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Joshua Kimmich vom FC Bayern München: Warum er eine ganze Generation prägen kann

Thilo Komma-Pöllath

Update 03/10/2016 um 15:12 GMT+2 Uhr

Eurosport-Blogger Thilo Komma-Pöllath erklärt in seinem Blog "Der Ligastheniker" warum ihn der Youngster Joshua Kimmich vom FC Bayern München an Legenden wie Sören Lerby erinnert. Durchstarter Kimmich ist der positive Gegenpart zu einer in vielen Teilen verkorksten Bundesliga - selbstbewusst, lernwillig, selbstkritisch und ein doppeltes Versprechen für die Zukunft.

Kimmich gelingt Doppelpack gegen Rostow

Fotocredit: SID

Ab und zu gibt es in diesem ziemlich versnobten Liga-Gedöns noch Typen, die mich begeistern können. Das überrascht mich dann selbst, weil ich spiel-soziologisch irgendwie in den 80ern hängen geblieben bin. In meinem Kopf läuft, als eine Art Best Practice, ein 4:2 der Bayern gegen Bremen in Endlosschleife; es ist englische Woche, Flutlichtspiel im Olympiastadion, mit einem überragenden Spielmacher - ja, die Position gab es damals noch - Sören Lerby.
Das war 1985. Lerby trug die Socken nach unten gerollt, Schienbeinschützer lehnte er per se ab, ständig fuchtelte er mit den Armen, und gebrüllt hat der, dass es selbst die Zuschauer auf den Rängen hörten. Der Lerby von damals gibt einem eine Idee davon, wie Fußballer auch sein konnten, aber heute kaum mehr sind.

Kimmich und die Glücksritter

Warum ich Ihnen das erzähle? Weil es wieder Hoffnung gibt! In Gestalt von Joshua Kimmich. Verstehen Sie mich nicht falsch: Früher war nicht alles besser, das Spiel bewegte sich in einem besseren Zeitlupentempo, das technische Vermögen und die taktische Flexibilität waren noch nicht so hoch wie heute.
Damals wurde das Spiel gespielt von Leuten, die nichts anderes konnten. Heute sind schon mal Schnösel und Glücksritter am Werk, denen der Ferrari vor der Garage wichtiger ist als der Stammplatz im Kader.
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Joshua Kimmich (FC Bayern München)

Fotocredit: Imago

"Er will, will, will!"

Kimmich gerade gut zu finden, ist natürlich keine Kunst. Sein spektakulärer Flugkopfball gegen Köln war schon sein dritter Saisontreffer, inklusive Nationalmannschaft kommt er auf fünf Tore in den letzten sechs Pflichtspielen. Dabei ist das gar nicht seine primäre Aufgabe und deshalb dem Ligastheniker in seiner Bewertung auch ziemlich egal.
Es geht nicht so sehr darum, dass er torgefährlich ist, sondern darum, wie viel er investiert, damit er das Spiel gewinnt. Kimmich sehe nicht ein, warum er lästige aber notwendige Sprints unterlassen solle, hat die "Süddeutsche" kürzlich über den bayerischen Shootingstar geschrieben. Denn: "Er will, will, will."

Kimmich hat das Talent zur Arbeit

Kimmich offenbart also ein Merkmal, das auch ein Lerby hatte und heute nicht mehr in Mode ist: Kimmich ist gerade wegen seiner Jugend und seines Talents ein Arbeiter. Er schont sich nicht, weil er weiß, dass er was kann, weil er unbedingt einen Stammplatz haben will.
Das unterscheidet ihn von anderen Berufskollegen, die, etwa auf Schalke, im halben Dutzend anzutreffen sind und die sich mit Mittelmaß und der Bank zufriedengeben. Wohin das führt in der Tabelle, kann jeder selbst nachsehen.
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Joshua Kimmich bei der EM 2016 in Frankreich

Fotocredit: SID

Kommende Führungsfigur?

Und noch etwas ist nach dem Köln-Spiel aufgefallen. Kimmich ist erst 21, aber selbstbewusst genug, nach einem verkorksten Spiel, das Verkorkste auch beim Namen zu nennen. Keine Zuspiele, keine Bewegung, keine Intensität, so seine Kritik.
Er kann sich die Kritik auch leisten, weil er sich, bei allen Fehlern, selbst nur wenig vorhalten lassen muss. Zugleich ist er immer noch selbstkritisch genug, dass er weiß, dass er noch lange nicht am Ziel ist.
Spätestens in zwei Jahren steht beim FC Bayern ein relevanter Kaderumbruch an. Dann ist die Lahm-Generation endgültig Geschichte und die neue Generation braucht eine Führungsfigur, dessen Name auf alle abstrahlen kann.
Gut möglich, dass wir uns auf den jungen Mann mit dem biblischen Vornamen einstellen müssen, über den sein Berater einmal zu mir gesagt hat: Er habe noch nie einen so gut erzogenen Spieler unter Vertrag gehabt wie Joshua. Wenn das nicht ein doppeltes Versprechen auf die Zukunft ist.

Zur Person Thilo Komma-Pöllath:

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der Ligastheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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