FC Bayern München bandelt mit Jérôme Boateng an: Mehr Fragezeichen als Antworten

Der vereinslose Jérôme Boateng trainiert zwei Jahre nach seinem Abgang aus München wieder beim FC Bayern mit. Der Rekordmeister spielt offenbar mit dem Gedanken, den dünn besetzten Kader mit dem 35-Jährigen zu verstärken. Auf dem Papier durchaus nachvollziehbar. Allerdings stehen hinter der Match-Fitness des Verteidigers Fragezeichen - und auch abseits des Platzes bietet die Personalie Zündstoff.

Jérôme Boateng

Fotocredit: Imago

Es war ein wirklich spektakuläres Bundesliga-Topspiel, das sich RB Leipzig und der FC Bayern am Samstagabend lieferten. Der deutsche Rekordmeister in Nöten, dann mit einem mitreißenden Comeback. Drama am Ende, als erst Eric Maxim Choupo-Moting für die Münchner und kurz darauf Benjamin Sesko die Chance für die Sachsen auf den Sieg vergaben.
Sportlich war beim 2:2 wirklich viel geboten – und doch war es ein anderes Thema, das am Sonntagmorgen die Schlagzeilen rund um den FC Bayern beherrschte: Die Rückkehr von Jérôme Boateng an die Säbener Straße.
Was verschiedene Medien bereits am Samstag vermeldet hatten, bestätigten die Münchner nur Stunden später in einer Vereinsmitteilung höchstselbst. Ja, Boateng, der den Klub im Sommer 2021 nach zehn Jahren Richtung Lyon verlassen hatte, absolvierte einen Tag nach dem Topspiel mit den Reservisten eine Trainingseinheit. Und: "Boateng soll auch in den kommenden Tagen an der Säbener Straße mittrainieren."
Zwar handele es sich bei der Maßnahme vorerst um eine Art Testphase für den Überraschungsgast, wie die "BILD" berichtet. Ein Vertrag ist bislang nicht unterschrieben. Ganz offensichtlich spielen die Bayern aber mit dem Gedanken, den aktuell vereinslosen Boateng an die Isar zurückzuholen.

Gedankenspiel um Boateng: Ein Fehler-Eingeständnis der Bosse

Auf dem Papier eine durchaus nachvollziehbare Überlegung. Boateng soll als Ersatzmann in der dünn besetzten Bayern-Defensive fungieren.
Der mittlerweile 35-Jährige wäre die Notlösung für Bayerns Versäumnisse vor einem Monat, als man Benjamin Pavard (Inter Mailand) und Josip Stanisic (Bayer Leverkusen) zum Ende der Transferperiode abgab, aber keinen Ersatz verpflichtete.
"Es ist ein Eingeständnis der Bayern-Verantwortlichen", sagte Bayern-Legende Stefan Effenberg im "Doppelpass".
Thomas Tuchels Bedenken, der Kader sei mit nur drei Innenverteidigern und sechs gelernten Defensivspielern "auf Kante genäht", stieß bei den Vereinsoberen zunächst auf mehr Verdruss als Verständnis. Dann müsse der Trainer eben "kreativer sein", sagte CEO Jan-Christian Dreesen Anfang September.
Gesagt, getan. Als im Pokalspiel bei Preußen Münster mit Min-Jae Kim, Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt alle gelernten Innenverteidiger ausfielen, beorderte Tuchel Mittelfeldspieler Leon Goretzka und Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui in die Abwehrzentrale. "Die beiden haben gezeigt, dass es auch mal geht", meinte Tuchel. Offenbar war die Konstellation den Verantwortlichen dann aber doch eine Spur zu kreativ.
Auftritt Boateng.

Fragezeichen hinter Boatengs Match-Fitness

Klar ist: Boateng ist in München ein verdienter Spieler, war fester Bestandteil der Bayern-Mannschaften, die 2013 und 2020 das Triple unter Jupp Heynckes und Hansi Flick holten. Zudem gewann Boateng in seiner Zeit an der Isar zweimal die Klub-WM, neunmal die Meisterschaft und je fünfmal den DFB-Pokal und den DFL-Supercup.
"Er hat die Erfahrung. Und das ist ein enorm wichtiger Faktor für mich, einen Spieler zurückzuholen", so Effenberg: "Du musst ihm Pass- und Laufwege nicht mehr erklären. Das hat er drin."
Allerdings steht mittlerweile ein großes Fragezeichen hinter der Matchpraxis des Weltmeisters von 2014. Bei Olympique Lyon wurde sein auslaufender Vertrag im vergangenen Sommer nicht verlängert. Seither hält sich Boateng mit einem Personal-Trainer fit.
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Wieder nicht im Kader: Jerome Boateng

Fotocredit: SID

Schwierige Zeit für Boateng in Lyon

Auch zuvor hatte der 35-Jährige in seinen zwei Jahren in Frankreich nicht gerade für positive Schlagzeilen gesorgt. Nach einer passablen ersten Halbserie unter dem ehemaligen BVB- und Leverkusen-Coach Peter Bosz, der sich für eine Verpflichtung Boatengs stark gemacht hatte, ging es sportlich rapide bergab.
Boateng eckte immer wieder an, geriet mehrfach mit Mitspielern aneinander und wurde laut "L'Équipe" zwischenzeitlich auch aus Fitness-Gründen aussortiert, weil er auf dem Platz nicht länger als eine Stunde durchhielt.
Fortan drückte der gebürtige Berliner vor allem die Ersatzbank. Als im Oktober 2022 Laurent Blanc für den geschassten Bosz übernahm, sah es zwar noch einmal kurz so aus, als könnte sich Boateng zurück ins Team spielen, doch ein Eingriff am Meniskus warf ihn zurück. Danach spielte er auch unter dem neuen Coach keine Rolle mehr und kam in der vergangenen Spielzeit auf gerade einmal 430 Einsatzminuten.
Ob Boateng unter diesen Vorzeichen überhaupt eine Verstärkung für die Münchner wäre, darf also zumindest angezweifelt werden.

#KoanBoateng: Bayern-Fans reagieren im Netz kritisch

Zudem sorgt die Personalie Boateng in der bajuwarischen Fan-Szene für Unmut. Denn neben allen sportlichen Fragezeichen steckt der ehemalige Nationalverteidiger privat in einem langwierigen Rechtsstreit wegen angeblicher Körperverletzung.
Der 35-Jährige war im November vergangenen Jahres wegen Angriffen auf seine Ex-Freundin zu einer Geldstrafe von insgesamt 1,2 Millionen Euro verurteilt worden. Diese Entscheidung hatte das Bayerische Oberste Landesgericht zwar jüngst wieder aufgehoben. Der Prozess wird ein weiteres Mal aufgerollt.
Viele Bayern-Fans äußerten sich im Anschluss an die Meldung im Netz dennoch sehr kritisch und teilweise schockiert über die Gedankenspiele des Rekordmeisters. Der Tenor: Moralisch sei eine erneute Verpflichtung Boatengs nicht vertretbar. Auf "X" (ehemals "Twitter") etablierte sich schnell der Hashtag "KoanBoateng".
Dass der FC Bayern im vergangenen Sommer das umstrittene Katar-Sponsoring nicht verlängerte, hatte das Verhältnis zur Basis jüngst etwas besänftigt. Das Thema Boateng könnte nun zum nächsten Pulverfass werden.
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Tuchel: Haben unseren Plan "nicht mit Leben füllen können"

Quelle: Perform

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