José Mourinho in Norwegen gedemütigt: 6:1 gegen die AS Rom - das Wunder von Bodö

José Mourinho erlebt mit der AS Roma beim FK Bodö/Glimt in der UEFA Europa Conference League mit 1:6 ein historisches Debakel: Auf dem nordnorwegischen Kunstrasen rutschen die Italiener böse aus. Während beim Underdog Partystimmung angesagt ist und sogar der Premierminister mitfeiert, nimmt der Roma-Coach die Niederlage großmütig auf seine Kappe - verteilt aber auch Seitenhiebe.

José Mourinho - FK Bodö/Glimt vs. AS Rom

Fotocredit: Getty Images

José Mourinho saß im Warmen, während draußen der Wind pfiff. Und alles hing an seinen Lippen.
"Dafür gibt es keine Worte", sagte der Trainer der AS Rom am Donnerstagabend im Presseraum des Aspmyra-Stadions vom FK Bodö/Glimt und blickte dabei so mürrisch drein, wie er nur konnte: "Es sah aus als würden die Glimt-Spieler mit dem Motorrad fahren, während unsere Verteidiger auf dem Fahrrad unterwegs sind."
Wer schon mal Ende Oktober in Nordnorwegen war, der weiß: Man muss auf relativ viel vorbereitet sein. Die Sonne zeigt sich hier nördlich des Polarkreises nur für wenige Stunden am Tag, die Temperaturen tendieren gen Null, dazu pfeift einem oft ein ekelhaft schneidiger Wind um die Ohren.
Jose Mourinho dachte, er sei vorbereitet - und kassierte die heftigste Abreibung seines Lebens. Bodö/Glimt 6, Roma 1. So stand es am Donnerstagabend auf der Anzeigetafel. Die neugeschaffene UEFA Europa Conference League hatte ihren ersten magischen Abend. Und Mourinho musste konstatieren: "Es ist ein Schock."

Mourinho verzichtete auf Abschlusstraining vor Ort

Das Desaster für die Mourinho-Truppe begann genaugenommen schon bei der Anreise. Erst um 18:45 Uhr Ortszeit kam die Roma am Mittwochabend nach über vier Stunden Flug in Bodö an, laut Mourinho, der direkt zur Pressekonferenz hastete, war der Anflug mehr als windig und die Landung etwas holprig gewesen.
Die Delegation der AS stiefelte anschließend nur ein bisschen auf dem Kunstrasen des Aspmyra-Stadions herum, das Abschlusstraining hatte vormittags noch in Rom stattgefunden. Die Spieler konnten sich also nicht wie üblich an die Bedingungen herantasten – Mourinho wollte es so.
Doch die Umstände sollten keine Ausrede sein: Das machte der Portugiese selbst klar, als er demonstrativ im Schneeregen seine Jacke auszog und sich kurz im T-Shirt präsentierte.

Bodö glimmt nicht, Bodö brennt

"Fußball ist auch ein Wintersport", hatte er kurz zuvor auf der Pressekonferenz gesagt. Seinen Mannen konnte er das jedoch offensichtlich nicht so recht einbläuen.
Im Spiel das Unheil schon nach acht Minuten seinen Lauf: Erik Botheim traf gegen die ungewohnt in Blau spielenden Römer zur Führung. Mourinhos Unterlippe zuckte. Als Bodö-Kapitän Patrick Berg zum 2:0 einhufte (20.), sah man bei Mourinho schon das Weiße in den Augen.
Nur mühsam fand die Roma bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ins Spiel, kam zu ersten Chancen und auch zu einem Treffer. Das 1:2 durch Carles Pérez (28.) sollte jedoch nur ein Strohfeuer bleiben.
Stattdessen glimmte Bodö nicht nur, es brannte: erneut Botheim (52.), Ola Solbakken (71./80.) und Amahl Pellegrino (78.) schraubten das Ergebnis in der zweiten Halbzeit in historische Höhen – Mourinhos Kaugummi konnte einem leidtun.

Bodö/Glimt in Partystimmung

In zuvor 1007 Pflichtspielen hatte ein Mourinho-Team zuvor noch nie sechs Gegentore in einem Spiel kassiert. Fassungslos und bedröppelt standen die Roma-Spieler nach dem Spiel vor der Gästekurve und wurden von den rund 400 Fans, die die Reise an den Polarkreis auf sich genommen hatten, verhöhnt und ausgepfiffen.
"Wir haben eine Tracht Prügel bekommen und wir haben sie uns redlich verdient. Ich bin nicht besorgt, ich bin sauer", sagte Roma-Kapitän Lorenzo Pellegrini. Auf der anderen Seite war der Jubel groß. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", stammelte Doppeltorschütze Botheim: "Ich weiß nicht mal, wo ich gerade bin. Die letzten zehn Minuten bin ich rumgelaufen wie in Trance. Das ist einfach nur krank."
Trainer Kjetil Knutsen, der sich vor der Party im Vergleich mit Mourinho schon scherzhaft "The Pretty One" (Der Schöne) genannt hatte und nach dem historischen Match prompt "The 6-1-One" getauft wurde, konnte es ebenfalls kaum glauben.
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Bodö brennt! Norweger feiern Kabinenparty nach 6:1 gegen AS Rom

Quelle: Eurosport

Sogar der Premierminister meldet sich

"Wir haben das Spiel bis auf zehn Minuten von A bis Z dominiert", sagte er ungläubig: "Ich bin unfassbar stolz auf meine Jungs." Auch der aus der deutschen Bundesliga bekannte Nationaltrainer Stale Solbakken meldete sich, meinte: "Das ist groß, etwas für die Geschichtsbücher."
Der Erfolg Bodö/Glimts stehe in einer Reihe mit den Champions-League-Erfolgen Trondheims in den 90er Jahren, dem 3:2 von Tromsö 1997 gegen Chelsea und dem 2:0 von Lilleström gegen das große Ajax 1977.
Ex-Duisburg-Profi und Glimt-Legende Jahn Ivar "Mini" Jakobsen meinte zu Eurosport Norwegen: "Ich bin vor dem Fernseher ausgeflippt, komplett hohlgedreht. Das hätte ich mir nie träumen lassen. Unfassbar." Und sogar Ministerpräsident Jonas Gahr Störe gratulierte zur "tollen Leistung" und hoffte bereits auf "eine Fortsetzung".
Selbst im benachbarten Schweden staunten sie nicht schlecht. "Bodö/Glimt 6, Roma 1", schrieb das "Aftonbladet", "ja, Sie haben richtig gelesen".

Mourinho nimmt Schuld auf sich

Mourinho hatte derweil gleich eine Erklärung parat. "Wir haben gegen ein Team gespielt, das mehr Qualität gezeigt hat. So einfach ist das", meinte er. Und behauptete: "Ihre A-Mannschaft ist ein deutlich besseres Team als unsere B-Mannschaft."
Was freilich nur zum Teil stimmt. Richtig ist, dass Mourinho nur die zweite Garde antreten ließ. Die war mit einem zusammengerechneten Marktwert von 125 Millionen Euro aber immer noch individuell deutlich stärker besetzt als die Norweger mit acht Millionen Euro Marktwert. Oder anders gesagt: Für Mourinhos Startelf hatte Rom 68 Millionen Euro in Transfersummen investiert, Bodö/Glimt für seine gerade Mal 650.000 Euro.
Und so wusste auch Mourinho, dass er aus der Nummer nicht mehr gut rauskommen würde. "Es ist mein Fehler. Ich wollte der ersten Garde nach dem Spiel bei Juventus eine Pause geben. Ich habe so aufgestellt, also bin ich verantwortlich", sagte er selbstkritisch.
Er habe das "mit den besten Absichten getan, um denen, die hart trainieren, eine Chance zu geben und um ein bisschen Rotation ins Team zu bringen für so ein Spiel auf Kunstrasen bei schlechtem Wetter", argumentierte er.

Ungemütliche Tage bei der Roma

Die "Gazetta dello Sport" sah einen "Albtraum für Mourinho", dieses "historische Fiasko" bringe "unendliche Schande" über den Klub. Der "Corriere dello Sport" schrieb von einer "Niederlage nicht annehmbaren Ausmaßes", für "Tuttosport" war es ein "geschichtsträchtiger K.o." und eine "Blamage für Mourinho".
Vielleicht, sinnierte der Trainer, habe seine B-Elf auf dem Kunstrasen 80 km nördlich des Polarkreises "Angst vor Verletzungen oder dem Unbekannten" gehabt, "aber ich will keine Ausreden suchen". Im Rückspiel am 4. November werde er jedenfalls seine beste Elf bringen, "weil ich muss".
Mourinho wäre allerdings nicht Mourinho, hätte er nicht gleichzeitig bessere Spieler gefordert. "Ich habe nie ein Geheimnis draus gemacht, dass unser Kader limitiert ist", zündelte er. Nach seiner Rechnung habe er lediglich "13 Spieler für die erste Elf, die anderen haben ein schwächeres Niveau" - Aussagen, über die sich jeder Ersatzspieler freut.
So richtig gemütlich wird's in der Roma-Kabine nach dem Spiel ohnehin nicht gewesen sein. "Jede Niederlage hinterlässt Narben. Ich habe bereits sehr offen und aufrichtig mit den Spielern gesprochen", erklärte Mourinho noch. Wie sich das ungefähr angehört hat, dürfte klar sein.
Doch wer Mitte Oktober nach Nordnorwegen kommt, muss sich eben auf alles gefasst machen.
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Quelle: Perform

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