Bundesliga-Kolumne - LIGAstheniker zu Bayer 04 Leverkusen: Ist Xabi Alonsos Zauber beim Meister schon verflogen?

Für den LIGAstheniker ist Bayer 04 Leverkusen der Verlierer des Bundesliga-Spieltags. Der amtierende Meister hat sich gegen den VfB neuen Rückstand im Titelrennen gegen den FC Bayern München eingehandelt. Der Eurosport-Kolumnist stellt sich die Frage, ob die Siegmaschine der Vorsaison ihren Flow verloren hat und der Zauber von Xabi Alonso verflogen ist. Ein Kommentar von Thilo Komma-Pöllath.

Alonso nach Remis gegen VfB: "War vielleicht unsere beste Leistung"

Quelle: Perform

Liebe FußballfreundInnen,
man kann getrost behaupten, dass ausgerechnet der amtierende Meister der große Verlierer dieses 9. Spieltages war.
Kaum spielen die Zauberer von Bayer 04 das erste Mal in der laufenden Saison zu null (gemeint ist im Fußballsprech, dass sie perfekt verteidigt haben), schießen sie im Spitzenspiel gegen Stuttgart zugleich auch kein einziges Tor. Was angesichts des Spielverlaufs (19 Torschüsse), nun ja, durchaus besorgniserregend sein könnte.
In der letzten Spielzeit wäre die Partie wohl noch 4:1 für Leverkusen ausgegangen. Wie das Tore schießen geht, können sie jetzt wieder beim Ligaprimus Bayern oder auch Frankfurt abschauen, die im Einnetzen gar nicht satt werden können - eine Domäne, die Bayer letzte Saison zum Meister gemacht hat.
Und so sei nach neun Spieltagen und sieben Punkten Rückstand auf die Ligaspitze die Frage erlaubt: Ist der Bayer-Zauber schon verflogen?

Auf der Suche nach dem Bayer-Flow

Ebenfalls besorgniserregend auch die Selbstkritik nach der Partie: Robert Andrich hatte ein "geiles Spiel" gesehen, Granit Xhaka das beste der Saison. Selbst Mastermind Xabi Alonso murmelte davon, dass der Plan aufgegangen sei. Welcher Plan? Der, keine Tore zu schießen?
Bei Bayer stockt, das kann man nach einem Saisonviertel durchaus einmal konstatieren, die Selbstgewissheit aus dem letzten Jahr. Bezeichnend dafür, wie Boniface sich in der 72. Minute in einem großartigen Laufduell gegen VfB-Verteidiger Rouault behauptete und dann, in der vermeintlich leichteren Übung, frei vor Torhüter Nübel den Ball nicht im Kasten unterbrachte. Und in der Nachspielzeit, noch so eine Ex-Domäne der Leverkusener, hätte beinahe Stuttgart den Siegtreffer erzielt.
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Bundesliga: Victor Boniface (Bayer 04 Leverkusen) scheitert an Alexander Nübel (VfB Stuttgart)

Fotocredit: Getty Images

Das Selbstverständliche geht flöten, wenn man selbst zu viel darüber nachdenkt, was man als amtierender Meister alles zu verlieren hat. Der Bayer-Flow ist erstmal weg.

Ist Leverkusen mehr als ein One-Hit-Wonder?

Man muss der Alonso-Mannschaft nicht gleich eine psychische Blockade unterstellen, aber die Ausgangssituation ist heute eine ganz andere als noch vor einem Jahr: Die Bürde der Favoritenrolle über eine ganze Spielzeit ausspielen zu können, ist mental eine andere Herausforderung. Dafür ist ein anderer Aggregatzustand nötig, will man nicht das One-Hit-Wonder bleiben. Die gab es in der Bundesliga immer mal wieder - Kaiserslautern mit Rehhagel, Wolfsburg unter Magath - gehört Leverkusen mit Alonso auch dazu?
Will Bayer sich nicht einreihen in die "Eintagsfliegen" der Liga, sondern dauerhaft ein Meisterkandidat sein, braucht es dazu, logisch, einen entsprechenden Kader und eine neue, pragmatischere Denke. Einen "Die haun wir mal weg"-Flow kann man nicht dauerhaft über 34 Spieltage generieren. Die Attitüde eines Spitzenteams ist eben auch der kühl kalkulierte Erfolg. Früher gab es mal den Ausdruck von den "Dusel-Bayern", weil sie oft mit 1:0 gewannen. Das ist damit gemeint.

Kann Bayer auch pragmatisch Fußball spielen?

Alonso kann das eigentlich auch. Wer das Bayer-Gastspiel bei den Bayern am 5. Spieltag noch vor Augen hat, der hat quasi eine Dublette gesehen - nur mit anderen Vorzeichen. Leverkusen stand, wie jetzt Stuttgart, im Auswärtsspiel hinten drin und rettete mit gefühlt einer Offensivaktion das Unentschieden (damals 1:1) über die Zeit.
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In der Bundesliga kam es im Spitzenspiel zu einem 1:1 zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen

Fotocredit: Getty Images

Alonso wusste genau, dass man den Bayern in der aktuellen Verfassung kaum etwas entgegenzusetzen hatte, also spielte man ein Spiel ohne Angriff (obwohl Wirtz, Frimpong und Boniface mitspielten), das man ihnen so kaum zugetraut hatte. Dieses Unentschieden war pragmatisch und kühl kalkuliert. Im taktischen Umschaltspiel zwischen heißer Offensive und kühler Berechnung gibt es bei Bayer von Spiel zu Spiel noch deutlichen Bedarf der Nachjustierung.

Wechselgerüchte um Alonso & Wirtz

Dass Leverkusen der Verlierer des Spieltages war, hat aber auch perspektivische Gründe. Prompt machten am Wochenende neue Gerüchte die Runde, dass nun auch Real Madrid in den Poker um Florian Wirtz eingestiegen sei. Und die Wahrscheinlichkeit des Transfers hat viel mit Xabi Alonso zu tun, der in Madrid schon länger als Nachfolger für Carlo Ancelotti gehandelt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass Alonso Wirtz mitnehmen könnte, ist hoch, sagen alle Analysten. Und dann? Eine Zukunftsfrage, die schon bald die Gegenwart des Klubs dominieren dürfte.
Eines aber ist klar: Ohne die beiden muss sich Leverkusen sowieso eine ganz neue Selbstgewissheit erarbeiten.
Kommentare bei Eurosport.de geben stets ausschließlich die Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder, nicht die der gesamten Redaktion.
ZUR PERSON: THILO KOMMA-PÖLLATH
Der Sportjournalist und Buchautor ("Die Akte Hoeneß") beleuchtet in seinem wöchentlichen Blog als das Geschehen in der Fußball-Bundesliga für Eurosport.de. Oft skeptisch, ironisch, kritisch - aber einer muss schließlich den Ball flach halten.
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Alonso wegen Sturzflut in der Heimat betroffen: "Katastrophal"

Quelle: Perform


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