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VfL Bochum | Trainer Thomas Reis über die Liga-Krise und den Pokalkracher gegen Bayern

Andreas Morbach

Update 29/10/2019 um 19:43 GMT+1 Uhr

Am Dienstag empfängt der VfL Bochum in der Zweiten Runde des DFB-Pokals ausgerechnet den FC Bayern. Dabei läuft es derzeit alles andere als rund bei den Blau-Weißen. In der 2. Bundesliga befindet sich das Team auf einem enttäuschenden 16. Platz - der Absturz in die 3. Liga scheint immer näher zu rücken. Im exklusiven Eurosport.de-Interview spricht Trainer Thomas Reis vor dem Pokalkracher Klartext!

Thomas Reis

Fotocredit: Imago

Das Interview führte Andreas Morbach
Herr Reis, ist das Pokalspiel gegen die Bayern für Sie eigentlich eine willkommene Abwechslung? Oder würden Sie in Anbetracht der aktuellen sportlichen Schieflage Ihrer Mannschaft lieber etwas öfter trainieren?
Thomas Reis: Wenn man es positiv sieht, ist es eine Abwechslung für uns. Es ist ein anderer Wettbewerb, in dem wir gegen eine der besten Mannschaften Europas spielen. Wenn man sieht, wie viele Gegentore wir in der Zweiten Liga bekommen haben, erwartet uns da sicher ein hartes Stück Arbeit, was die Defensive anbelangt. Der Pokal an sich ist großartig, es hätte allerdings gerne auch ein anderes Kaliber als Bayern sein dürfen. Nun nutzen wir das Los als Chance. Denn es ist eine Gelegenheit, sich anders zu präsentieren als zuletzt in der Liga.
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Thomas Reis

Fotocredit: Getty Images

Vor dem 1:2 in Kiel am Freitag hatten Sie eine längere Aussprache mit der Mannschaft. Viel bewirkt hat dieses Intensivgespräch offensichtlich nicht.
Reis: Wir haben ein ganz normales Gespräch geführt, nach fünf Wochen der Zusammenarbeit. Wir haben zu wenig Punkte geholt, waren aber auch, bis zu der Partie in Kiel, die fünf Spiele unter meiner Regie ungeschlagen [davon vier Remis, Anm. d. Red.]. Wir wissen, wie eng unsere Spiele immer sind – und dann setzt man sich eben mal zusammen. Von Rückschlägen darf man sich nicht umwerfen lassen, muss stattdessen die Gründe ansprechen und fragen, warum was wie passiert. Dennoch haben wir in Kiel die ersten zehn Minuten verschlafen. Letztlich sind wir punktemäßig und ergebnistechnisch in der Krise.
Bayern München ist im Pokal fast schon Dauergast in Bochum, spielt dort jetzt zum dritten Mal in den vergangenen acht Jahren. Beim letzten Duell im Februar 2016 lag der VfL noch auf Tuchfühlung zum Relegationsplatz für die Bundesliga. Ganz oben standen damals die heutigen Top-Teams Leipzig und Freiburg, Bochum dagegen droht inzwischen der Absturz in die Dritte Liga. Was ist in den letzten dreieinhalb Jahren falsch gelaufen beim VfL?
Reis: Da bin ich der falsche Ansprechpartner, weil ich im fraglichen Zeitraum in Wolfsburg für die U19 verantwortlich war und erst vor wenigen Wochen nach Bochum zurückgekehrt bin. Nachdem die Mannschaft schon schwer in die Saison gestartet ist, haben wir unter meiner Regie fatalerweise viele Punkte nach eigener Führung fahrlässig abgegeben. Die Liga ist eng, da entscheiden Kleinigkeiten. Wir stecken im Abstiegskampf, davor verschließen wir nicht die Augen. Bis zur Winterpause müssen wir Stabilität ins Team bekommen, damit wir punkten und den Anschluss nicht verlieren. Dann muss man das Ganze erneut analysieren – aber bei neun Punkten nach elf Spielen ist auch klar: Das wird ein sehr, sehr langer Weg.
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Thomas Reis, Trainer VfL Bochum

Fotocredit: Eurosport

Der nächste Gegner ist Nürnberg, doch vorher geht’s gegen die Bayern.
Reis: Gegen die Bayern sind wir krasser Außenseiter. Gerade in so einem Spiel kann man versuchen, etwas Positives herauszuziehen. Das ist unser Ziel – dass wir bestmöglich verteidigen, dabei aber auch offensive Nadelstiche setzen. Das Bayern-Spiel soll mit dazu beitragen, dass unser Spiel in Zukunft besser wird.
Wie gehen Sie dieses Pokalduell prinzipiell an?
Reis: Für uns hat die Liga absolute Priorität. Bei den Bayern ist auch noch nicht alles nach Wunsch verlaufen. Trotzdem führen sie ihre Champions-League-Gruppe souverän an und haben in der Bundesliga soeben Union Berlin geschlagen. Ich war selbst Spieler und kann sagen, dass ich es sensationell finde, dass diese Mannschaft jedes Jahr Topleistungen abruft – und selbst in Schwächephasen immer diese Gier auf Erfolg behält. Egal, wer da spielt und wie viele Titel jeder Einzelne schon gewonnen hat. Das finde ich einfach bemerkenswert, davor habe ich absoluten Respekt.
Der VfL Bochum spielte in Ihrer Karriere – erst als Spieler, dann als Scout und später als Trainer – eine zentrale Rolle. Welche Bedeutung hat der Klub für Sie persönlich?
Reis: Ich war 15 Jahre in verschiedenen Funktionen für diesen Verein tätig, bin jetzt wieder zum VfL zurückgekehrt. Für mich persönlich ist das einfach ein besonderer Verein. Und dass ich jetzt die Verantwortung für die wichtigste Mannschaft im Klub bekommen habe, macht mich auch stolz. Als Trainer versuche ich weiterzugeben, wie man mich auch als Spieler erlebt hat. Auch da gab es öfter mal Phasen zwischen Erster und Zweiter Liga, wo wir uns trotzdem immer wieder rausgekämpft haben. Ich weiß, wie das Umfeld tickt. Nach dem Spiel in Kiel war ich deshalb direkt am Zaun und habe mit den Fans gesprochen – die natürlich absolut frustriert sind. Deren Ängste und Sorgen sind zu spüren. Ich finde, das muss die Mannschaft mitbekommen. Deswegen haben wir auch gesagt, wir gehen gemeinsam dort hin.
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Thomas Reis im Oktober 2019

Fotocredit: Eurosport

Wattenscheid ist seit 1975 ein Stadtbezirk von Bochum. Bei Wattenscheid 09, von 1990 bis 1994 erstklassig, wurde Anfang Oktober das Insolvenzverfahren eröffnet, in der vergangenen Woche dann der Spielbetrieb der ersten Herrenmannschaft in der Regionalliga eingestellt. Was macht so etwas mit einer Stadt wie Bochum – und mit dem VfL?
Reis: Das ist natürlich unheimlich traurig. Ich kann mich noch an mein erstes Bundesligator erinnern, das habe ich damals für Eintracht Frankfurt gegen Wattenscheid 09 geschossen. Als ich nach Bochum kam, gab es noch das Derby mit Wattenscheid in der Zweiten Liga. Bei aller Brisanz, und auch wenn sich Wattenscheid und Bochum logischerweise nicht immer ganz grün waren: So ein Konkurrent fehlt jetzt natürlich – und man darf die Augen nicht davor verschließen, was mit solchen Vereinen innerhalb von ein paar Jahren passieren kann, wenn es sportlich nicht mehr so läuft. Wir werden alles dafür tun, dass wir die Stadt Bochum und den VfL so vertreten, dass er Bundesligastandort bleibt.
Und im Pokal…
Reis: …wollen wir es schaffen, dass die Menschen stolz auf uns sind. Darum geht’s – und wenn es dann nicht reichen sollte, ist es eben so. Und gegen die Bayern kann es passieren, dass es nicht reicht (lacht). Wahrscheinlich werden wir am Dienstag häufiger defensiv gefordert sein. Aber auch das ist ein Spiel, in dem wir positive Schlagzeilen machen wollen. Denn im Moment haben wir nicht viele.
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