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Englands emotionale Achterbahnfahrt: "Es war so ein Abend..."

Florian Bogner

Update 04/07/2018 um 09:36 GMT+2 Uhr

England siegt im Elfmeterschießen gegen Kolumbien (4:3 i.E.) und bezwingt damit die Dämonen von "Jahrzehnten voller Enttäuschung". Das Faustpfand in einem emotional aufgeheizten WM-Achtelfinale: die überraschende Coolness der englischen Youngster. Jordan Pickford folgte als "Held des Abends" letztlich nur einem Plan, sagte Team-Manager Gareth Southgate. Kolumbien dagegen ist am Boden zerstört.

England im Viertelfinale der WM 2018

Fotocredit: Getty Images

Harry Kane war zuerst da, nahm Jordan Pickford in den Schwitzkasten, rang ihn zu Boden - und dann fielen alle über sie her.
England gewinnt ein Elfmeterschießen. Bei einer WM. Gesprächsstoff für jede Kaffeepause. Gab's noch nie.
Der Held des Abends: Keeper Pickford. Spielt "nur" beim FC Everton und war bis Juni mit gerade einmal drei Länderspielen gesegnet. Doch nun der große Held, weil er den fünften kolumbianischen Schuss von Carlos Bacca hielt.
"Wir haben verdient gewonnen, weil wir mehr fürs Spiel getan haben", sagte der 24-Jährige danach mit roten Wangen:
Ich habe getan, was ich konnte und bin froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte.

England besiegt den Elfmeter-Fluch

Bei EM- und WM-Turnieren hatte England zuvor nur eins von sechs Elfmeterschießen gewinnen können, 1996 bei der heimischen EM - 4:2 im Viertelfinale gegen Spanien, ehe man im Halbfinale am späteren Europameister Deutschland scheiterte (der heutige Team-Manager Gareth Southgate scheiterte an Andreas Köpke).
Bei WM-Turnieren waren die "Three Lions" 1990 (gegen Deutschland), 1998 (gegen Argentinien) und 2006 (gegen Portugal) insgesamt drei Mal leer ausgegangen.
Was Peter Shilton, David Seaman und dem weniger bekannten Paul Robinson nicht vergönnt war, gelang Pickford: einen Elfmeter bei einer WM entscheidend abwehren.
"Das Spiel war sehr hart umkämpft. Wir mussten die Ruhe bewahren, waren mental stark und sind mit dem Sieg belohnt worden", sagte der Schlussmann.

Kolumbien entsetzt nach Achterbahnfahrt

Bei Kolumbien dagegen: Entsetzen nach einem Wechselbad der Gefühle.
Schließlich hatte England nach einem zumindest nach kolumbianischer Meinung umstrittenen Elfmetertor von Harry Kane (57.) - Carlos Sánchez hatte Harry Kane vor einem Eckball niedergerungen - schon wie der Sieger ausgesehen.
Dann schraubte sich Yerry Mina schon zum dritten Mal bei dieser WM im Strafraum hoch und köpfte zum Ausgleich ein (90.+3).
In der Verlängerung war England dem Sieg näher, doch die Südamerikaner hielten mit großer Opferbereitschaft dagegen - bis das Elfmeterschießen entscheiden musste.
Nach dem Schlusspfiff weinten Mina, der verletzte James Rodríguez und David Ospina, der immerhin gegen Jordan Henderson gehalten hatte, bitterlich. Trainer José Pekerman musste seine Mannen wieder aufrichten. Auch Matheus Uribe, der im Elfmeterschießen nur die Latte getroffen hatte.

Pekerman kritisiert Schiedsrichterleistung

"Wir haben uns sehr gut vorbereitet und hatten große Ambitionen. Aber es war sehr schwierig ins Spiel zu kommen. Wenn der Ball in Richtung Strafraum kam, waren die Spieler ängstlich und nervös", sagte Pekerman nach der Partie und kritisierte das durch viele Nickeligkeiten lange zerfahrene Spiel:
Es gab so viele Unterbrechungen – zu viele. Das war nicht gut für uns. Das hat unserem Spiel geschadet.
Tatsächlich lieferte Mark Geiger (USA) eine der schwächeren Schiedsrichterleistungen bei diesem Turnier ab. Der Unparteiische ließ sich immer wieder auf Wortgefechte ein, fuhr keine klare Linie.
"Es war ein sehr unangenehmes Spiel", sagte Pekerman: "Man hatte die ganze Zeit ein komisches Gefühl, bei fast jeder Schiedsrichterentscheidung. Irgendwas ist los im Fußball, es häuft sich bei Weltmeisterschaften. Dabei würde ich am liebsten einfach nur über Fußball reden."

Southgate ergriffen, aber glücklich

Auf der anderen Seite sprach Team-Manager Southgate lieber vom Ende der "Jahrzehnte voller Enttäuschung", die Englands Fans durchleiden mussten, oft Opfer der Elfmeter-Häme.
"Es war so ein Abend, an dem ich mir zu jeder Zeit sicher war, dass wir es am Ende packen werden - egal, was passieren mag", sagte der 47-Jährige: "Ich war komplett ruhig bis zum Treffer von Eric Dier."
Zu Keeper Pickford meinte er indes, dass dieser perfekt vorbereitet war:
Wir haben all ihre Elfmeterschützen analysiert und er hat seinen Teil des Plans erfüllt.
Southgate erlaubte sich sogar einen Scherz über eine Parade kurz vor dem Ausgleich, als der "nur" 1,85 Meter große Pickford einen Schuss von Matheus Uribe aus dem Winkel gekratzt hatte: "Das war eine Weltklasse-Parade. Ich war überrascht, dass er da überhaupt hinkommt, mit seiner Körpergröße..."

Großer Respekt vor Schweden

In der Turnierhälfte der Engländer verbleiben nun nur noch Europäer - am Samstag (16 Uhr im Liveticker) geht es im Viertelfinale gegen Schweden, danach würde der Sieger aus der Partie Russland gegen Kroatien (Sa., 20 Uhr im Liveticker) auf die Engländer warten. In einem WM-Halbfinale waren sie seit 1990 nicht mehr.
WM-Turnierbaum: Achtelfinale
"Ich denke bereits ans nächste Spiel", gab Southgate am Abend noch zu. Aber wenn sie eins über die Jahre gelernt haben, dann demütig zu bleiben:
Ich habe großen Respekt vor Schweden. Unsere Bilanz gegen sie ist schlecht, wir haben sie oft unterschätzt. Sie haben gute Spieler und eine klare Spielweise. Es ist verdammt schwer gegen sie zu spielen. Sie sind als Team stärker als ihre Einzelteile.
Ein Kompliment, das man auch Southgates England machen könnte.
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