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Champions League: Fünf Gründe für das Bayern-Aus gegen Real Madrid

Florian Bogner

Update 03/05/2018 um 20:45 GMT+2 Uhr

Der FC Bayern München scheitert im Halbfinale der Champions League knapp an Real Madrid (1:2, 2:2) und ist nach einem heldenhaft-frustrierenden Abend in Madrid am Boden zerstört. Wer den Titelverteidiger in Hin- und Rückspiel dominiert, aber zwei Tore verschenkt, muss sich jedoch nicht übers abermalige Aus kurz vor dem Finale wundern – die zur Schau gestellte "geile Mentalität" hin oder her.

Thomas Müller und Robert Lewandowski nach dem Spiel gegen Real Madrid

Fotocredit: Imago

Aus Madrid berichtet Florian Bogner
Der FC Bayern wird nicht geschlagen. Der FC Bayern schlägt sich selbst.
Schön, wenn man sein Schicksal immer selbst in der Hand hat. Nicht so schön, wenn man wieder und wieder kurz vor dem großen Ziel, dem Champions-League-Finale, scheitert: 2014 gegen Real Madrid, 2015 gegen Barcelona, 2016 gegen Atlético, 2018 wieder gegen Madrid.
"Wir haben so viele Jungs dabei, die so oft schon so knapp gescheitert sind", sagte Thomas Müller am Dienstagabend in Madrid niedergeschlagen. "Wir müssen uns die Frage stellen, was wir in diesen Momenten falsch machen, wenn wir immer so knapp ausscheiden."
Mats Hummels sagte:
Es tut mehr weh als letztes Jahr. Und es wird in zehn Jahren noch weh tun.
Eurosport nennt fünf Gründe, warum Bayern das Finale abermals hauchdünn verpasste.

Die Wucht der individuellen Fehler

Frappierend, wie sich Bayern in der Champions League zuletzt immer wieder im Weg stand: 2016 gegen Atlético verschoss Thomas Müller einen Elfmeter, 2017 gegen Real war es Arturo Vidal, zudem leisteten sich Javi Martínez (Hinspiel) und Vidal (Rückspiel) Platzverweise. Diesmal patzten Rafinha (Hinspiel) und die Co-Produzenten Corentin Tolisso/Sven Ulreich entscheidend, zwei Tore waren der unverdiente Lohn für Real.
"Er wollte wohl zuerst mit der Hand hingehen und hat zu spät gemerkt, dass er das nicht durfte. Das war ein gravierender Fehler, aber schon der Pass zurück hätte so nicht gespielt werden dürfen", analysierte Heynckes die Situation rund ums "kapitale Koordinationsversagen" (ZDF-Experte Oliver Kahn) seines Keepers.
Freilich kann man argumentieren, Bayern habe am Ende ein Tor zu wenig erzielt. Anders kann man genau so gut sagen: Sie haben mindestens eins zu viel kassiert. Zu Null in Europa, das hat auch Heynckes in seiner vierten Amtszeit nicht geschafft: Bayern wartet mittlerweile seit 14 Champions-League-Auswärtsspielen auf ein Ergebnis ohne Gegentor - auch eine Frage von Qualität.
"Zwei Tore im Bernabéu müssen eigentlich für einen Sieg reichen, das ist das Problem", sagte der Trainer:
Wir haben in beiden Spielen Geschenke an Real Madrid verteilt.

Fehlende Klasse vor dem Tor

Als Robert Lewandowski kurz vor Schluss einen Zweikampf verlor und danach die Schultern hängen ließ, kam Sandro Wagner und schüttelte ihn kräftig. Die Körpersprache des Mittelstürmers: mangelhaft. Auch im Rückspiel schaffte es der Pole nicht, seine Kritiker zu widerlegen - wie schon im Hinspiel, gegen Sevilla und im Rückspiel bei Besiktas traf er nicht, macht fünf torlose K.o.-Spiele in Folge.
Zwei Torschüsse in Halbzeit eins, keine Torschussvorlage, kaum Bindung zum Angriffsspiel - Lewandowski wartete im Strafraum auf Zuspiele, die er nicht bekam; teils, weil er nicht richtig bedient wurde, teils aber auch, weil er gegen Sergio Ramos (gewann acht von zehn Zweikämpfen) und Raphael Varane nicht ankam.
Die fehlende Klasse vor dem Real-Tor nur an Lewandowski fest zu machen, wäre jedoch falsch. 39 Torschüsse feuerten alle Bayern in 180 Minuten ab, nur drei fanden den Weg ins Tor, zwei durch Rechtsverteidiger Kimmich.
"Es tut sehr weh, dass wir diese super Möglichkeit verpasst haben, denn es war so viel mehr drin" ,sagte Müller, der auch im siebten Spiel gegen Real ohne Tor geblieben war.
Dem Mittelfeld fehlte dabei außer durch James Rodríguez die Gefahr aus der zweiten Reihe, Müller verirrte sich mehrfach im Strafraum, Franck Ribéry sprang der Ball im entscheidenden Moment zu oft vom Fuß, Standardsituationen verpufften. So machte Bayern viel zu wenig aus insgesamt 97 (!) Zuspielen in den Strafraum in Hin- und Rückspiel.
"Wenn diese beiden Mannschaften gegeneinander spielen, wird es immer wild. Wir haben in beiden Spielen schlecht verteidigt, aber die Fehler genutzt", freute sich Toni Kroos auf Real-Seite.

Unwucht im Angriffsspiel

Wenn man so will, gab's den ersten Tiefschlag im Duell der beiden europäischen Schwergewichte schon in Runde eins: als Arjen Robben im Hinspiel nach nur fünf Minuten vom Platz musste und Bayern keinen Flügelstürmer mehr als Ersatz bringen konnte.
Ohne den Niederländer auf Rechtsaußen schaffte es Bayern in beiden Partien nur unzureichend, das Spiel über beide Flügel gleichermaßen aufzuziehen und damit die große Real-Schwäche bei Spielverlagerungen noch öfter auszunutzen.
In Madrid jedenfalls liefen nur 27 Prozent der Bayern-Angriffe über rechts und den emsigen Joshua Kimmich; Thomas Müller war als verkappter Rechtsaußen schließlich mehr in den Halbräumen unterwegs oder suchte die Läufe in den Strafraum.
43 Flanken schlugen Bayerns Außen in beiden Spielen in Reals Strafraum, Torgefahr beschworen aber nur eine Handvoll davon herauf - zu wenig.

Keine Optionen mehr auf der Bank

Am Ende blieb die Erkenntnis, dass der Ausfall von Robben nach dem bereits richtig schmerzhaften Aus von Kingsley Coman für Bayerns Offensive vielleicht der eine zu viel war.
"Ich habe nie gejammert über die Verletzten, aber wenn man in so einem Spiel keine Alternativen zum Nachlegen hat, dann wird es schwierig", sagte Heynckes.
Wo Real Madrid im Hinspiel mit Marco Asensio den Siegtorschützen einwechseln und im Rückspiel mal eben locker Gareth Bale von der Bank bringen konnte, hatte Heynckes in Sandro Wagner in Madrid nur eine einzige Offensivoption.
Die restlichen Bankspieler hießen: Javi Martínez (kam als letzte Option), Sebastian Rudy, Rafinha, Niklas Dorsch und Lars Lukas Mai. Damit macht man Real keine Angst.
"Obwohl wir auch ein paar Ausfälle haben, legen wir eine geile Mentalität an den Tag. Wir sind letzten Endes aber ausgeschieden. Ein geiler Fight bringt uns da auch nichts", sagte Hummels.
Mit Serge Gnabry hat Bayern kommende Saison eine weitere Offensivoption, Ribéry und Robben haben allerdings ihre Vertragsangebote (bis 2019) noch nicht angenommen.

Kein potenzieller Matchwinner

2012, als Bayern letztmals in Madrid weiter kam, parierte Manuel Neuer im Elfmeterschießen den Schuss von Cristiano Ronaldo - sechs Jahre später verursachte sein Vertreter Sven Ulreich das Gegentor, das Bayerns Aus bedeutete. Ulreich parierte letztlich in 180 Minuten weniger Bälle, als er rein ließ (3 Paraden, 4 Gegentore). Keylor Navas wurde dagegen auf der Gegenseite zum Matchwinner (acht Paraden alleine in Madrid).
"Navas war Weltklasse und hat gezeigt, was auch einen Unterschied ausmachen kann - und das ist die Torwart-Leistung", sagte Oliver Kahn im "ZDF".
Auch weiter vorne auffällig in Hin- und Rückspiel: Bayern hatte keinen Ausnahmespieler in seinen Reihen, der das Spiel entscheidend beeinflusste. James Rodríguez zeigte über zwei Spiele gesehen noch die auffälligste Leistung, ist aber (noch) nicht der Spieler, auf den bei Bayern alles zugeschnitten ist.
Bayerns Leistung war eine hervorragende Mannschaftsleistung, das ja, individuell aber war bei vielen Spielern, vor allem offensiv, deutlich Luft nach oben.
Anders ausgedrückt: Wenn ein Innenverteidiger (Hummels) und der Sechser (Thiago) die meisten erfolgreichen Dribblings in einem Champions-League-Halbfinale abliefern (je 3), fehlte einfach eine wichtige Komponente: die Kunst, sich in Eins-gegen-Eins-Situationen zu behaupten und so klare Torchancen heraufzubeschwören.
Ribéry war diesbezüglich in Madrid ein Totalausfall, gewann nur einen von elf Zweikämpfen - und das, obwohl bei Real mit Lucas Vázquez ein Offensivspieler rechts verteidigte.
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