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Die Geschichte: Clásico

Eurosport
VonEurosport

Update 20/04/2012 um 11:42 GMT+2 Uhr

Na klar, es gibt den "Superclasico", in Argentinien zwischen Boca und River Plate. Es gibt "O Derby" beim brasilianischen Nachbarn, zwischen Palmeiras und Corinthians. Die Engländer haben das "North West Derby“"mit saftiger Rivalität zwischen "Reds" und "Red Devils".

Real Madrid vs Barcelona

Fotocredit: Eurosport

Von Michael Wollny
In Frankreich kracht es regelmäßig, wenn Paris und Marseille aufeinandertreffen.
Dann wäre da natürlich auch noch das "Old Firm" zwischen Celtic und den Rangers. Wichtig für Glasgow und die schottische Meisterschaft, zweifellos stimmungsvoll, aber ansonsten sportlich recht unbedeutend. Die Mailänder kennen das moderate "Derby della Madonnina" zwischen dem AC und Inter, die Römer das weitaus brisantere "Capitolino", Lazio gegen AS.
Am Bosporus geht's für Fener und Besiktas gegen Galatasaray und wir haben das Revier-Derby. Aber heutzutage ist das berühmteste Prestige-Duell im Klub-Fußball wohl "El Clásico".
Duell der Giganten
Ein Duell der Giganten in jeder Hinsicht. Real Madrid gegen den FC Barcelona (Samstag ab 20:00 Uhr im Live-Ticker bei eurosport.yahoo.de). Wie brisant dieses Aufeinandertreffen zwischen der spanischen Hauptstadt und der katalanischen Metropole sein kann, spüren wir an unseren iberischen Kollegen.
Die drehen nämlich schon seit Wochen maximal am Rad. Und würden wir hier die entsprechende Themen-Liste von Eurosport Spanien 1:1 einstellen, dann müssten Sie sich zum Scrollen schon mal einen halben Tag Urlaub nehmen. Doch der ganze Hype um "El Clásico" hat natürlich einen Hintergrund und erwächst aus leidenschaftlicher Tradition und dramatischer Geschichte.
Im Jahr 1899 wurde der "Futbol Club Barcelona" aus der Taufe gehoben und ging in der Folge einen etwas steileren Weg als hierzulande die gleichaltrige TSG aus Hoffenheim. Die Madrilenen gründeten sich drei Jahre später als "Madrid Football Club" und kreuzten umgehend mit den Katalanen die Schienbeine.
Vorzeitig unter die Dusche
Die Geburtstunde des "Clásico" in der "Copa de la Coronacion", dem Krönungspokal Alfons des Achten und Vorgänger der Copa del Rey, entschied Barcelona im Jahr 1902 mit 3:1 für sich. Erste Spannungen zwischen zentralistischem Machtgebahren und katalanischem Regional-Patriotismus prägten das Pokal-Duell im Jahr 1916. Beide Teams siegten vor eigenem Publikum und mussten zum Stechen. Da auch das dritte Kräftemessen beim denkwürdigen 6:6 keinen Sieger hervorbrachte, sollte eine vierte Partie Klarheit bringen.
In der lag Madrid mit 4:2 vorne, als sich elf Katalanen dazu entschlossen, geschlossen den Platz zu verlassen und vorzeitig zum Duschen zu gehen. Der Grund: Man misstraute der Überparteilichkeit des Unparteiischen. Der erste Eklat einer jungfräulichen Rivalität.
Und dann brach der verhängnisvolle Juli 1936 herein.
Politik und "Clásico" - untrennbar
Nationalistische Militärs putschten gegen die demokratisch gewählte Regierung um Präsident Manuel Azaña und stürzten ein ganzes Land in einen verlustreichen Bürgerkrieg. Der Klub aus Madrid, seit 1920 per royalem Dekret von König Alfonso dazu berechtigt, sich "Real" zu nennen, ersuchte in Katalonien um sportliches Asyl, um den Kriegswirren der Hauptstadt zu entfliehen. Das Asyl wurde abgelehnt.
Das Ende des Krieges, mit über einer halben Million Opfer, bedeutete den Beginn der Terrorherrschaft und tausender politischer Morde unter Francisco Paulino Hermenegildo Teódulo Franco y Bahamonde Salgado Pardo, kurz und schmerzhaft: General Franco.
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Real Madrid-Barcelona-Di Stéfano (AFP)

Fotocredit: AFP

"Politik", weiß Ignacio Ruiz, "die war und ist immer im Spiel, wenn diese beiden Teams aufeinandertreffen." Diverse katalanische Interessensverbände versuchten das Spiel für Ihre Ziele zu instrumentalisieren, erklärt der Fußball-Redakteur von Eurosport Spanien. "Sie wollen durch 'El Clásico' der Welt vermitteln, dass Katalonien ein Land im Land ist." Allerdings, so Ruiz, habe sich der Einfluss der Politik mit dem Ende der präsidialen Ära Laporta bei Barca verringert.
Wir reden hier vom Jahr 2010.
Zwangsverordnete Demütigung
Doch ein Dreiviertel-Jahrhundert früher sah die spanische Fußball-Welt noch ganz anders aus - schwarz-weiß, in gewisser Weise. Denn Barcelona war das Epizentrum des katalanischen Widerstandes gegen Francos Faschisten. Barcas Präsident, der linke Politiker und Journalist Josep Suñol, war zu Kriegsbeginn von Francos Meuchlern ermordet worden.
Mit der Besetzung Barcelonas wurde auch die katalanische Fahne und Sprache verboten, dem FC Barcelona mit der Zerschlagung gedroht. Im Pokalspiel am 13. Juni 1943 schlug sich diese brutale Politik massiv im Ergebnis nieder. Das Hinspiel hatte das favorisierte Barca 3:0 gewonnen und musste sich deshalb beim Wiedersehen in Madrid auf Befehl hin demütigen lassen.
Franco-Schergen hatten den Gästen vor Spielbeginn in Gestapo-Manier einen Besuch abgestattet und über die Androhung der Ermordung von Familienmitgliedern die eigenen Vorstellungen vom Ausgang des Spiels dargelegt. Der FC Barcelona verlor wie "gewünscht" mit 1:11 (0:8). Der spanische Verband forderte daraufhin die Präsidenten Marques de la Mesa de Asta (Barcelona) und Antonio Santos Peralba (Madrid) zum Rücktritt auf. Später wurde die Schande aus den Ergebnislisten des 'Clásico' radiert.
Die Affäre Di Stéfano
Doch selbst die brutale Repression konnte nicht verhindern, dass Barca und Atlético zunächst die Erfolge und Titel unter sich ausmachten - bis zur Affäre Di Stéfano, die 1953 als Wendepunkt im spanischen Fußball betrachtet wird.
Alfredo Stéfano Di Stéfano Laulhe galt zu diesem Zeitpunkt als das größte Juwel des Welt-Fußballs. "La Saeta Rubia", der blonde Pfeil, hatte sich bei River Plate einen Namen gemacht und kickte während eines Spielerstreiks in der argentinischen Heimat für CD Los Millonarios Bogotá.
Barca hatte angeblich mit dem Wunder-Fußballer einen Vorvertrag abgeschlossen und River Plate bereits eine Ablöse aufs Konto überwiesen. Doch dann kam Real Madrid ins Spiel und der Legende nach auch Diktator Franco höchstselbst. Von ihm sei auch der Vorschlag unterbreitet worden, dass Di Stéfano einfach zwei Jahre lang für Barcelona und dann zwei Jahre lang für Real spielen sollte.
Verbale Entgleisungen und Schlachtabfälle
Warum der FC Barcelona dies letztlich ablehnte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Freiwilliger Rückzug, heißt es noch heute in der Hauptstadt. Druck und Drohung, kontert man in Katalonien. Bis zum Ende des Franco-Regimes im Jahr 1975 witterte der FC Barcelona - sicherlich nicht immer zu unrecht - Verschwörung, Betrug und Manipulation. Verdachtsmomente, die wie beim Spielabbruch 1970 bisweilen zu ausufernden Prügel-Orgien auf den Rängen führten.
Aber auch die Protagonisten selbst gießen regelmäßig Öl ins Feuer. Vor einigen Jahren fingen Kameras und Feld-Mikrofone einen aufgebrachten Iker Casillas ein, der seine Vorderleute gegen den Erzrivalen mit den Worten antrieb: "Wir werden gegen diese Scheiße gewinnen." Oder Samuel Eto'o.
Der Kameruner hatte vor seiner Karriere beim FC Barcelona bereits für Real gespielt. Vor laufender Kamera sang er während der Meisterfeier Barcas 2005: "Madrid, cabrón, saluda al campeón!" ("Scheiß-Madrid, huldige dem Meister"). Unvergessen auch die Rückkehr von Louis Figo als Neu-Madridista ins Camp Nou, als ihm 2002 bei der Ausführung eines Eckballes ein nicht mehr ganz geruchsneutraler Schweinekopf vor die Stiefel knallte.
2008 erlebten die Katalanen dann ein sportliches Höchstmaß an Demütigung. Wie in England, so ist es auch in Spanien üblich, dass man bis zum Saisonende dem bereits feststehenden "Campéon" Spalier steht. Am 36. Spieltag musste Barca zum neuen Meister ins San Bernabéu. Mit zusammengekniffenen Lippen und bittersaurer Miene gratulierten Henry, Puyol, Messi & Co. den "Königlichen", ehe diese ihnen mit 4:1 auch noch amtlich den blaubehosten Hintern versohlten.
Die Antwort folgt prompt
Barcelona konnte sich aber gleich im Folgejahr revanchieren. Real hatte in der Liga mit 17 Siegen aus 18 Spielen eine irre Aufholjagd hingelegt und lag nur noch vier Zähler hinter dem erstplatzierten Rivalen. Der damalige Präsident Vicente Boluda bezeichnete Real bereits als unbezwingbar und kündigte an: "Wir sind bis auf einen Punkt an Barça dran, denn den Clásico haben wir praktisch schon gewonnen."
'Ja, ne, is klar', dachte man sich auf Katalanisch und überrannte die Hauptstadt mit 6:2, zerlegte die Hybris des weißen Kindergarten-Balletts in seine prominenten Einzelteile und sicherte sich mit diesem seit 1974 höchsten Auswärtssieg im "Clásico" die Meisterschaft. Der Spalier-Stachel saß wohl so tief, dass der FC Barcelona seit diesem 7. Mai 2008 dem Erz-Rivalen in neun folgenden Duellen nur noch zwei Pünktchen gönnte.
Bill Shankly hatte dann wohl Recht
Das nationale Prestige zwischen Madrid und Barcelona, so Eurosport-Redakteur Ignacio Ruiz, habe sich speziell mit dem Amtsantritt von Florentino Pérez zum internationalen Spektakel entwickelt, als der neue Real-Präsident in wahnwitzigem Milleniums-Kaufrausch die "Galaktischen" Zinédine Zidane, Luís Figo, David Beckham, Michael Owen, Ronaldo und Robinho um sich scharte.
Letztmals ging die Meisterschaft 2008 nach Madrid, seitdem räumte Barca durchgehen ab. Das neue Real unter Jose Mourinho steht nun also in längst überfälliger Bringschuld. In einem Duell, dass Ruiz mittlerweile als "globales All Star Game" bezeichnet. Ein Fußballspiel mit beispiellosem Hype. 90 Minuten jenseits jeder Alltäglichkeit.
Wie war das noch, Mister Bill Shankly? - "Für manche Menschen geht es im Fußball um Leben und Tod. Ich bin mir aber sicher, es geht noch um weitaus mehr."
Zumindest für "El Clasíco" mag diese Aussage der Anfield-Legende durchaus zutreffend sein.
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