Real Madrid | Julen Lopetegui angezählt: Drei Gründe für die königliche Krise

Real Madrid befindet sich in der Krise. Seit vier Spielen warten die Königlichen auf einen Sieg und einen eigenen Torerfolg - das gab es zuletzt vor 33 Jahren. Trainer Julen Lopetegui wurde von Vereinspräsident Florentino Pérez angeblich bereits angezählt. Nach nur vier Monaten könnte der 52-Jährige seinen Job verlieren. Dabei hat die Real-Krise viele Gründe - und ist vor allem hausgemacht.

Gareth Bale (Real Madrid)

Fotocredit: Getty Images

Bei Real Madrid herrscht dicke Luft. Die Königlichen laufen den eigenen Ansprüchen hinterher - und das in allen Wettbewerben.
In der Liga nur Platz vier, bereits zwei Niederlagen in acht Spielen, darunter eine 0:3-Klatsche in Sevilla. In der Champions League das verdiente 0:1 bei ZSKA Moskau. Im Supercup das bittere 2:4 gegen Stadtrivale Atlético.
Die "Marca" zählt bereits den Trainer an, sieht "keinen Grund zum Optimismus, was die Zukunft von Julen Lopetegui betrifft".
Die spanische Zeitung berichtet von einem ominösen Abendessen zwischen dem Coach und Real-Präsident Florentino Pérez, bei dem dieser Lopetegui zum Siegen verdammt haben soll. Gelingt dem 52-Jährigen nach der Länderspielpause die Rückkehr in die Erfolgsspur nicht, könnte seine Zeit bei den Königlichen schon nach vier Monaten beendet sein.
Real Madrid ist Real Madrid. Die Uhren laufen anders. Vor allem schneller. Für Pérez ist der Trainer meist der Alleinschuldige für eine Sieglos-Serie und wird lieber früher als später vor die Tür gesetzt.
Dabei hat die aktuelle Real-Krise viele Gründe - und ist vor allem hausgemacht.

Warum Lopetegui?

Zunächst muss sich Pérez die Frage gefallen lassen, warum er überhaupt Lopetegui als Nachfolger von Zinedine Zidane verpflichtete. Dem 52-Jährigen mangelt es an Erfahrung auf Klubebene, er trainierte lediglich Ryao Vallecano (2003), den FC Porto (2014-2016) sowie Reals zweite Mannschaft (2008-2009).
Ansonsten war Lopetegui lediglich als Nationalcoach aktiv, betreute vor der spanischen A-Nationalmannschaft (2016-2018) bereits die U19-, U20- und U21-Auswahlen der Furia Roja (2010-2014).
Zwar hat Lopetegui damit immer noch mehr Jahre als Klubtrainer auf dem Buckel als Zidane zu seinem Amtsantritt, der Franzose spielte aber fünf Jahre bei den Königlichen und wusste, wie er mit einem Team voller Stars umzugehen hatte.
Lopeteguis Zeit bei Reals B-Mannschaft ist damit nicht zu vergleichen. Der 52-Jährige stand noch nie so im Rampenlicht, noch nie so unter Druck, Antworten zu finden. Nur findet er augenscheinlich noch keine.
Bestes Beispiel ist Lopeteguis Aussage nach der 0:1Niederlage bei Deportivo Alavés am vergangenen La-Liga-Spieltag:
Nur warum sie nicht funktionieren, weiß er offenbar nicht.
Hinzu kommt, dass der 52-Jährige wohl von Anfang an eine "lame duck" bei den Real-Bossen war. Laut "Mundo Deportivo" hatte Pérez vor Lopetegui drei andere Wunschkandidaten: Jürgen Klopp (FC Liverpool), Massimiliano Allegri (Juventus Turin) und Mauricio Pochettino (Tottenham Hotspur) - aber keiner war zu haben.
Es gibt für einen Trainer bessere Voraussetzungen, um den womöglich größten Schleudersitz im Weltfußball zu übernehmen.

Wer ersetzt Ronaldo?

Eine weitere Frage, die sich aufdrängt: Wer soll nach Cristiano Ronaldos Abgang eigentlich die Tore schießen?
Der fünfmalige Weltfußballer kratzte in seiner Zeit bei Real regelmäßig an der 50-Tore-Marke pro Saison, manchmal waren es sogar über 60. Die Last des Toreschießens, die CR7 zwischen 2009 und 2018 fast alleine trug, muss sich nun auf mehrere Schultern verteilen. Im Moment verteilt sie sich nur leider auf gar keine Schultern.
Real ist seit vier Spielen ohne eigenen Torerfolg. Das gab es zuletzt im April. Im April 1985! 73 Schüsse und 409 Minuten warten die Königlichen auf einen Treffer - Zahlen, die während der CR7-Ära unvorstellbar waren.
Eurosport.es zufolge war sich Pérez sicher, dass gerade Gareth Bale und Karim Benzema Ronaldos Lücke gemeinsam schließen und in dieser Spielzeit aus dem Schatten des portugiesischen Superstars treten würden. Eine Fehleinschätzung.
Bale tut sich im ballbesitzorientierten System Lopeteguis schwer, seine große Stärke, die Geschwindigkeit auszuspielen. Benzema ist seit dem 1. September ohne Tor und fällt nun mit Oberschenkelproblemen aus. Mit Isco ist zudem einer der kreativsten Spieler seit Wochen wegen einer Blinddarm-OP unpässlich. Andere Offensivstars wie Marco Asensio suchen indes nach ihrer Form.
Bleiben die Neuzugänge als mögliche CR7-Nachfolger. Doch statt Neymar, Eden Hazard oder Kylian Mbappé heißen die Mariano Díaz und Vinícius Júnior.
Díaz wurde vor einem Jahr noch vertrieben, Olympique Lyon bezahlte acht Millionen - nur damit ihn Real nun für 21,5 Millionen zurückkaufen konnte. Vinícius ist 18 Jahre alt und kommt bisher auf zwölf Einsatzminuten.
Topverpflichtungen sehen anders aus.

Wie lautet die Transferstrategie und wenn ja, wie viele?

Ohnehin wirft Pérez' Transferstrategie Fragen auf - wenn der Begriff "Strategie" überhaupt angebracht ist -, und das nicht nur im Angriff, wo kein auch nur annähernd adäquater CR7-Ersatz verpflichtet wurde, sondern in allen Mannschaftsbereichen.
Beispiel eins: Mit Thibaut Courtois kommt ein Torwart für 35 Millionen Euro vom FC Chelsea, obwohl mit dem dreimaligen Champions-League-Sieger Keylor Navas und Kiko Casilla zwei hervorragende Keeper im Kader stehen.
Die Folge: Jobsharing zwischen Courtois und Navas. Der Belgier hütet das Tor in der Liga, der Costa Ricaner darf in der Königsklasse ran. Das stellt zwar beide Keeper einigermaßen zufrieden, bringt der Abwehr aber nicht gerade Sicherheit. In elf Pflichtspielen kassierte Real zwölf Gegentore - drei mehr als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison.
Beispiel zwei: Mit Theo Hernández wird der einzige Backup von Marcelo links hinten verliehen, trotz starker WM. Es kommt, wie es kommen muss: Marcelo verletzt sich und Nacho muss plötzlich als Linksverteidiger aushelfen.
Warum also Courtois holen und Hernández verleihen? Warum nicht mit den 117 Millionen für Ronaldo einen großen Namen für den Angriff verpflichten?
Man wird das Gefühl nicht los, dass sich die Real-Bosse zwar zu einem Sparkurs zwangen - angesichts des geplanten Umbaus des Bernabéu und einer Verschuldung von etwa 575 Millionen erst einmal nicht verkehrt -, aber trotzdem irgendetwas auf dem Transfermarkt tun wollten, nur um etwas zu tun. Aktionismus. Oder besser: Aktionismus auf Lücke, weil Engpässe im Kader nicht erkannt wurden.
Zwar hat die aktuelle Personalproblematik auch etwas mit der Verletztenmisere zu tun, doch Lopeteguis Herangehensweise ("Damit alles so klappt, wie wir es geplant haben, ist es wichtig, dass alle dabei sind. Diese vielen Spielerausfälle sind nicht normal.") ist schon arg optimistisch, wenn nicht naiv. Jeder Klub hat Verletzte.

Real bleibt Real

Trotz der derzeitigen Krise, stellten sich die Spieler demonstrativ hinter ihren Trainer. Nacho sagte bei "Goal":
Kapitän Ramos glaubt:
Verrückt vielleicht, aber eben auch typisch königlich. Lopetegui weiß selbst:
Gerade in der spanischen Hauptstadt. Real Madrid bleibt eben Real Madrid.
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