, ist gewissermaßen das Plus oben drauf. Vidal ist in dieser Saisonphase nicht wegzudenken.
Der Autor: Steffen Meyer ist Blogger und Autor bei "Miasanrot" - dem FC Bayern München Blog, einer Plattform für Meinungen und Analysen rund um den FC Bayern. Meyer wirft dabei einen besonderen Blick auf die taktischen und spielerischen Entwicklungen beim Rekordmeister. Er erklärt dabei - auch anhand von Daten und Statistiken - was die Münchener Spielphilosophie ausmacht oder woran sie in bestimmten Spielen scheitert. Weitere Inhalte bei www.miasanrot.de !
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