Heinrich-Blog: FC Liverpool und Jürgen Klopp - eine perfekte Symbiose

Jetzt bin ich bereit. Jetzt, mit der Musik von Richard Rodgers im Ohr. Ich war natürlich noch nie in der Kabine des FC Liverpool und weiß nicht, was "Kloppo" seinen Spielern vor einem Match sagt. In welcher Tonart. Flüsternd und leise, dann fordernd und laut. Die Stimme hebend und senkend. Aufmerksamkeit generierend.

Die Fußballsprache ist nicht so kompliziert. Franz Beckenbauer hat das einmal auf die einfache Formel gebracht: "Geht's raus und spielt's Fußball." (schon übersetzt, denn er sagte es wohl im bayerischen Dialekt). Jürgen Klopp kann es sich noch einfacher machen. Gar nichts sagen nämlich. Ich würde das vor dem Finale in Kiew gegen Real Madrid wohl so machen (lasst mich halt ein wenig träumen…). Ich würde das Video zeigen, auf einer möglichst großen weißen Wand. Das Video von "Gerry & The Pacemakers".

Es ist mit den Bildern von Menschen aus Liverpool die für mich einzig identische Fassung für "You'll never walk alone", dem Song, den auch keine andere Fangemeinde mit so viel Herzblut intonieren kann wie die Anhänger des FC Liverpool in der Anfield Road. Das ist Gänsehaut pur. Und wer wie ich sowieso sehr anfällig ist für Gefühlskino kann sich von diesem Hit aus einem Broadway-Musical eigentlich nur berauschen lassen. Das eröffnet neue Ebenen. Musikalisches Doping. "You`ll never walk alone."

Vielleicht ahne ich, warum ausgerechnet Jürgen Klopp, der mit seinem emotionalen Verhalten an der Seitenlinie während eines Spieles vielfach polarisiert, wieso gerade er sich als erste Auslandsstation seines Trainerlebens den FC Liverpool ausgesucht hat. Es ist kein seelenloser Oligarchen-Klub. "The Reds" sind Tradition pur.

Es gibt den Verein seit 1892. Man hat 18 Meistertitel geholt und fünfmal den Europapokal der Landesmeister bzw. die UEFA-Champions-League gewonnen. Drei UEFA-Cup-Siege kommen dazu. Aber die nackten Zahlen und Erfolge der Vergangenheit sind eingebettet in Schicksale, wie sie wohl auch kein zweiter Club überstehen musste.

1985 waren Liverpool-Fans maßgeblich an der Heysel-Katastrophe beteiligt. 39 Fans von Juventus Turin fanden damals den Tod. Der FC Liverpool wurde sieben Jahre von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Vier Jahre später starben 96 Anhänger des FC Liverpool bei der Hillsborough-Katastrophe in Sheffield. "You'll never walk alone" fand danach den Weg in die Herzen der Liverpool-Fans.

Dieser Verein ist anders. Jürgen Klopp irgendwie auch.

Auf der einen Seite ist er sicher ein kühler Analytiker, dem ich begeistert zugehört habe, wenn er Spiele in ihre Einzelteile zerlegte. Ein aufbrausender, unbeherrscht wirkender Teufel ist er mitunter, wenn sein Team spielt. Und wie es spielt. Eben auch anders. Immer Volldampf, bis der Deckel in die Stratosphäre explodiert. Erster Gang, zweiter Gang Fehlanzeige. Immer wird das Gaspedal durchgedrückt. Zwei Gegentore. Egal. Fünf geschossen. Das Klopp-Verständnis vom arbeitenden und aufopferungsvoll spielenden Kicker kam schon in Dortmund an.

Es hat wohl keinen anderen Verein geben können für ihn als den FC Liverpool. Die Wahl war deshalb wohl auch Kalkül und eine klare Gegenüberstellung seiner Wesenszüge und der Ansprüchen des Vereins. Es ist eine perfekte Symbiose geworden.

In Liverpool wird "malocht" und Geschichte geschrieben. In vielerlei Hinsicht. Auch musikalisch. Klar, denn die Beatles haben seinerzeit die Liverpooler Beatmusik in die Welt hinausgetragen. Jürgen Klopp kann am Wochenende der Fußball-Welt den "Spirit of Liverpool" vermitteln. Ich freue mich darauf. Und ich bin sicher, ich stehe da nicht alleine da mit dieser Einstellung, ganz im Sinne der mittlerweile großen Fußballhymne. "You`ll never walk alone." Ich bin bereit.

Wenn Du durch den Sturm gehst

Halte Deinen Kopf oben und fürchte Dich nicht vor der Dunkelheit

Geh weiter, geh vorwärts

Mit Hoffnung im Herzen

Und Du wirst niemals alleine gehen

Du wirst niemals alleine gehen.