Heinrich-Blog: Sieger Sergio Ramos als moralischer Verlierer
Publiziert 29/05/2018 um 13:48 GMT+2 Uhr
Für Eurosport-Experte Sigi Heinrich steht fest, dass Champions-League-Sieger Sergio Ramos der moralische Verlierer des Finales ist. Mit seinem Foulspiel an Liverpool-Star Mohamed Salah und seinem Rempler gegen Loris Karius griff der Kapitän von Real Madrid zu den primitivsten Mitteln, um seine Gegner zu schwächen oder auszuschalten. Dafür gibt's von Heinrich die Rote Karte.
Sergio Ramos (Real Madrid)
Fotocredit: Imago
Das Finale der Champions League in Kiew ist nun schon ein paar Tage Geschichte. Dass darüber noch immer diskutiert wird, dass die Schlagzeilen sogar jetzt noch im Boulevard sich mit diesem Match beschäftigen, liegt an der Besonderheit dieses Spieles, das, so könnte man es ja auch sehen, perfekte Unterhaltung war. Jubel und Tränen, Freud und Leid lagen so dicht beieinander wie selten zuvor. Die Gefühlswelt offenbarte sich in all ihren möglichen Facetten. Natürlich ist besonders der deutsche Torhüter Loris Karius der Fixstern, um den sich jetzt die Geschichten drehen, weil seine Fehler offensichtlich waren und von derart krassem Ausmaß, dass man sich kaum erinnern mag, wann einem Schlussmann zwei solche Böcke in einem Endspiel passierten.
Der eigentliche Schlüsselmoment
Doch das Thema Karius lenkt ab vom eigentlichen Schlüsselmoment in diesem Match. Jener Aktion des spanischen Kapitäns Sergio Ramos gegen Liverpools Torjäger Mohamed Salah. Als der Ägypter danach ausgewechselt wurde, war es, als hätte man der Mannschaft von Jürgen Klopp den Stecker gezogen. Der anfänglich so begeisternde Schwung der "Reds" erlahmte in diesem Moment.
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Sergio Ramos foult Mohamed Salah
Fotocredit: Getty Images
Ramos hatte sein Ziel erreicht. Und das auf sehr subtile Art und Weise. Aus seiner Sicht: Er hakte sich bei Salah unter, riss ihn mit sich zu Boden in bester Ringermanier und fiel dann mit seinem gesamten Körpergewicht auf seine Schulter. Die einen mögen sagen: Na ja, war ein harter Einsatz und möglicherweise war die Verletzungsfolge bloß ein blöder Zufall. Die andere Sichtweise, und das ist meine, sieht anders aus. Es war eine gute Gelegenheit für Ramos, Salah zu demonstrieren, dass Real mit allen Tricks kämpft, um die Schale neuerlich zu gewinnen. Ramos nahm billigend in Kauf, dass der Gegenspieler, den sie bei Real am meisten fürchteten, Schaden nehmen würde. Für mich war es eine gezielte Aktion und eines Kapitäns von Real Madrid nicht würdig.
Rammbock Ramos
Allerdings ist Sergio Ramos nicht unbedingt als Filigrantechniker bekannt. Er ist der Rammbock der Madrilenen. 24 Platzverweise begleiten seine Karriere. Und nur so nebenbei: Bevor Karius den Ball an den Fuß von Benzema warf, von dem er dann aufreizende langsam über die Torlinie kullerte, wurde er von einem Ellenbogen am Kopf getroffen. Jenem von Sergio Ramos. Ein direkter Zusammenhang freilich lässt sich daraus nicht ableiten. Nachdenkenswert ist es dennoch.
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Sergio Ramos und Loris Karius
Fotocredit: Twitter
Es ist augenscheinlich also doch noch so wie es immer war. In jeder Liga der Welt und sogar auf allerhöchstem Niveau. Man nehme sich den wichtigsten Spieler des Gegners zur Brust und schalte ihn mit einer gekonnten Aktion aus. Auf ihn mit Gebrüll. Oder auf sie alle. Natürlich ist eine gewisse Körperlichkeit Teil des Spieles. Fußball war und ist nichts für zarte Gemüter. Aber klar und offensichtlich ist und bleibt die Tatsache, dass nach wie vor die Brutalität zumeist diejenigen am heftigsten spüren, die besser sind als ihre Gegenspieler. Die einfach besser Fußball spielen können. Wie ist Messi zu stoppen? Gar nicht eigentlich, wenn man ihm nicht auf die Füße tritt. Mindestens. Der Strafraum ist sowieso schon ein ungemütlicher Ort und für die Unparteiischen ist längst nicht mehr einsehbar, wer wen am Trikot zieht und zerrt.
Das Leiden der Besten
Sergio Ramos wird sich als großer Sieger fühlen. Kann er, natürlich. Er hat eine optimale Leistung gezeigt und seinen Auftrag erfüllt. Ob dieser nun direkt an ihn gerichtet wurde, verbal also, spielt keine Rolle. Er hat es für mich ganz klar als seinen Job angesehen, Salah zu Boden zu werfen, weil er ihm fußballerisch klar unterlegen ist. Den Engländern hingegen könnte man im Gegenzug vorwerfen, dass sie sich zu blauäugig verhalten haben. Sie haben Ronaldo in Ruhe gelassen und stets versucht, ihn mit fairen Mitteln zu stoppen, wohlwissend, dass sein linker Knöchel anfällig wäre. Und das ist ihnen sogar gelungen. Auch deshalb ist für mich Jürgen Klopp trotz seiner sechsten Endspielniederlage ein moralischer Sieger und Sergio Ramos ein Verlierer, weil er zum primitivsten aller Mittel gegriffen hat, um zu gewinnen: Nämlich den Gegenspieler so zu schädigen, dass er nicht mehr mitspielen kann.
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