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Bundesliga-Kolumne - Stimmungsbarometer zur Saisonhalbzeit: FC Bayern stinkig, Bayer 04 Leverkusen euphorisch

Thilo Komma-Pöllath

Update 15/01/2024 um 11:58 GMT+1 Uhr

Bayer 04 Leverkusen feiert bei eisigen Temperaturen die Herbstmeisterschaft und Trainer Xabi Alonso zelebriert frohlockend den Jubelsprung des Bundesliga-Wochenendes. Der LIGAstheniker blickt in seiner Kolumne auf die Stimmungsunterschiede bei Meisteranwärter Leverkusen und Verfolger FC Bayern und fragt sich dabei, warum Thomas Tuchel trotz des souveränen Erfolges Publikum und Spieler anzählt.

Alonso nach Last-Minute-Sieg emotional: "Das war die Belohnung"

Liebe SportsfreundInnen, dass zur Halbzeit einer Saison über den kommenden Meister spekuliert wird, ist keine große Überraschung, das passiert jedes Jahr. Dass der kommende Meister aber nicht in München verortet wird, ist vielleicht die Sensation der bisherigen Spielzeit. "Kann Leverkusen Meister werden", fragte die "FAZ" am Wochenende. Und "Bild" gab beinahe schon die rhetorische Antwort: "Ist das Xabi Alonsos Meistersprung?".
Gemeint war der Jubelsprung des Leverkusener Trainers nach dem späten Siegtreffer in Augsburg und der Bestätigung der Tabellenführung mit vier Punkten Vorsprung vor dem Serienmeister der letzten zehn Jahre. "Ein Hauch von Meisterdusel", nörgelte die in München ansässige "Süddeutsche Zeitung". Einen Dusel, den in den vergangenen Jahrzehnten die Bayern für sich reklamierten und ihm gleich einen Namen gaben, aber selbst der Bayern-Dusel kann die mit sich selbst ringenden Isarstädter derzeit nicht retten. Hinrundenmeister ist jetzt erst mal: Bayer 04 Leverkusen.

Leverkusen: Glaube und Mentalität

Versucht man also eine Zwischenbilanz zur Saisonhälfte, dann fällt auf, dass der Stimmungsunterschied zwischen den beiden Klubs, welche die Meisterschaft unter sich aus machen dürften - Bayer 04 und der FC Bayern - derzeit kaum größer ausfallen könnte. Hier Rumpelstilzchen Alonso, der sein Glück kaum fassen kann, auch weil er in Leverkusen erfolgreich an seiner Karriere als Welttrainer bastelt.
Bayer spielt aktuell mit den modernsten Fußball in ganz Europa. Und Jonas Hofmann schafft es in seiner dreiminütigen Post-Spiel-Analyse, den Bayer-Dusel in "Glaube", "Moral", "Engagement", "Mentalität", "Herzklopfen", "Glücksgefühle" und "Adrenalin" umzudeuten.
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Bayer-Coach Xabi Alonso jubelt über das Siegtor in Augsburg.

Fotocredit: SID

Und in der Tat hat der Bayer-Dusel, wer das Spiel in Augsburg gesehen hat, nur wenig mit Glück zu tun, sondern mit etwas, was gerade die in Dortmund beim BVB seit einem Jahrzehnt einfach nicht ausreichend erzeugen können: Selbstwert und innere Überzeugung. Es war nur eine Frage der Zeit, wann Bayer trifft, dann eben auch noch in Spielminute 90+4. Das ist Alonsos Bayer.

Warum so kritisch, FC Bayern?

In München wiederum herrscht nach dem Tod der größten Klubikone Franz Beckenbauer gedämpftere Stimmung. Wer könnte es den Bayern verübeln. Aber warum der ewig nörgelnde Thomas Tuchel gerade in einem solchen Moment wieder mal ein Fass aufmacht und zu einem kleinen Rundumschlag gegen Publikum und einzelne Spieler ansetzt, erscheint von außen betrachtet der Situation unangemessen. Auch die Gründe seiner öffentlichen Kritik erschließen sich kaum, weil der Winterpausen-Restart seiner Mannschaft ja durchaus gelungen war.
Ohne Not moserte Tuchel nach dem 3:0 gegen Hoffenheim öffentlich an Publikum ("Es wird mal wieder Zeit für ein Spiel mit Enthusiasmus") und an einzelnen Spieler wie Leroy Sané ("Das ist mir zu wenig") und Harry Kane ("hatte auch nicht seinen besten Tag“) " herum. So als könnte er ihnen das nicht persönlich unter vier Augen sagen. Aber vielleicht nutzt Tuchel das Kurztrainingslager im sonnigeren Portugal in dieser Woche ja als Stimmungsaufheller für sich und seine Mannen. Es ist scheinbar nötig.
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Bayer oder Bayern: Das besser gestimmte Team wird Meister

Fast scheint es, als wäre in München mit Beckenbauers Tod auch dessen grundentspanntes Selbstverständnis "Geht’s naus und spuits Fuaßboi" zu Grabe getragen worden. Davon jedenfalls ist Tuchel eine außerterrestrische Umlaufbahn entfernt. Vielleicht geht das heute auch gar nicht mehr in Zeiten des Statistik-Wahnsinns und der 100-Millionen-Ablösen.
Ob hochgezüchtete Springpferde wie Kane oder Sané allerdings jeden Tag mit der gezückten Gerte auf Temperatur gebracht werden wollen, ist mindestens mal eine Frage wert. Tuchel braucht offenbar den Gegenwind, das "er gegen alle", um seine Extraklasse noch deutlicher ins Profil stellen zu können. Xabi Alonso tickt da sichtbar anders, kritisch in der Sache, persönlich nahbar und positiv emotional.
Gut möglich, dass am Ende derjenige Deutscher Meister wird, der seinen Stimmungshaushalt besser reguliert bekommt. Wie hoch man springen kann, wenn einen die Euphorie trägt, hat man gerade an Xabi Alonso gesehen.

ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH

Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als LIGAstheniker das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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