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Carlo Ancelotti beim FC Bayern: Der Anti-Pep am richtigen Ort

Daniel Rathjen

Update 13/07/2016 um 11:31 GMT+2 Uhr

Carlo Ancelotti startet die neue Ära beim FC Bayern München. Anders als sein Vorgänger Pep Guardiola gestikuliert er kaum, er kennt Ironie. Und er gibt sogar Interviews. Dieser Kontrast ist das, was die Spieler jetzt brauchen und dem Verein nur guttun kann.

Carlo Ancelotti ist der neue Trainer des FC Bayern.

Fotocredit: Imago

Der Vorstandschef des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, brachte den Gesamteindruck bei der offiziellen Vorstellung von Carlo Ancelotti am Montag auf den Punkt.
"Carlo ist der richtige Trainer zur richtigen Zeit am richtigen Ort", urteilte er über den neuen Trainer seines Vereins.
So richtig es war, nach dem Triple-Gewinn mit Jupp Heynckes im Jahr 2013 mit dem jungen, hungrigen Fußball-Genie Pep Guardiola einen starken Reiz zu setzen, so korrekt erscheint es jetzt, mit Ancelotti, dem Anti-Pep, das Tempo zu regulieren.
Guardiolas Stil ist fordernd, weil er permanentes Mitdenken und Neuordnen bedingt. Hinzu kam das Risiko einer enorm hohen Positionierung der Außenverteidiger. Jedes Spiel hatte für entscheidende Akteure den Charakter eines Tanzes auf der Rasierklinge. Ein Fehlpass, eine verpatzte Annahme - und schon kam der Konter. Mit schönem Gruß von Griezmann.

Menschenführung perfektioniert

Ancelotti kennt Guardiola bestens, er weiß, dass er die Spieler gedanklich nahezu überfrachtet. Als Anti-Pep reguliert er nun. Egos wie die von Franck Ribéry oder Arjen Robben versteht er zu streicheln, so dass die Energie positiv bleibt. Bei einer solchen Dichte von Stars ist das mitentscheidend.
Eigentlich schwärmt jeder von der Menschenführung des 57-Jährigen, die er bei seinen Trainer-Stationen Reggiana, Parma, Juve, Milan, Chelsea, Paris Saint-Germain und Real Madrid perfektioniert zu haben scheint. Heißlaufen mit der Wärme des Trainers. Die Presse wurde mit einem Exklusiv-Interview in der "Bild", das Guardiola nie gegeben hatte, zudem vorab zufriedengestellt.
Mentor Arrigo Sacchi nennt Ancelotti "ironisch und selbstironisch". Für einen Trainer sei "die Beziehung zu den Spielern am wichtigsten, er muss sie respektieren, von seiner Idee vom Fußball überzeugen", sagte Ancelotti selbst. Notfalls müsse er eben seine Philosophie überdenken.
Den Kern seiner Arbeitsweise wird er im Gegensatz dazu definitiv nicht mehr verändern. "Ich war selbst Spieler, ich verstehe, wie Spieler ticken. Ich möchte sie auf eine angenehme Weise behandeln", sagte er der "Bild". Da bleibt Ancelotti strikt. Er erklärt weiter: "Mehr als einmal haben mir Präsidenten erzählt, ich müsse die Peitsche benutzen, die Peitsche, die Peitsche, die Peitsche! Warum? Niemand hat bei mir die Peitsche eingesetzt. Weder mein Vater, noch meine Mutter, noch meine Lehrer, noch meine Trainer. Ich habe immer gesagt: Wenn ihr einen Trainer wollt, der die Peitsche gegen seine Spieler schwingt, sucht euch einen solchen Trainer. Und sie haben solche gefunden!"
Sacchi ist der Überzeugung, dass diese Ausgewogenheit und Ruhe typisch für Personen aus Familien seien, die das Land bearbeiten. Ancelotti ist ein Bauernsohn mit Elektrikerlehre.

Guardiolas größter Fehler als Lehre

Auch Guardiola entstammt der Arbeiterklasse (sein Vater war Maurer), doch ist für ihn als Coach ebenso der Ballbesitz heilig. Er passte seinen Plan nur in Ausnahmefällen an Spielerwünsche an. Als er es einmal tat, ausgerechnet im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid im April 2014, setzte es eine 0:4-Klatsche. Pep sagte daraufhin: "Es war ein Riesenfehler des Trainers." Er meinte damit seinen Fehler, auf die Gruppe von Führungsspielern gehört zu haben, die ihn vor dem Spiel zu einer offensiveren Ausrichtung gedrängt hatten. Natürlich stellte Guardiola sich weiterhin vor seine Spieler, doch ein Knacks war nicht zu leugnen.
Ancelotti ist es zuzutrauen, dass er als Moderator solche krassen Tendenzen frühzeitig erkennt und abfedert. Scharmützel mit anderen Angestellten sind von ihm nicht zu erwarten. Fußballerisch hat er kein Dogma - mit Ausnahme der Viererkette. Auch könnte er vom Dominanzfußball etwas abrücken, Gegner auch mal auskontern.
Es sei "keine Revolution" zu erwarten, sagte Ancelotti und fügte an: "Ich bin sicher, die Arbeit von Guardiola wird mir helfen. Guardiola hatte drei fantastische Jahre hier. Jeder hatte Respekt vor dieser Mannschaft. Ich will das nicht vergessen machen", fügte er an.
Hört sich richtig an.
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