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Schalke 04 | Taktik-Check: Wagners wilde Pressingmaschine

Luca Baier

Update 28/09/2019 um 12:11 GMT+2 Uhr

Nach drei Siegen in Folge fordert der FC Schalke 04 nun Spitzenreiter RB Leipzig (Sa., 15:30 Uhr im Liveticker). Der taktische Umbruch unter dem neuen Trainer David Wagner scheint früher als gedacht gelungen, Schalke agiert statt nur zu reagieren und setzt den Gegner vor allem mit Pressing unter Stress. Eurosport.de analysiert im Taktik-Check, was die Königsblauen aktuell stark macht.

Taktik-Check | FC Schalke 04, David Wagner

Fotocredit: Getty Images

Unentschieden gegen Gladbach? In Ordnung. Niederlage gegen Bayern? Erwartet. Danach drei Siege in Folge gegen Hertha, Paderborn in Mainz – mit 10:2 Toren! Man kann durchaus behaupten, dass der FC Schalke 04 gut in die Saison gestartet ist. Doch nicht die Ergebnisse allein sind Grund zum Optimismus, wenn man es mit den Königsblauen hält.

Wagners Pressingmaschine

Nach der recht passiven Spielweise unter Domenico Tedesco und der fast schon abstiegskampfartigen Herangehensweise unter Huub Stevens zum Ende der letzten Saison ist Schalke nun eine Mannschaft, die agiert statt zu reagieren.
Der neue Trainer David Wagner, zuvor bei Huddersfield in der Premier League, steht für Vollgasfußball. Seine Spielphilosphie basiert in erster Linie auf einem hochintensiven Pressing, das dem Gegner keine Luft zum atmen lässt.
Aus dem 4-2-3-1 heraus lenkt Schalkes Mittelstürmer den Spielaufbau des Gegners auf den jeweils spielschwächeren Innenverteidiger. Der wird nun von der Seite angelaufen und dadurch Richtung Flügel gedrängt. Hier sind Schalkes Flügelspieler schon auf dem Sprung, um von der anderen Seite zu stören - die Folge: Stress pur für den Gegner.
Nominell wird durch diese Art des Pressings der gegnerische Außenverteidiger freigelassen. Weil der Druck auf den Ballführenden jedoch fast immer hoch ist, kann der gegnerische Außenverteidiger kaum einmal sauber angespielt werden.
Gelingt dies doch, schiebt Schalkes Außenverteidiger weit vor und übt Druck aus, die drei weiteren Verteidiger schieben dahinter durch.
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Harit (2.v.l.) trifft - Schalke schlägt Mainz

Fotocredit: SID

Endlich "Malocher-Fußball"

Wer so pressen will, muss hoch stehen, ansonsten werden die Wege zu weit. Schalke gelingt das sehr gut, sie kommen durch die kürzeren Abstände gut in die Zweikämpfe und sind dort sehr bissig: 103 erfolgreiche Tacklings bedeuten einen geteilten ersten Platz mit RB Leipzig in dieser Kategorie.
Wie gut dieser Wert ist, zeigt ein Blick auf den Ligadurchschnitt, der liegt nämlich nur bei knapp 83 erfolgreichen Attacken.
Die Schalker spielen nun nicht mehr so klar mannorientiert wie in den letzten Jahren, sondern verteidigen stärker im Raum. Dabei bleiben sie kompakt, laufen aber nicht den einzelnen Gegnern hinterher.
Weil sie so geschickt zwischen den Gegnern stehen, provozieren sie immer wieder schwierige Pässe der gegnerischen Mittelfeldspieler. 62 abgefangene Pässe sind ebenfalls ein sehr guter Wert, hier haben nur Augsburg (72) und Mainz (65) mehr zu bieten.
Im Umfeld der Königsblauen war schon oft von Malocher-Fußball die Rede, der Verein kokettiert ja seit jeher mit diesem Image. Der Fußball war davon meistens weit entfernt, nun kann man aber wirklich die vielzierte Arbeitermentalität auf dem Platz sehen.

Ballbesitzspiel verbessert sich sichtlich – Harit blüht auf

Doch auch mit dem Ball hat Schalke mittlerweile Lösungen parat. "Endlich!", werden die Fans der Königsblauen, aber auch neutrale Beobachter sagen. Schalke hat in den letzten Jahren viel mit langen Bällen agiert und war in Ballbesitz nie mehr als eine Ansammlung von – trotzdem guten – Einzelspielern.
Nun gibt es einige klare, einfache Mechanismen zu beobachten, die gut zu den Spielern passen. Omar Mascarell lässt sich oft von der Sechserposition zwischen oder neben die Innenverteidiger fallen, sodass Schalke in einer Dreierkette aufbaut.
Die Außenverteidiger schieben weit vor, während die offensiven Flügelspieler ins Zentrum rücken. Dort ist Schalke mit dem zweiten Sechser, dem Zehner und eben jenen eingerückten Flügelspielern sehr präsent.
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David Wagner glaubt nicht an die Europapokalteilnahme

Fotocredit: SID

Der Schlüssel im Ballbesitzspiel ist Amine Harit. Der leichtfüßige Kreativspieler startet meistens von der linken Seite, findet sich aufgrund der beschriebenen Aufteilung in Ballbesitz allerdings fast immer im Zentrum wieder. "Es ist wichtig, dass der Trainer klare Ansagen macht: das ist gut, das ist nicht gut", sagte Harit im "Sky"-Interview.
Da Harit dort viele Passoptionen um sich herum hat, kann er seltener gedoppelt werden – ein Problem, das er zuvor zu oft hatte. Mit kleinen Drehungen, kurzen Antritten und schnellen Haken sorgt er für überraschende Momente in der Offensive und steuert Tore bei.
"Wenn Sie mich vor der Saison gefragt hätten, wie viele Tore ich schieße, hätte ich vier oder fünf gesagt" so Harit: "Dann wäre ich happy gewesen, aber jetzt habe ich schon drei nach fünf Spielen."
Die hochstehenden Außenverteidiger dienen als Notfalloptionen, falls der Gegner sich im Zentrum zu eng zusammenzieht. Passiert das, geht der Ball raus auf den Flügel und Schalke flankt die Bälle scharf vors Tor, wo mit Burgstaller und den nachrückenden Spielern aus dem Zentrum immer viel Bewegung herrscht.

Eurosport-Check:

Schalke hat den geplanten Umbruch Stand jetzt schneller geschafft als gedacht. Der größte Fortschritt ist die Tatsache, dass sie offenbar schon jetzt so weit sind, dass sie die Spiele dominieren können, die sie rein personell gesehen auch dominieren müssen – das war in der Vergangenheit viel zu selten der Fall.
In Leipzig trifft Schalke nun auf ein Team, das sie sich guten Gewissens als Vorbild nehmen können: Die Leipziger spielen unter Julian Nagelsmann weiterhin ein aggressives Pressing, haben aber auch Lösungen in ruhigen Ballbesitzphasen. Genau dort will Schalke hin. Und aktuell sind sie da auf einem sehr guten Weg.
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