Deutschland raus: Muss Löw weg? 5 Fragen nach dem WM-Kater
Deutschland blamiert sich bei der Weltmeisterschaft 2018 historisch und reist ab. Muss Joachim Löw jetzt zurücktreten? Was sind die Konsequenzen des schlechtesten WM-Abschneidens seit 80 Jahren? Wie reagiert der DFB und wer hat noch eine Zukunft in der Nationalmannschaft. Fünf Fragen, die sich nach der "Schmach von Kasan" nun aufdrängen und eingeordnet werden müssen.
Joachim Löw (Deutschland)
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Hat sich Joachim Löw vercoacht?
Ja.
Wenn man als Weltmeister in der Vorrunde ausscheidet und damit das schlechteste WM-Abschneiden seit 80 Jahren besiegelt, muss sich der Trainer hinterfragen. Hinterher ist man immer schlauer, aber: Wäre mehr drin gewesen, wenn Löw Leroy Sané und/oder Sandro Wagner im Kader gehabt hätte?
Fragwürdig war zudem sein Festhalten an Thomas Müller und Julian Draxler für zwei bzw. eineinhalb Spiele, sowie die Raus-Rein-Wechselspielchen mit Sami Khedira und Mesut Özil. Marco Reus gab er derweil keine feste Rolle in der Offensive, Timo Werner beorderte er nach einer herausragenden Halbzeit gegen Schweden auf Linksaußen wieder ins Sturmzentrum zurück, wo er vorher wie nachher keine Akzente setzen konnte. Julian Brandt, als Joker immer sofort gefährlich, gab er dagegen keine Chance.
Ein weiterer Punkt, den sich Löw ankreiden lassen muss: Im Mittelfeld setzte er zu viele Spieler nicht auf ihren Idealpositionen ein. Khedira, Toni Kroos und auch Gündogan fehlte ein absichernder Spieler hinter ihnen, was allen dreien sichtlich Unbehagen bereitete. Müller spielt bei Bayern nur noch im 4-3-3 auf Rechtsaußen, weil er sich da besser in die Mitte stehlen kann. Leon Goretzka ist ebenso wenig ein Spieler für den rechten Flügel im 4-2-3-1, Mesut Özil kein Sechser.
Dass er zudem für Kapitän Manuel Neuer das Leistungsprinzip außer Kraft setzte und voll auf den 32-Jährigen baute, mag sich sportlich zwar nicht als Fehlschlag entpuppt haben, deckte sich aber mit einem merklichen "Weltmeister-Bonus" bei seinen Personalentscheidungen.
"Ich muss überlegen, woran es lag, dafür bin ich natürlich verantwortlich", sagte Löw ehrlich.
Müssen auch Spieler Konsequenzen ziehen?
Ja.
Joshua Kimmich brachte aus auf den Punkt: "Wir Spieler haben es einfach verkackt."
In den nächsten Tagen und Wochen müssen sich alle hinterfragen, warum sie zum Teil physisch wie psychisch nicht auf der Höhe waren, um bei der WM zu bestehen und ob, gerade bei den bereits seit acht, zehn Jahren in der Nationalmannschaft spielenden Stars nicht eine gewisse Sättigung eingetreten ist.
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Marco Reus; Thomas Müller
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"Von uns allen war die Bereitschaft nicht groß genug", sagte Neuer und fügte noch ehrlicher an:
Das alles sei "bitter und einfach erbärmlich". Auch Thomas Müller sagte enttäuscht:
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Joachim Löw mit Thomas Müller
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Natürlich obliegt es jedem einzelnen, sich auch weiterhin für die Nationalmannschaft anzubieten. Vor allem aber die Ü-30-Fraktion des Kaders - Mario Gomez (32), Manuel Neuer (32) und Sami Khedira (31) - wird sich ihrer Perspektiven im Kader mit Blick auf die EM 2020 und die WM 2022 gewahr werden - der ein oder andere sicher auch über einen Rücktritt nachdenken.
Bei Khedira klang es schon verdächtig danach, als er sagte:
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Sami Khedira (re.) und Mesut Özil (li.)
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Bei Neuer, der theoretisch auch noch mit 36 seine vierte WM spielen könnte, ist dabei eher die Frage, wie lange er sich dem Konkurrenzdruck durch Marc-André ter Stegen noch stellen kann und möchte.
Im Gros haben noch längst nicht alle Weltmeister ausgedient - sie sollten eine Nominierung für die Nationalmannschaft in Zukunft jedoch nicht mehr aufgrund ihrer Verdienste als selbstverständlich annehmen.
Muss Joachim Löw jetzt zurücktreten?
Nein.
DFB und er waren sich bei der Vertragsverlängerung kurz vor der WM bis 2022 bewusst, dass Russland zum Fehlschlag werden könnte - auch wenn keiner wirklich damit rechnete. Sowohl DFB-Teammanager Oliver Bierhoff als auch DFB-Präsident Reinhard Grindel sprachen sich direkt nach dem 0:2 gegen Südkorea jedoch klar für einen Verbleib des Bundestrainers aus.
"Er hat vor einem Jahr beim Confed Cup bewiesen, dass er junge Spieler zu einem beeindruckenden und spielerisch herausragenden Team formen kann. Diese Gründe gelten für das Präsidium nach wie vor", sagte Grindel.
Die Frage ist nur: Traut sich Löw selbst nach der "Schmach von Kasan" noch zu, weiter auf der Kommandobrücke zu stehen, oder zieht er persönliche Konsequenzen aus dem Debakel und dankt von sich aus ab?
Am frühen Mittwochabend sagte er nämlich ziemlich desillusioniert:
Muss der DFB jetzt reagieren?
Ja.
Nicht mit einer Löw-Entlassung, das wäre purer Aktionismus, vermutlich ohne Plan B. DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte am Mittwoch aber bereits richtig:
Wie 2000 und 2004, nach den letzten unrühmlichen Großturnieren, gehört alles auf den Prüfstand: Passt das Team hinter dem Team noch, erfüllen Fachbereiche wie Fitness, medizinische Betreuung oder Scouting heutige Anforderungen, muss man Löw eventuell neue Assistenten an die Seite stellen oder braucht es sogar ein besseres Kadermanagement?
Löw sagte am Mittwoch ziemlich fatalistisch:
Hat dieser Kader Zukunft?
Ja.
Sicher, die Generation der U21-Europameister von 2009 - Neuer, Hummels, Boateng, Khedira, Özil - plus Gomez wird über die nächsten Jahre peu à peu aus der Nationalmannschaft verschwinden und Jüngeren Platz machen.
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Mesut Özil, Mats Hummels
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Das Gros jedoch steht: Julian Brandt (22), Timo Werner (22), Niklas Süle (22), Joshua Kimmich (23), Leon Goretzka (23), Matthias Ginter (24), Julian Draxler (24), Antonio Rüdiger (25), Marvin Plattenhardt (26) und Marc-André ter Stegen (26) haben mutmaßlich ihre besten Karrierejahre noch vor sich und können sich in den anstehenden Top-Duellen der neuen UEFA Nations League gegen Frankreich und die Niederlande beweisen.
Noch wichtiger: Alle haben nun schon die Erfahrung von zwei, drei oder sogar vier (Draxler) Turnieren in sich aufgesaugt. Keine schlechte Ausgangsposition für einen neuen Angriff 2020 und 2022.
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