Top-Sportarten
Alle Sportarten
Alle anzeigen

Bayerns magische Nacht gegen Juventus: Eine Handvoll Helden und ein Fragezeichen

Florian Bogner

Publiziert 17/03/2016 um 08:37 GMT+1 Uhr

Der FC Bayern München springt beim 4:2 nach Verlängerung gegen Juventus Turin im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League dem Tod gerade noch so von der Schippe. Pep Guardiola greift zuerst mit der Aufstellung ins Klo, zeigt dann aber doch Händchen und einen großen Auftritt. Seine Mannschaft wächst derweil weiter, bräuchte für die kommenden Runden aber einen Plan B.

Pep Guardiola macht seine Mannschaft heiß

Fotocredit: Imago

Aus der Allianz Arena berichtet Florian Bogner
Pep Guardiola war klar der Chef im Ring, alle lauschten. Breitbeinig stand er da, die Bewegungen rasten. Alles am Spanier war groß: Augen, Gesten, Gefühle. Joshua Kimmich riss er am Arm, Thomas Müller und Douglas Costa ebenso. Dazu klatschte er immer wieder die Hände aufeinander und quasselte in einer Tour.
Guardiola, voll in seinem Element. "Ich habe ihnen gesagt, dass wir kein Tor mehr kassieren dürfen“, meinte er über seine Ansprache inmitten aller Spieler vor Beginn der Verlängerung, in der sich doch noch alles zum Guten wendete für die Münchner.
Was Guardiola wollte? "Er hat uns nochmal heiß und auf die wichtigsten Dinge aufmerksam gemacht“, meinte Thomas Müller: "Wir mussten aufpassen, wollten aber unbedingt selbst das dritte Tor machen, weil wir noch Saft hatten.“

Ein Nacht für die Ewigkeit

Der Saft reichte, gerade so. 4:2 (0:2, 2:2) nach Verlängerung. Eine Europapokalnacht, die man so schnell nicht vergisst. "Hochemotional, aber auch kräftezehrend“, bilanzierte Müller. "Ich bin jetzt mehr platt als euphorisiert."
Weil Bayern gerade nochmal so davon gekommen ist. Mit Leidenschaft, dem nötigen Glück und einer Handvoll Helden.
Da wären die Torschützen vom Dienst, Robert Lewandowski und Thomas Müller, diesmal lange abgemeldet, aber dann doch mit ihren Toren zur Stelle (73./90.+1). "Das 1:2 hat uns nochmal Leben eingehaucht“, so Müller.
Sie waren es, die Bayern nach dem Rückstand durch Paul Pogba (5.) und Juan Cuadrado (28.) in die nicht mehr für möglich geglaubte Verlängerung schossen. "Als Offensivspieler wartet man immer auf die eine Aktion. Gott sei Dank kam sie noch. Dann hat’s auch gescheppert“, sagte Müller zu seinem Last-Minute-Ausgleich, der das Hinspiel egalisierte und zu Guardiolas Ansprache führte.
picture

Thomas Müller bejubelt das Tor zur Verlängerung

Fotocredit: AFP

Peps Joker stechen

Da waren aber auch die von Guardiola eingewechselten Thiago und Kingsley Coman, die das Spiel letztlich entschieden (108./110.), während Juves Max Allegri seine Besten - Sami Khedira, Álvaro Morata und Cuadrado – entkräftet auswechseln musste, holte Pep den Sieg von der Bank.
Coman, von Juventus mit Kaufoption ausgeliehen, hatte seine Füße auch schon beim 1:2 und 2:2 im Spiel, darf sich also mit Fug und Recht Matchwinner nennen. "Er hat unglaubliches Tempo, ein unglaubliches Eins-gegen-Eins“, lobte Philipp Lahm.
Und da war mit Arturo Vidal noch ein weiterer ehemaliger Bianconeri, der glänzte: Mit purem Willen hievte der Chilene die Bayern als 'emotional leader’ aus dem schon selbstgeschaufelten Grab, eroberte mit fortlaufender Uhr Ball um Ball, dass es die Fans in der Allianz Arena aus den Sitzen hob.
Von Krämpfen geplagt, leitete er sogar noch 3:2 und 4:2 ein, nachdem er schon den wichtigsten Zweikampf des gesamten Spiels direkt vor dem 2:2 für sich entschieden hatte. "Er ist ein Arbeiter, der für die Mannschaft alles gibt, läuferisch sehr stark ist und auch die Bewegungen in die Tiefe hat. Ein sehr, sehr guter Spieler“, lobte Lahm.

"Bei 0:3 wäre es aus gewesen"

Da war aber auch: eine Menge Glück. Denn die Bayern wurden von Juventus’ Aggressivität und Entschlossenheit derart überrumpelt, dass zur Halbzeit auch schon alles vorbei hätte sein können. "Wir können das 0:3 kassieren, dann wäre es aus gewesen“, sagte Lahm.
Grausig fehlerbehaftet spielten sie in Durchgang eins, durchbrachen mit ihren Pässen (925 am Ende insgesamt) kaum die erste Pressinglinie der Italiener, fanden nicht ins Positionsspiel, wurden von den Juventus-Spielern rüde rumgeschubst. "Wir haben mental eine Weile gebraucht, um auch emotional in dieses Spiel zu kommen“, sagte Sport-Vorstand Matthias Sammer.
Zu erwähnen sei auch, dass neben den vier Toren gerade mal drei weitere (Müller-)Schüsse den Weg aufs Tor von Gianluigi Buffon fanden, wohingegen Manuel Neuer rekordverdächtige neun Torschüsse entschärfen musste. Negativ war auch die Zweikampfquote (47:53 Prozent).
picture

Robert Lewandowski feiert sein Tor gegen Juventus

Fotocredit: AFP

Aufstellung kein Meisterstück

"Unser Spiel war nicht so, wie wir uns vorgestellt haben", meinte Lahm klar. "Normal können wir gegen ein solches Pressing sehr gut agieren.“ Taten sie aber nicht. "Es sah nicht gut aus, weil Juve taktisch großartig gespielt und verdient geführt hat. Aber die Mannschaft hat Moral und Charakter bewiesen und am Ende mit Glück gewonnen“, bilanzierte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.
Nicht wegzudiskutieren wäre zudem, dass Guardiola erst mal ins Klo griff mit seiner Aufstellung. Die linke Abwehrseite mit David Alaba und Medhi Benatia war Quell nahezu aller Fehler und Ungenauigkeiten, was Guardiola dadurch revidierte, dass er Benatia nach 45 Minuten in der Kabine ließ und in Juan Bernat eine recht banale Antwort aufs 0:2 zu finden versuchte.
Xabi Alonso wirkte derweil neben Vidal wie überzählig und keinen Tag jünger als 34. Costa schaffte es rechts nicht, den angeschlagenen Arjen Robben gleichwertig zu ersetzen. Guardiola kombinierte - wechselte Coman für Alonso ein und stellte Costa eins nach innen. Voila. So einfach ist es manchmal.

Plan B muss her

So steht Bayern nun zum 15. Mal im Viertelfinale, Rekord. Mit dem Fragezeichen, ob Guardiola nun, wo es wieder auf die Schlussgerade geht, die Perfektion nicht nur in Ansätzen auf den Platz bekommt, sondern auch einen Plan B entwickeln kann gegen Teams, die nur wenige Chancen für viele Tore brauchen - Real Madrid und der FC Barcelona seien da stellvertretend genannt.
"Wir können nicht auf 0:0 spielen“, hatten sie vorher unisono gesagt und beinahe bitter Recht behalten. Besser wär’s aber. "Einer Mannschaft, die den Anspruch hat, die Champions League zu gewinnen, darf das eigentlich nicht passieren“, moserte Ehren-Präsident Franz Beckenbauer aus dem "Sky“-Studio heraus.
Andererseits: "Wie heißt’s so schön? Wir leben noch!“, sagte Rummenigge. Und eine solche Nacht kann zusammenschweißen. Um ihre Stärken wissen sie ohnehin. Wie sagte Joshua Kimmich auf die Frage, wann er wieder ans Weiterkommen geglaubt habe?
"Immer. Wir sind der FC Bayern. Wir wissen, dass wir die Qualität haben, auch in den letzten zehn Minuten noch zwei Tore zu machen."
Mehr als 3 Mio. Sportfans nutzen bereits die App
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit den aktuellsten News und Live-Ergebnissen
Download
Diesen Artikel teilen
Werbung
Werbung