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Kommentar zu WM-Aus von Italien: Das verkaufte System

Luca Stacul

Update 15/11/2017 um 09:05 GMT+1 Uhr

Italien wird nicht an der WM 2018 teilnehmen. Das ist eine große Niederlage. Aber nicht die Nationalmannschaft hat verloren, sondern das italienische Fußballsystem. Ein System, das es wichtiger findet, sich zu verkaufen, als zu investieren. Denn das ist es, was der italienische Fußball, der sich ums Fan-Aufkommen in den Stadien kümmern sollte, mit seiner Abhängigkeit von den TV-Geldern verkörpert.

Ciro Immobile (Italien)

Fotocredit: Getty Images

Ein Kommentar von Luca Stacul (Chefredakteur Eurosport Italien)
Es geht hier nicht um die 60 Jahre, die 2018 seit der letzten verpassten WM-Qualifikation vergangen sein werden. Es geht um das Heute. Das Jetzt. Es wird zu viel gesprochen und zu wenig gehandelt. Das Aufregen und Schreien, das nicht enden wollende Streben nach Konfusion, um auf arrogante Art und Weise das Fehlen von Inhalten zu verstecken. Das erschreckt uns. Wenn der TV-Bildschirm wichtiger als der Platz, die Tätowierungen wichtiger als der Schweiß sind, dann stimmt etwas nicht. Und das ist größer, als ein vermasseltes Ergebnis, sogar größer als eine WM.
Es ist die Arroganz von Möchtegern-Stars. Von Mittelstürmern, die kein Champions-League-Spiel bestritten haben; von Trainern, die Wünschen nachkommen, aber nicht entscheiden, von Journalisten, die kommentieren, ohne Fragen zu stellen; von Fans, die je nach TV-Einblendung von Pfiffen zu Selfies switchen. Alles Fiktion.

Dazu diesen starken, symbolhaften Bilder...

Das erste: Die Pfiffe während der schwedischen Hymne. Überflüssig, unverschämt. Vielleicht sogar kontraproduktiv, weil sie einer durchschnittlichen, aber stolzen Mannschaft wie jener der Schweden Auftrieb gaben. Sie fahren nun ohne Ibrahimovic, aber auch ohne Spieler wie Ljungberg und Brolin nach Russland, was zeigt, dass der Fußball ein Mannschaftsspiel ist und bleibt. Diese Demut, diesen Stolz niederzupfeifen, ist schäbiger als die Niederlage an sich.
Das zweite: Die Szene, die Daniele De Rossi während des Spiels auf der Bank zeigt, während er mit einem Betreuer darüber diskutiert, dass nicht er der richtige Mann für eine Einwechslung ist, sondern Lorenzo Insigne oder Stephan El Shaarawy, die Stürmer neben ihm. Es ist das Bild eines Gladiators, der all das nicht versteht. Ein Symbol für das fehlende Vertrauen in jenen Mann, der die Mannschaft führen sollte, dem dafür aber die Qualität und das Charisma fehlen. Ventura hätte mehr Glück bei der Auslosung und in einigen Spielszenen haben können, er bleibt aber ein Trainer, der in seiner Karriere eine Meisterschaft gewonnen hat: Jene in der 3. Liga im Jahr 1996, als der Nintendo 64 auf den Markt kam.
Das dritte: Die Ungläubigkeit von Lorenzo Insigne. Das vergessene, links liegen gelassene Talent. Das Symbol dafür, wie eine stumpfsinnige Herangehensweise aufgrund der auftretenden Schwierigkeiten sogar blind machen kann. Sie werden uns sagen, dass er nicht völlig fit war. Aber der Zombie namens Belotti im Hinspiel war perfekt... Und dann ist da dieses an Antonio Conte erinnernde 3-5-2-System, das ohne Contes Mumm völlig außen vor lässt, was die Serie A zu bieten hat. Der pure Wahnsinn.
Das vierte und letzte Bild: Die Tränen von Gigi Buffon, die Tränen aller. Die Tränen eines Kapitäns, der die Veränderung Italiens miterlebt hat. Der mit ansehen musste, wie die Nationalmannschaft im Namen eines Übergangs, der Talente und Hoffnungen zunichte gemacht hat, zum Schatten ihrer selbst wurde.
Und zu guter Letzt: Carlo Tavecchio. Der Präsident und Vorsteher der Pleite. Der Mann der medialen und fachlichen Eigentore, der ironischerweise von einem echten Eigentor erledigt wurde. Der Mann, der Italiens fußballerisches Ansehen auf internationaler Bühne auf ein Minimum reduziert hat und der es womöglich doch schafft, nicht zurückzutreten. Am Samstag gehen das Römer Derby und Napoli gegen Milan über die Bühne, am 1. Dezember folgt der Kracher Napoli gegen Juventus, dann kommt Juve gegen Inter. Womöglich gelingt es ihm zu überleben, indem er die Aufmerksamkeit darauf lenkt und Carlo Ancelotti ein paar Lire anbietet, nur um ein "Nein, danke" zu kassieren.
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