Hamburger SV: Drei Gründe für den Aufschwung - der Taktik-Check
VonLuca Baier
Publiziert 11/02/2017 um 10:59 GMT+1 Uhr
Mit Rückenwind zur Überraschung? Der Hamburger SV geht mit zuletzt zwei Siegen in das schwierige Spiel bei RB Leipzig (Samstag, 15:30 Uhr im Liveticker). Für den Aufschwung sind vor allem drei Schlüsselelemente verantwortlich. Eurosport.de analysiert im Taktik-Check, warum es beim HSV nicht erst seit dem Sieg im DFB-POkal gegen den 1. FC Köln aufwärts geht.
Taktik-Check zum HSV
Fotocredit: Imago
Nimmt man den kämpferischen und spielerischen Aussetzer beim Auswärtsspiel in Ingolstadt aus der Bewertung, können sich die Auftritte des Hamburger SV im neuen Fußballjahr sehen lassen.
Die Mannschaft scheint die Philosophie von Trainer Markus Gisdol mittlerweile verinnerlicht zu haben und bestätigt die Leistungen vom Jahresende 2016. Folgende drei Gründe sind hauptverantwortlich für den Aufschwung des Bundesliga-Dinos:
Auf dem Weg zur Pressingmaschine
Aktuell ist es wahrlich kein Geschenk, gegen den HSV zu spielen. Wo vor gar nicht so langer Zeit noch ein lethargisches und löchriges Mittelfeldpressing zu sehen war, ist nun konsequentes Forechecking angesagt. Gisdol ist ein Verfechter des Vorwärtsverteidigen. Daher lässt er seine Mannschaft früh attackieren, sodass die Gegner zu langen Bällen gezwungen werden.
Aus dem 4-2-3-1, das sich als Stammsystem etabliert hat, wird beim Anlaufen ein 4-2-1-3. Die Flügelspieler rücken bis auf die vorderste Linie vor. Mittelstürmer Bobby Wood setzt so gemeinsam mit Filip Kostic (links) und Nicolai Müller (rechts) die gesamte gegnerische Viererkette unter Druck.
Hinter dieser Dreierreihe kümmert sich der Hamburger Zehner, zuletzt Louis Holtby oder Aaron Hunt, um den tiefsten gegnerischen Mittelfeldspieler.
Die Folge: Gegen das HSV-Pressing lässt sich nur mit sehr mutigen und ballsicheren Spielern konstruktiv aufbauen. In der Regel spielen die Gegner jedoch frühzeitig lange Bälle. Da diese allerdings nicht ruhig vorbereitet werden können, sondern aus Drucksituationen heraus geschlagen werden, sind sie oftmals ungenau.
Der Ruhepol und der Krieger
Schlägt der Gegner lange Bälle, sind die Innenverteidiger natürlich besonders gefragt. Die Hamburger haben die größte Baustelle des Kaders erkannt und im Winter entsprechend nachgerüstet. Mit Mergim Mavraj kam ein sehr erfahrener Spieler vom defensivstarken 1. FC Köln, mit Kyrgiakos Papadopoulos ein dynamisches Kraftpaket.
Die beiden ergänzen sich als Spielertypen hervorragend. Während Mavraj vor allem absichernd und mit Auge agiert, wirft sich Papadopoulos in die direkten Duelle. Dass beide zudem in der Luft nur schwer zu schlagen sind, passt zum Pressing der Rothosen.
Die neue Lufthoheit durch die beiden Neuzugänge machte sich auch schon in der Offensive bemerkbar: Papadopoulos traf vergangenes Wochenende per Kopf zum Siegtreffer gegen seinen eigentlichen Arbeitgeber aus Leverkusen und auch Mavraj verzeichnete schon mehrere Abschlüsse.
Fortschritte im Spielaufbau
Fußball "arbeitenQ kann der HSV nun schon seit einer Weile, mittlerweile sind jedoch auch spielerische Fortschritte zu erkennen. Erste Wahl im Spielaufbau bleibt der lange Ball. Die Innenverteidiger spielen meistens in die Räume zwischen dem Mittel- und einem Außenstürmer, der ballnahe Außenverteidiger sowie der Zehner schieben unterstützend in diese Zone.
Dabei muss der erste Ball gar nicht zwingend gewonnen werden. Die Hamburger positionieren sich so, dass sie nach dem Kopfballduell direkt Überzahl herstellen können und gehen dann aggressiv in die Zweikämpfe.
Nach Ballgewinn starten Müller und Kostic in den Raum hinter der gegnerischen Abwehrkette. Während Müller oft diagonal ins Zentrum läuft und direkt zum Abschluss kommen will, hält Kostic eher die Außenbahn. Hier versucht er mit seiner Geschwindigkeit und seinen Finten zur Grundlinie zu kommen und den Ball scharf vors Tor zu bringen.
Neben den zahlreichen langen Bällen streuen die Hamburger jedoch auch immer wieder ruhigere Ballbesitzphasen ein. Mavraj ist hier als sicherer Passspieler aus der Innenverteidigung die erste Station. Auf der Doppelsechs überzeugten Talent Gideon Jung und Neuzugang Walace beim Sieg im DFB-Pokal über Köln als unauffällige, aber effektive Ballverteiler. Anders als die eher tief und im Raum verteidigenden Kölner wird RB Leipzig dem HSV-Mittelfeld jedoch kaum Zeit am Ball gewähren. Es ist also wahrscheinlich, dass am Samstag wieder hauptsächlich lang gespielt werden wird.
Eurosport-Check:
Der HSV hat sich stabilisiert. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Gegen den Ball arbeitet das Team nicht nur mit viel Leidenschaft, sondern auch mit taktischem Verstand. Die risikolose Spielweise in Ballbesitz minimiert die Gefahr von Ballverlusten in gefährlichen Zonen, zudem begünstigt sie ein eher hektisches Spiel – und in so einer Konstellation fühlt sich das Gisdol-Team derzeit am wohlsten.
Um wirklich wieder in die Spur zu kommen, muss der HSV aber noch weiter am eigenen Ballbesitzspiel arbeiten, um auch gegen tiefstehende Gegner für Gefahr zu sorgen. Gegen den Aufsteiger aus Leipzig ist aber erst einmal wieder das geplante Chaos angesagt.
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