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DFB in System-Offensive

Eurosport
VonEurosport

Update 11/09/2011 um 02:21 GMT+2 Uhr

Testspiele sind zum Testen da, das muss sich auch Bundestrainer Joachim Löw vor dem Polen-Spiel gedacht haben. Das 2:2 dürfte allerdings zum Nachdenken angeregt haben, denn nun stellt sich die Systemfrage.

Deutschland Polen 2011 Mertesacker Kroos Götze

Fotocredit: Imago

Es gibt da diesen Spruch, und irgendwie wird der gerade bei jeder Gelegenheit bemüht. Mal heißt es: "Spiele werden in der Offensive gewonnen, Titel in der Defensive." Und dann wieder in etwas abgewandelter Form: "Spiele gewinnt man in der Offensive, große Titel in der Defensive." Wo der Spruch herkommt, weiß eigentlich keiner so genau. Vielleicht aus dem Basketball. Vielleicht aus dem American Football. In einer Zeit, in der ein ehemaliger Hockey-Nationaltrainer Spielzüge bei einem Fußball-Bundesligisten trainieren lässt, wäre dies nicht weiter verwunderlich.
An diesen Spruch musste wohl auch ZDF-Experte und Eurosport-Blogger Oliver Kahn nach dem glücklichen 2:2 der deutschen Nationalelf gegen Polen denken. "Wenn man davon ausgeht - wir wollen ja den Titel gewinnen - dass die Titel in der Defensive gewonnen werden, dann gibt es noch einigen Verbesserungsbedarf", sagte er. Mit Titel meinte Kahn natürlich den EM-Titel, das Turnier findet im nächsten Sommer in Polen und der Ukraine statt - und Deutschland hat sich als erstes Team auf sportlichem Wege dafür qualifiziert.
Deutschland hat ein Abwehr-Problem
Den EM-Titel hat auch Joachim Löw im Kopf. Vor ein paar Wochen ließ sich der Bundestrainer im DFB-Verbandsjournal wie folgt zitieren: "Nach den Auftritten unseres Teams bei den letzten Turnieren ist es natürlich unser großes Ziel, Europameister zu werden." Für Löw ist Welt- und Europameister Spanien das Maß aller Dinge, "auf Augenhöhe" mit Xavi, Iniesta und Co. möchte er in das Turnier gehen.
Nach dem Prestige-Erfolg im Test gegen Brasilien (3:2) und der Offensiv-Gala in der EM-Quali gegen Österreich (6:2) schien die Mannschaft auf dem richtigen Weg, das 2:2 im Test gegen Polen hat sie wieder etwas davon abgebracht. Die Ergebnisse zeigen, wo das Problem liegt: in der Abwehr. Zuletzt stand im März gegen Kasachstan die Null. Zu Löws Verteidigung muss man sagen, dass er gegen Polen im 4:1:4:1-System spielen ließ. Dieses Experiment gab es auch schon gegen Österreich, doch da täuschten die Tore vorne über die Tore hinten hinweg.
Die wenigsten Gegentore in der Qualifikation
Nach der gerade so abgewendeten Niederlage gegen Polen, es wäre ganz nebenbei auch noch die erste überhaupt gewesen, steht das Experiment mit nur einem Sechser und einem Innenverteidiger, der sich ins Mittelfeld orientiert, schon wieder vor dem Scheitern. Zu offensiv das Ganze, die Lücken hinten einfach zu groß. Ob die Innenverteidigung die Schwachstelle gewesen sei, wurde Löw nach dem Polen-Spiel gefragt. "Ich habe keine Bedenken", sagte er, und dann: "Es hat immer funktioniert in vielen Spielen. In der Qualifikation haben wir auch die wenigsten Gegentore überhaupt."
Löw zeigte sich dankbar, "dass wir nicht alle Spiele so bestreiten wie gegen Österreich, weil ich es gut finde, wenn wir wie gegen Polen auf Schwierigkeiten stoßen. Das ist für unsere junge Mannschaft gut. Dann werden wir auch darauf vorbereitet sein, wenn es bei einem Turnier mal welche gibt." Testspiele sind zum Testen da, das sagt allein schon der Name. "Mir wird jetzt die Möglichkeit gegeben, das eine oder andere auszuprobieren Richtung 2012", so sagt es Löw. Gesagt, getan. Im Vergleich zum Österreich-Spiel krempelte er gegen Polen die Abwehr um.
Gesetzt ist hinten eigentlich nur Lahm
Philipp Lahm machte gegen Polen seine Sache auf der linken Seite gut, das war es aber auch schon. Marcel Schmelzer (später für Lahm), Jerome Boateng, Per Mertesacker (beide innen) und Christian Träsch (rechts) schienen mit den Anforderungen des 4:1:4:1 nicht klarzukommen. Mats Hummels, Holger Badstuber und Benedikt Höwedes machten es da gegen Österreich wesentlich besser.
Neben Lahm auf der linken Seite ist wohl noch ein anderer Spieler gesetzt: Mertesacker. "Natürlich sehe ich seine Chancen absolut gut", sagt Löw. "Ich bin ein Trainer, der den Per enorm schätzt. Er hat den Bonus von drei Turnieren. Er genießt bei mir ein enorm großes Vertrauen, weil er uns immer zufrieden gestellt hat." Klar ist aber auch: Mit der gezeigten Leistung gegen Polen wird Mertesacker seinem neuen Verein keine Stütze sein.
Schweinsteiger oder Khedira oder beide?
Aber Löw geht es nicht so sehr um die Abwehr. "Letztendlich ist wichtig, dass man offensiv nach vorne spielen kann und dominant in der Spielanlage sein kann", sagt er. Egal ob 4:1:4:1 oder 4:2:3:1, es zählt also, was vorne rauskommt und nicht, was hinten reinkommt. So lange Deutschland auf dem Weg zum EM-Titel immer ein Tor mehr schießt als der Gegner, wird Löw sich etwaiger Kritik leicht entziehen können.
Die Fragen, die sich stellen, wenn der Bundestrainer auf dem 4:1:4:1 festhält, sind doch folgende: Kann Löw es sich erlauben, zwischen Bastian Schweinsteiger oder Sami Khedira zu wählen? Wäre es nicht besser, es würde beide als Sechser auflaufen lassen - auf der Position, in der beide zu Weltklasse-Leistungen fähig sind? Und: Ist die Chance nicht größer, dass in einem 4:2:3:1 die zwei kreativsten Spieler, die Deutschland seit langer Zeit hervorgebracht hat (Mesut Özil und Mario Götze) gemeinsam auflaufen, weil die Absicherung nach hinten ja da wäre?
Die Antworten auf die Fragen kennt nur der Bundestrainer. Aber eines dürfte feststehen: Gegen Polen sollte er es nicht wieder im 4:1:4:1 probieren, der Gegner war dafür einfach eine Nummer zu groß.
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