Der LIGAstheniker | Veganer Schalkefußball unter Tedesco: So droht der Abstieg!

Thilo Komma-Pöllath

Update 21/01/2019 um 16:20 GMT+1 Uhr

Der FC Schalke 04 steckt im Mittelmaß fest. Bei der Derby-Niederlage gegen den BVB war zu sehen, dass sich beide Teams sportlich weit entfernt haben. Domenico Tedesco hat kein erkennbares Konzept. Eine Handschrift ist nicht zu erkennen. Eurosport-Blogger Thilo Komma-Pöllath analysiert, warum es mit Tedesco nicht läuft und warum die Zukunft für den Trainer alles anders als rosig aussieht.

Domenico Tedesco (FC Schalke 04)

Fotocredit: Getty Images

Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath
Wenn man bedenkt, was beim FC Schalke derzeit so alles schiefläuft, dann sind die Pressekonferenzen von Cheftrainer Domenico Tedesco nach den Spielen geradezu außerterrestrische Geraderückmomente. Beste Science Fiction also. So war das auch diesmal nach dem Ruhrderby, das zwar ein Derby war, aber eben auch ein grausames Herumgestammel, gerade von den Königsblauen, die sich sportlich vom Erzrivalen in Dortmund so weit entfernt haben, dass eine ganz Galaxie dazwischen passt. Und dann rekapituliert S04-Trainer Tedesco mit müdem Dackelblick der Öffentlichkeit ein Spiel, das keiner gesehen hat.
Diesmal war es besonders schlimm, also das Spiel und seine Sicht darauf. Tedesco sprach davon, dass man "gut im Spiel gewesen" sei, mit "Zugriff", man hätte "gut verteidigt", habe "guten Ballbesitz" gehabt, sei insgesamt also "gut drauf" gewesen. Gut, man merkt das schnell, ist seine Lieblingsvokabel. Schlimm genug, dass an diesem Nachmittag gar nichts gut war. Aber wenn’s der Trainer nicht gesehen hat, stellt sich die Frage: Ist Tedesco noch der richtige Trainer für Schalke? Die Zweifel daran sind heute so groß wie nie.

Kann Tedesco, was Kovac kann?

Der LIGAstheniker war in der Vergangenheit oft zu vorschnell, was Trainerentlassungen betraf. Das sei an dieser Stelle selbstkritisch bemerkt. Es ist nicht die Aufgabe eines Kolumnisten, einen angeschlagenen Trainer zum Schafott zu führen, das steht ihm gar nicht zu. Eine deutlich formulierte Grundsatzkritik jedoch sehr wohl. Tedesco ist also jetzt der Name, der nach Bayerns Kovac wie Freiwild durchs Ligadorf getrieben wird.
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FC Schalke 04: Domenico Tedesco, Sebastian Rudy

Fotocredit: Getty Images

Kovac könnte etwas gelingen, was in der Liga selten und in München so gut wie nie passiert ist: Der schon fast Geschasste könnte sich angezählt in die Winterpause retten und dort doch noch überleben. Kovac hat auf dem Höhepunkt der Krise keine Angsthasenstarre bekommen, sondern sein taktisches Rezept verfeinert: seine neue Doppelsechs mit Kimmich und Goretzka hat nicht nur sein Team, sondern auch seine eigene Position stabilisiert. Mit Verlaub, derlei feine Veränderungskniffe kündigen sich bei Tedesco nirgends an.

Veganer Schalkefußball

Der Status quo auf Schalke ist niederschmetternd. Oder wie es ein BILD-Kritiker am Wochenende in einer der vielen Fußball-Talkshows formuliert hat: "Das ist Fußball für Veganer. Ohne Ball, ohne Technik, ein eigenes Spiel nach vorne nicht erkennbar". So hätte man das Derby also auch sehen können. Natürlich muss Tedesco gegenüber der Presse nicht derart hart mit seinem Team ins Gericht gehen, aber bei der Vielzahl und Offensichtlichkeit der Schalker Baustellen muss ein Trainer via Öffentlichkeit den Druck auf sein Team erhöhen, sonst macht er sich nach innen wie nach außen unglaubwürdig. Eine klar und unmissverständlich formulierte Erwartungshaltung muss das pädagogische Stilmittel sein, gerade bei einem Klub, der seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten ein Disziplinarproblem besitzt, gar als untrainierbar gilt.

Wo ist Tedescos Idee vom Spiel?

Tedescos vornehme Zurückhaltung funktioniert auf Schalke nicht, das ist mehrfach bewiesen. Die zweite Ebene ist die sportliche Entwicklung: Warum erkennt man beim Wunderkind der neuen deutschen Trainergilde eigentlich keine eigene Handschrift? Keine eigene Spielidee? Schon gar keine Idee, die selbst etwas mit dem Ball anfangen kann und offensiv erfolgreich sein will?
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Bundesliga, Schalke 04

Fotocredit: Getty Images

Ein Konzept, wie Tedesco Tore erzielen will, ist nicht erkennbar. Das hat auch mit seinem Kader zu tun, der keine Stürmer kennt, die nicht verletzt sind oder gut genug für ihn wären. Andererseits aber auch mit seiner Art der Vermittlung. Ein verkopfter Coach beim Malocherklub im Abstiegskampf – das kann kaum funktionieren.

Wie lange hält er sich noch?

Man muss nicht bis Klopp oder Favre gehen, um Trainer zu finden, die ein klares Konzept haben, wie zeitgenössischer Fußball erfolgreich interpretiert werden muss: gedanklich schnell und physisch aggressiv, mit und gegen den Ball. Einer, der das auch wunderbar kann, und der nach allem Vernehmen nach, das auch an seine Kicker übertragen kann, ist nicht ganz zufällig Tedescos Vorgänger als Jahrgangsbester der DFB-Fußballlehrerausbildung von 2015, Florian Kohfeldt von Werder Bremen (Platz 8, sieben Punkte mehr als Schalke).
Die rhetorische Frage also lautet: Wenn einer ausgerechnet mit einem der Armenhäuser der Liga eine ziemlich erfolgreiche Idee von Fußball auf den Rasen bringen kann, und Domenico Tedesco kann das nicht, was sagt einem das dann für die nahe Schalker Zukunft? Nix gutes, wie auch immer man sich entscheidet.
Der LIGAstheniker: RB Leipzigs dreiste Timo Werner-Drohkulisse
Von Thilo Komma-Pöllath
Vor 4 StundenAktualisiert vor 13 Minuten
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RB Leipzig erhöht den Druck auf Timo Werner. Man kann schon fast von Erpressung sprechen, so LIGAstheniker Thilo Komma-Pöllath in seinem Blog, damit der Stürmer nicht ablösefrei zu einem anderen Klub geht. Ralf Rangnick und Manager Oliver Mintzlaff wollen auf keinen Fall mit leeren Händen dastehen, wenn Werner seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängert. Dafür greifen sie zu drastischen Mitteln.
Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath
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Wer jenseits des gespielten Balls am Rückrundenspieltag etwas über die Liga lernen wollte, dann das: Abmachungen, Regularien, Verträge haben keine bindende Wirkung und keinen Wert an sich. Sie sind lediglich dazu da, den schlimmstmöglichen Wildwest und die ganz große Gier aller Beteiligten zu verhindern. Ach was, kaschieren trifft es wohl besser. Da erzählt Hannovers Manager Horst Heldt ganz naiv in die Kameras, dass sein Präsident Martin Kind und dessen vermögender Kumpel Dirk Rossmann die Neuzugänge aus eigener Tasche bezahlt hätten.
Und man fragt sich unweigerlich, ob das Bilanz-technisch dann ein Geschenk ist und ob das überhaupt mit den 50+1-Statuten vereinbar ist: Herr Kind ist der Präsident, aber nicht der Hauptsponsor des Klubs. Die Posse in Düsseldorf um Trainer Friedhelm Funkel ist da schon beruhigender: Erst soll Funkel zum Saisonende gehen. Nachdem Fans und Öffentlichkeit protestieren, wird der Vertrag verlängert.
Die Meinung des Fans zählt also noch etwas - wer hätte es gedacht? Wie lange noch? Und dann also noch der tiefe Einblick in die Welt von Arbeitnehmerrechten vom Koffeinbrauseangestellten Ralf Rangnick zur Personalie Timo Werner. Wenn's nicht so traurig wäre, man müsste sich herzhaft auf die Fußballerwaden klopfen.
Rangnick setzt Werner unter Druck
So offensiv wurde wohl noch selten ein Spieler vom eigenen Klub unter Druck gesetzt, seinen Vertrag zu verlängern, wie Leipzigs Stürmer Timo Werner. Hier also noch mal der ganze Satz von Sportdirektor Ralf Rangnick, denn ich gehe mal davon aus, dass der Trainer Ralf Rangnick diesen Satz nie hätte sagen dürfen/wollen/können.
"Es ist klar vereinbart, dass er nicht mit uns in die Saison geht, wenn er nicht verlängert. "
Das nennt man dann wohl mal eine massive Drohkulisse. Und wenn er nicht vorzeitig verlängert, denn er hat ja einen Vertrag, was dann? Bank? Tribüne? Zweite Mannschaft? Ach ja, hat RB ja gar nicht! Werner hat einen Vertrag bis zum Sommer 2020, man könnte also sagen, es ist noch Zeit über seine Zukunft zu beraten.
Ralf Rangnick und Timo Werner (RB Leipzig)
Ralf Rangnick und Timo Werner (RB Leipzig)Getty Images
Geldgier und Eitelkeit
Aus dem Satz von Rangnick spricht soviel gekränkte Eitelkeit, für die Rangnick im letzten Jahrzehnt seines Wirkens so richtig schön berühmt wurde. Wer ihn näher kennt, weiß, dass er tatsächlich glaubt, dass keiner so viel Ahnung in der Entwicklung junger Spieler hat, wie er himself: Ralf Rangnick. Und genau hier beginnt das Missverständnis: Rangnick glaubt, er, und nur er allein, hat Werner in die Weltklasse gebracht. Und genau dafür schulde der ihm jetzt eine Vertragsverlängerung.
Das ist, gelinde gesagt, Unsinn, da Rangnick Deutschlands talentiertesten Stürmer gerade erst seit ein paar Monaten trainiert, vorher tat das bekanntlich Ralph Hasenhüttl. Und: Die eigentliche Ausbildungsarbeit hatte vorher sowieso sein Heimatverein VfB Stuttgart geleistet, bei dem er bis 2016 unter Vertrag stand.
Interessant dabei: Rangnicks Vorgesetztem Mintzlaff geht es gar nicht um das Talent Werner, das Rangnick für sich beansprucht, sondern das Asset Werner, wenn er sagt, man könne es sich nicht leisten, ihn ablösefrei gehen zu lassen. Mintzlaff will ihn gar nicht behalten, er will Geld mit ihm verdienen. Viel Geld. Im Prinzip kann Werner das völlig kalt lassen, er hat ja Vertrag.
Steht die Frage im Raum: Würden Rangnick/Mintzlaff Werner im letzten Vertragsjahr, sollte es soweit kommen, aus Eitelkeit und/oder Geldgier tatsächlich auf die Tribüne setzen, um ihr Mütchen zu kühlen? Ist das vorstellbar?
Begehrter Stürmer: RB Leipzigs Timo Werner
Begehrter Stürmer: RB Leipzigs Timo WernerSID
Groß sind nur die Egos
Die Taktik hinter ihren Verbalscharmützeln vom Wochenende ist durchschaubar: RB Leipzig will den Preis hochtreiben für ihre interessanteste und wertvollste Personalie. Was das mit Werner macht, scheint dem Klub dabei völlig zweitranging. Er müsse sehen, dass er weiterhin locker bleibe, sagte Timo Werner, angesprochen auf die Erpressungstaktik seines Arbeitgebers. Und wenn der Druck so groß wird, dass der mal nicht mehr trifft, dann setzt ihn Rangnick mit nicht geringer Genugtuung halt auf die Bank, was er ja eh schon insinuiert hatte.
An der Personalie Timo Werner wird, neben einem Defizit Rangnicks in rechtsstaatlichen Errungenschaften, auch das große Missverständnis im Selbstverständnis des Dosenklubs deutlich: RB Leipzig ist und bleibt ein Ausbildungsverein für die ganz Großen im Weltfußball, zu denen sie schlicht nicht gehören. Daran ändert auch die Ego-Größe ihrer beiden sportlich Verantwortlichen nichts. Sollte Timo Werner tatsächlich ablösefrei gehen, wäre er selbst für Hannover 96 ein Schnäppchen.
Zur Person Thilo Komma-Pöllath:
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog "Der LIGAstheniker" das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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