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Real Madrid - Atlético: Drei Fragen zum Champions-League-Finale - der Taktik-Check

Luca Baier

Update 27/05/2016 um 14:30 GMT+2 Uhr

Das Aufeinandertreffen zwischen Real Madrid und Atlético Madrid im Finale der Champions League (Samstag, 20:45 im Liveticker auf Eurosport.de) ist mehr als nur ein Stadtderby: Es ist ein Kampf zweier Fußballphilosophien, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Eurosport.de analyisert, auf welche drei Aspekte besonders ankommen wird.

Cristiano Ronaldo (Real Madrid) und Antoine Griezmann (Atlético Madrid) im Taktik-Check vor dem Champions-League-Finale

Fotocredit: Eurosport

Während Real Madrid unter Zinédine Zidane sehr dominant spielt und den Gegner mit viel Ballbesitz hinten einschnürt, sucht Atlético Madrid sein Heil im Umschaltspiel. Es wird also keinen spannenden Kampf um die Feldüberlegenheit geben – die Rollen sind ja schon durch die strategischen Grundausrichtungen der Teams klar verteilt.

Wo verteidigt Atlético?

Real wird den Ball haben, Atlético wird verteidigen. Verteidigen bedeutet unter Diego Simeone jedoch nicht ausschließlich klassische Abwehrarbeit am eigenen Strafraum. Im Gegenteil: Gerade zu Beginn der Spiele pressen die "Rojiblancos" regelmäßig sehr hoch und versuchen, den Gegner zu Fehlern zu zwingen.
Dabei schieben sie im 4-4-2 sehr weit vor und halten die Abstände zwischen den Spielern klein – so kann in Ballnähe leichter Überzahl geschaffen werden. Gewinnt Atlético in hohen Zonen den Ball, ist der Weg zum gegnerischen Tor logischerweise umso kürzer. Die dribbelstarken Spieler wie zum Beispiel Antoine Griezmann oder Saúl Ñíguez sind in diesen Situationen nur sehr schwer zu verteidigen.
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Griezmann celebrates his goal

Fotocredit: AFP

Sollte Real die erste, aggressive Pressingwelle jedoch durch das Zurückfallen von Toni Kroos und/oder Luka Modric überspielen können, zieht sich Atlético blitzschnell an den eigenen Strafraum zurück. Dort verteidigen sie primär das Zentrum, die Außenbahnen werden oft freigelassen – denn gegen Flanken sind sie durch die Vielzahl an kopfballstarken Defensivspielern im Strafraum in der Regel gut abgesichert.
Gewinnt das Team von Simeone den Ball weit in der eigenen Hälfte, wird der Raum zum Kontern größer. Diesen bespielen sie vornehmlich über scharfe flache Pässe in die Spitze, die der entgegenkommende Fernando Torres ablegt. Es folgen gelupfte Pässe über die weit aufgerückte Abwehrkette auf die nachlaufenden Spieler – nach ähnlichem Muster fiel das Tor gegen den FC Bayern im Halbfinalrückspiel.

Greift Reals Gegenpressing?

Wer gegen ein solches Abwehrbollwerk anspielt, braucht normalerweise viele Spieler, die sich am eigenen Angriff beteiligen. Da dieses konsequente Aufrücken jedoch die angesprochenen Konterräume vergrößert, muss eine Lösung zur Absicherung her. Real hat hier zwei Möglichkeiten: Die erste wäre, nach Ballgewinn direkt nachzusetzen und auf die direkte Rückeroberung zu gehen. Unter Zidane schwächelt das Gegenpressing jedoch bislang, sodass diese Variante nicht ohne Risiko ist.
Stimmen die Abstände zwischen den nachsetzenden Spielern nicht, kommt niemand so richtig in den Zweikampf – Griezmann, Koke und Co. hätten leichtes Spiel bei ihren raumgreifenden Dribblings. Gut möglich also, dass Real über weite Strecken eher vorsichtig agiert.
Dies kann sich entweder in der Anzahl der aufrückenden Spieler – es könnten beispielsweise immer einer der Außenverteidiger und Casemiro hinten bleiben – oder aber im Passspiel äußern. Anstatt Bälle in die sehr kompakte Grundformation des Stadtrivalen hinein zuspielen, könnte man risikolos um das 4-4-2 oder 4-5-1 herum spielen.
Diese beiden Maßnahmen beschneiden zwar die Offensivpower der Königlichen, würden jedoch die Probleme im Gegenpressing ausgleichen, sodass die Kontergefahr nicht allzu hoch ist.

Besteht das Kollektiv gegen die Individualisten?

Je vorsichtiger Real an die Aufgabe herangeht, desto stärker kommt es auf die individuellen Qualitäten ihrer Stars an. Gelingt es Cristiano Ronaldo, sich Freiräume in Tornähe zu verschaffen, obwohl neben ihm wohl nur maximal zwei Spieler in Strafraumnähe stehen werden? Kann Gareth Bale sich gegen doppelnde Außenverteidiger durchsetzen und seine gefährlichen Hereingaben bringen?
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Real-Stars Gareth Bale (li.) und Cristiano Ronaldo (re.)

Fotocredit: Imago

Natürlich haben die Königlichen im Vergleich zu den "Rojiblancos" die besseren Spieler in ihren eigenen Reihen – doch das konnten der FC Barcelona und der FC Bayern auch von sich behaupten. Gruppentaktisch ist und bleibt Atlético eine Klasse für sich: Verschieben, Einhalten der Abstände, Umschalten in beide Richtungen – kaum ein anderes Team "arbeitet" Fußball so diszipliniert und leidenschaftlich.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass Simeone und seine Mannschaft bei ihren Erfolgen über Barça und Bayern neben all ihrem Einsatz und ihrer taktischen Topleistung auch jeweils eine gehörige Portion (Spiel-)Glück brauchten. Denn wenn es gegen die besten Spieler der Welt geht, kann man selbst mit taktischer Perfektion nicht alles verteidigen.
Eurosport-Check: Die Rollen sind klar verteilt, Real muss in diesem Spiel die Lösungen finden. Atléticos Spiel ist zwar sehr vorhersehbar, jedoch so konsequent und taktisch fast perfekt umgesetzt, dass man gegen sie nur schwer zu Torchancen kommt.
Weil Simeones Team bei eigener Führung zudem der unangenehmste Gegner ist, den man sich vorstellen kann, wird Zidane seiner Mannschaft eine ordentliche Portion Vorsicht und Geduld verordnen. Bleibt Real jedoch ruhig und minimiert die eigenen Fehler und somit die Umschaltmomente für den Gegner, werden sie durch ihre individuelle Überlegenheit zu Torchancen kommen. Prognose: Wer das erste Tor schießt, holt den Henkelpott!
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