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EM 2016 - DFB-Ass Julian Weigl im Eurosport-Interview: "Ich bin bereit, wenn ich gebraucht werde"

Dirk Adam

Publiziert 25/06/2016 um 13:08 GMT+2 Uhr

Nationalspieler Julian Weigl wartet auf seinen ersten Einsatz bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich. Bisher absolvierte der Dortmunder erst ein Spiel im DFB-Trikot. Bei der Regenschlacht in Augsburg feierte der 20-Jährige vor vier Wochen sein Debüt gegen die Slowakei. Vor dem Wiedersehen mit den Slowaken spricht er im Interview mit Eurosport über seine Ziele, den BVB und Toni Kroos.

Julian Weigl (Deutschland)

Fotocredit: Imago

Das Interview führte Dirk Adam
Vor einem Jahr haben Sie erzählt, wie besonders das für Sie war, zum ersten Mal in der BVB-Kabine gewesen zu sein und neben Spielern wie Reus und Hummels zu sitzen. Wie war es jetzt neben Schweinsteiger, Özil oder Kroos?
Julian Weigl: Das war ähnlich. Am Anfang habe ich geguckt, wie sind die, wie ticken die. Aber wie in Dortmund haben es mir hier alle sehr leicht gemacht, ich war sofort eingebunden. Und am Anfang war ja auch noch Marco Reus dabei, mit dem ich mich auch in Dortmund gut verstehe.
Für neue Spieler gibt es immer ein Einführungsritual…
Weigl: Stimmt (lacht).
Was mussten Sie machen?
Weigl: Ich musste tanzen. Aber ich hab’s ganz gut hinbekommen glaube ich (lacht). Die Jungs haben jedenfalls gelacht.
In der Nationalmannschaft spielen Deutschlands beste Fußballer. Ist es noch surreal für Sie, einer von Ihnen zu sein?
Weigl: Kann man schon so sagen. Es ist unglaublich, was in diesem einen Jahr passiert ist. Zum ersten Mal Bundesliga, fast immer in der Startelf. Ich habe immer gesagt, ich wäre nicht in Tränen ausgebrochen, wenn ich jetzt nicht hier wäre. Aber im Kopf war es natürlich ein großer Traum von mir. Das ist jetzt das i-Tüpfelchen auf meine erste Bundesliga-Saison. Es ist außergewöhnlich mitzubekommen, wie so ein Turnier abläuft. Große Spieler zu sehen, gegen sie zu spielen. Wie professionell die Mitspieler alle arbeiten. Ich biete mich an, ich versuche mich zu zeigen. Alles, was hier jetzt noch kommt, ist für mich "on top"..
Sie haben gesagt, dass ein Bastian Schweinsteiger zu Ihren Vorbildern gehört. Ist er eine Ihrer Hauptkontaktpersonen, um sich zu orientieren?
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Julian Weigl im Kreise der Nationalmannschaft

Fotocredit: AFP

Weigl: Einen Hauptkontakt würde ich gar nicht nennen wollen. Ich komme mit allen bestens aus, mache zum Beispiel auch sehr viel mit André Schürrle. Aber es ist ganz unterschiedlich, wir haben keine festen Sitzordnungen, man verabredet sich, in der Freizeit spielen wir auch mal Tischtennis oder schauen die Spiele im Fernsehen. Das sind immer unterschiedliche Gruppen.
Die Olympischen Spiele mit der U21 standen eigentlich für Sie in diesem Sommer auf dem Plan. Das Thema ist damit erledigt?
Weigl: Ich habe jetzt keinen Kontakt zu Horst Hrubesch, weil die EM in Frankreich jetzt einfach Priorität hat. Es kann ja noch der Fall eintreten, dass ich spiele, ich trainiere ja auch voll. Olympia ist immer ein Traum, andererseits habe ich auch eine sehr lange Saison in den Beinen mit 51 Spielen. Das war für mich etwas völlig Neues, bei 1860 waren es im Jahr davor 24 in der 2. Liga. Von daher ist es auch wichtig, dass ich eine Pause bekomme.
Kroos, Schweinsteiger und Khedira haben zusammen 248 Länderspiele bestritten. Sie gelten als sehr lern- und wissbegierig. Was können Sie sich für Ihr Spiel von diesen Leuten abschauen?
Weigl: Mich beeindruckt ihre Professionalität. Jeder arbeitet unglaublich viel an sich selbst. Ich denke da an eine Situation in Ascona im Trainingslager. Wir kamen dort an, waren alle müde, und der Bundestrainer hat uns freigestellt, ob wir nach der Ankunft noch individuell was machen wollen. In meiner A-Jugend früher wären 27 von 27 Spielern aufs Zimmer gegangen und hätten gechillt oder Playstation gespielt. Marco Reus hat mich dann gefragt, ob ich mit Yoga machen will. Als wir runterkamen, haben wirklich alle was gemacht. Das war für mich ein Zeichen, dass es nicht von ungefähr kommt, dass diese Jungs so erfolgreich sind.
Im Turnier-Tableau hat die deutsche Mannschaft einen schwierigen Weg vor sich. Ist das eher Nachteil oder besondere Motivation?
Weigl: Wir können es ja nicht ändern. Wenn du das Turnier gewinnen willst, musst du irgendwann sowieso an den Großen vorbei. Wir gucken jetzt sowieso nur auf die Slowakei.
In Augsburg sind sie bei der Regenschlacht erst eingewechselt worden, als ein normales Fußballspiel nicht mehr möglich war. Wie stark sind die Slowaken?
Weigl: Wir hatten in der ersten Halbzeit schon einige Probleme. Daher schauen wir natürlich, wie wir gegen sie spielen müssen. Mir ist zum Beispiel auch der Weitschuss von Hamsik in Erinnerung. Man hat gesehen, dass sie auch individuelle Klasse haben. Aber wir wollen das Spiel an uns reißen, und ich habe großes Vertrauen in unsere Mannschaft.
Die Nationalelf ist der Deutschen liebstes Kind, entsprechend kritisch wurden die ersten beiden Spiele bewertet. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Weigl: Das hat mich schon überrascht, aber im Endeffekt sind wir als Spieler das ja gewohnt. Speziell die Jungs von den großen Klubs wie Toni Kroos oder Mesut Özil kennen das, da ist die Kritik ja noch viel extremer. Mesut hat es richtig gesagt, es ist wichtig, was der Trainer sagt.
Lesen Sie viel?
Weigl: Eigentlich nicht. Aber meine Freunde schicken mir ab und zu was, wenn sie etwas über mich lesen.
Ein großes Thema bei diesem Turnier ist Packing. Auch Borussia Dortmund nutzt die Daten. Kennen Sie Ihre?
Weigl: Nein, ich kenne sie nicht. Aber Thomas Tuchel hat mir schon gesagt, dass das der größte Entwicklungs-Faktor in meinem Spiel ist, dass ich mehr Spieler mit meinen Pässen ausspielen muss. Aber es ist ja nicht so, dass ich nur Sicherheitsbälle spiele. Ich habe schon versucht, längere Pässe oder Diagonal-Bälle zu spielen. Ich war in Dortmund aber eigentlich der, der vorbereitet hat, bis dann die Post abging.
Wie sieht der nächste Schritt denn aus?
Weigl: Man muss die richtige Balance finden, wann man das Spiel beruhigt und wann man es schnell macht. Daran arbeite ich, da mehr zu sehen, was richtig ist und es mir dann auch zuzutrauen.
In Dortmund war der Spieler für die tiefen Bälle Ilkay Gündogan, der ist jetzt weg. Also vielleicht eine neue Rolle für Sie?
Weigl: Das weiß ich nicht, das muss der Trainer sagen. Ich denke, dass es dennoch diese Position gibt, die ich jetzt gespielt habe, diese tiefere Sechs. Weil wir auch mit Gonzalo Castro oder auch Sebastian Rode, der jetzt verpflichtet wurde, Spieler haben, die auf dieser Achter-Position spielen können. Aber wie der Trainer aufstellt, muss man sehen. Wir haben dieses Jahr auch alles gespielt, vom 3-2 über die Vierer- bis zur Fünferkette. Das sind wir flexibel und der Trainer kann das recht gut einschätzen, gegen welchen Gegner wir mit welcher Formation spielen.
Mit Henrikh Mkhitaryan will der nächste Spieler den BVB verlassen. Droht Borussia Dortmund jetzt der Ausverkauf?
Weigl: Ich bekomme das natürlich alles mit, aber ich warte da einfach ab, was los ist. Ich schätze Mkhitaryan als Mensch und als Spieler sehr. Er ist für uns schon ein sehr wichtiger Mann. Aber ich habe vollstes Vertrauen in die sportliche Führung, die auch in den vergangenen Jahren immer gute Entscheidungen getroffen hat. Als Robert Lewandowski weg war, hat der BVB Pierre-Emerick Aubameyang geholt. Damals hat Dortmund auch Ilkay Gündogan und Marco Reus verpflichtet. Wir haben jetzt schon junge Spieler geholt, die hungrig sind. Ich hoffe natürlich, dass sie einschlagen. Ich habe da Vertrauen, dass der Trainer ein gutes Auge hat. Ich bin auch froh, dass er mich damals gesehen und aus der 2. Bundesliga geholt hat. Von daher hoffe ich, dass das ein gutes Omen war.
Von Pep Guardiola gab es ein spezielles Lob an Sie. Haben Sie im Hinterkopf, dass Sie Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira in einigen Jahren im Nationalteam beerben können?
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Kimmich, Weigl und Sané bei der EM 2016 in Frankreich

Fotocredit: Imago

Weigl: Ich bin keiner, der sich Ziele für die nächsten fünf Jahre setzt. Ich schaue immer von Jahr zu Jahr. Diese Saison ist optimal für mich gelaufen. Die EM ist jetzt die Krönung des ganzen Jahres. Wenn wir hier bei der Europameisterschaft noch weit kommen, gibt`s kein besseres Jahr. Nächste Saison will ich meine Form bestätigen. Das ist oft schwierig, wenn man ein erstes sehr gutes Jahr hatte. Deshalb will ich wieder voll angreifen, wenn ich zurück in Dortmund bin. Ich will mich wieder festspielen. Außerdem möchte ich wieder bei der Nationalmannschaft eingeladen werden. Aber ich setzte mir nicht das Ziel, in einem Jahr hört der und der vielleicht auf, und dann kann ich dessen Position übernehmen. Das wäre der völlig falsche Ansatz.
Die Co-Trainer haben erzählt, wie wichtig auch die Spieler sind, die nicht in der ersten Reihe stehen. Wie macht man das im Training und hält die Spannung hoch?
Weigl: Obwohl ich wusste, bevor ich hierher gekommen bin, dass ich wenig spiele, musste ich mich schon ein bisschen dran gewöhnen. Beim BVB stand ich fast immer in der Startelf. Plötzlich ist man hinten dran. Da musste ich ein bisschen umschalten im Kopf. Aber das fällt einem nicht schwer, wenn man sich ins Gewissen ruft, wer hier alles dabei ist und dass man selber ganz neu in der Mannschaft ist. Wenn man nicht spielt, habe ich extrem Bock aufs Training. Das ist dann mein Spiel, mein Moment, der zählt.
Von welchen Spielern in der Nationalmannschaft schauen Sie sich am meisten ab?
Weigl: Ich schaue im Moment am meisten auf Toni Kroos, weil er die Gegner überspielt. Außerdem gefällt mir seine Spielverlagerung nach links und rechts. Das ist außergewöhnlich. Da merkt man, dass er kaum eine Streuung in seinen Bällen hat. Im letzten Spiel hatte er mal ein, zwei Pässe, die nicht ankamen. Aber das ist absolut untypisch für ihn. Seine Bälle im Training kommen einfach auf den Punkt. Deshalb würde ich Toni herausheben.
Ist es für Sie ein Problem, dass so viele andere Spieler auf Ihrer Position vor Ihnen stehen?
Weigl: Man muss auch mal schauen, welche drei Spieler auf dieser Position vor mir sind. Da ist es auch völlig in Ordnung. Ich habe gerade mein erstes Jahr gespielt. Das lief sehr gut, deswegen bin ich hier dabei, in der Mannschaft des Weltmeisters. Das ist eine großartige Bestätigung. Von daher bin ich bereit, wenn ich gebraucht werde. Auch wenn ich ansonsten nur dafür da bin, im Training die anderen zu fordern, dass sie auf ihr hohes Niveau kommen. Dann habe ich auch meinen Teil dazu beigetragen.
Für Ihr Alter mit 20 Jahren wirken Sie unheimlich reif. Wann haben Sie diesen Schritt ins Erwachsensein vollzogen?
Weigl: Ich glaube, dass mich die Kapitänsphase bei 1860 München reifen lassen hat. Das hat mir einen anderen Blick auf die Dinge gegeben und mir gezeigt, wie das Geschäft manchmal sein kann. Mit 18 Jahren wurde ich hingestellt und musste vor der Mannschaft reden. In dieser Zeit habe ich viel gelernt.
Der BVB sucht auch einen neuen Kapitän…
Weigl: (lacht…)
In den letzten Spielen waren Freunde von Ihnen im Stadion, wann kommt die Familie?
Weigl: Beim nächsten Spiel ist meine Familie dabei. Zuletzt waren gute Freunde gegen Nordirland im Stadion. Zum Glück gibt es WhatsApp oder Facetime, so kann man mit seinen Freunden und seiner Familie immer in Kontakt bleiben.
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DFB-Team kompakt: Lobeshymne auf Kimmich, Entwarnung bei Boateng

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