Nordische Ski-WM: Deutschland scheitert nach Staffel-Ärger mit Protest gegen Riiber - das sagt Eurosport-Experte Pohl

Die deutschen Kombinierer sorgen bei der Nordischen Ski-WM für Furore. Schon vier Medaillen - alle in Silber - gewannen die DSV-Athleten in Planica. Dass bislang kein Gold zu Buche steht, liegt auch an Jarl Magnus Riiber, der in der Staffel Julian Schmid vermeintlich behinderte, weshalb der DSV (erfolglos) Protest einlegte. Eurosport-Experte Hans-Peter Pohl nimmt exklusiv zu jener Szene Stellung.

Schmid läuft Staffel-Silber heim - Riiber sichert Norwegen Gold

Quelle: Eurosport

Die deutschen Kombinierer präsentieren sich bei der Nordischen Ski-WM bislang in glänzender Verfassung.
Bereits vier Medaillen - alle in Silber - gewannen Julian Schmid, Nathalie Armbruster und Co. in Planica. Bislang erwies sich einzig das norwegische Team um Dominator Jarl Magnus Riiber als unschlagbar.
Im Staffel-Rennen am Mittwoch waren die DSV-Athleten drauf und dran, Norwegen den Weltmeistertitel wegzuschnappen, doch abermals zwang Riiber Schlussläufer Schmid in die Knie. Allerdings sorgte die Art und Weise für Ärger.
Grund dafür war eine Szene auf den letzten Metern der Schlussrunde, bei der Schmid von Riiber vermeintlich behindert wurde. Letztlich durfte Norwegen die Goldmedaille jedoch behalten, da der anschließende Protest der deutschen Mannschaft von der FIS abgewiesen wurde. Bundestrainer Hermann Weinbuch beurteilte Riibers Einsatz dennoch "am Rande der Unsportlichkeit".
Olympiasieger und Eurosport-Experte Hans-Peter Pohl nahm nun zu jener strittigen Szenen Stellung. Der langjährige Kombinierer blickt im Exklusiv-Interview außerdem auf die Zukunft des DSV in der Nordischen Kombination voraus und spricht sich darüber hinaus ganz klar gegen einen möglichen Olympia-Ausschluss der Nordischen Kombination aus.
Das Interview führte Robert Bauer.
Für die deutschen Kombinierer gab es bei der Nordischen Ski-WM in Planica bislang in vier Wettbewerben viermal Silber - jeweils hinter Norwegen. War das im Vorfeld so zu erwarten?
Hans-Peter Pohl: Es war auf jeden Fall zu erwarten, dass sie Medaillen gewinnen können. Die Farbe ist allerdings im Vorfeld immer etwas ungewiss. Der spannendste Wettkampf war sicherlich der jüngste Teamwettkampf, wo es ganz eng zuging, am Ende aber wieder Jarl Magnus Riiber die Nase vorne hatte.
In diesem Staffelrennen gab es Aufregung um die Szene kurz vor dem Ziel, als Riiber vermeintlich Julian Schmid behinderte - wie haben sie die Szene wahrgenommen und war der deutsche Protest ihrer Meinung nach gerechtfertigt?
Pohl: Aus deutscher Sicht musste Protest einlegen werden, weil es die letzte Chance ist, die Entscheidung noch einmal zu kippen. Immer wenn es zu einer derart brenzligen Situation kommt, muss der Mannschaftsführende Protest einreichen, um wenigstens alles versucht zu haben. Wenn man sich die Bilder noch einmal anschaut, wird deutlich, dass es ein "normales" Wettkampfgerangel war. Es war mit Sicherheit keine beabsichtigte Beeinträchtigung des Renngeschehens. Somit war der Einspruch berechtigt, aber auch das Ergebnis, dass der Protest abgelehnt wird, war vorhersehbar.
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Rennbehinderung? Deutschland legt Protest ein - Riiber reagiert

Quelle: Eurosport

Sie teilen die Meinung von Bundestrainer Hermann Weinbuch also nicht, dass der Einsatz von Riiber "am Rande der Unsportlichkeit" war?
Pohl: Nicht unbedingt. Wenn man die Szene von Beginn an anschaut, fällt auf, dass Schmid zuerst Riiber hinten auf die Skier getreten ist. Der Norweger wäre im Anschluss fast gestolpert, da er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Schmid ist danach ein wenig behindert worden, weil Riiber die Innenbahn in der Kurve zugemacht hat, bevor es in die Abfahrt ging. Es ist sicherlich eine strittige Situation. Die Tatsache, dass der Einspruch letztlich abgeschmettert wurde, ist jedoch zu akzeptieren. Ich glaube, dass die FIS richtig entschieden hat.
Was kann man sich vom Einzelwettkampf am Samstag noch aus deutscher Sicht erhoffen?
Pohl: Wenn alles ganz normal läuft, alle Athleten ihre Form halten und entsprechend ihre Leistungen zeigen, dann gewinnen wir eine oder sogar zwei Medaillen. Der größte Favorit wird wieder Riiber sein, weil er nach seiner Wettkampfpause im Weltcup und seinen gesundheitlichen Problemen (unter anderem Grippe und Magenprobleme; Anm. d. Red.) so stark zurückkam und in bestechender Form ist. Allerdings ist auch am Samstag wieder alles möglich. Zumal die Windverhältnisse auf der Großschanze berücksichtigt werden müssen. Von Gold bis Bronze ist für unsere Athleten alles drin. Medaillenkandidaten aus deutscher Sicht sind auf jeden Fall Julian Schmid und Vinzenz Geiger.
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Julian Schmid bejubelt seine WM-Silbermedaille von der Normalschanze

Fotocredit: Imago

Die Nordische Kombination zittert ein Stück weit um ihre Zukunft bei den Olympischen Winterspielen. Wo steht die Sportart aktuell bezüglich der Olympia-Debatte?
Pohl: Im Moment ist es rund um die Debatte wieder ein Stück weit ruhiger geworden, weil die Idee (die Nordische Kombination aus dem Olympia-Programm zu streichen; Anm. d. Red.) für 2026 zwar noch nicht ganz vom Tisch ist, aber die Planungen eher Richtung Olympische Winterspiele 2030 gehen. Meiner Meinung nach dürfte es darüber überhaupt keine Diskussion geben. Es ist für mich unverständlich, dass eine solche traditionelle Sportart überhaupt infrage gestellt und möglicherweise in Zukunft gar nicht mehr bei den Olympischen Winterspielen dabei sein wird. Die Damen haben allein in den vergangenen beiden Jahren so große Fortschritt gemacht, die Wettkämpfe sind voller Spannung. Sicherlich gibt es auch die eine oder andere Athletin, die im Alter von nur 15 Jahren an den Start geht – da kann man nicht erwarten, dass diese dann um Podestplätze mitläuft. Dennoch ist die Entwicklung gewaltig. Wir haben jetzt noch drei Jahre bis zu den nächsten Olympischen Winterspielen und sieben Jahre bis 2030. Ich persönlich sehe die Nordische Kombination bei den Winterspielen in der gleichen Konstellation wie beispielsweise das Damen-Skispringen, das nicht mehr wegzudenken ist. Das Gleiche trifft auf Biathlon zu, das an oberster Stelle steht.
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Nathalie Armbruster holt WM-Silber in der Nordischen Kombination

Fotocredit: Imago

Nathalie Armbruster hat in diesem Winter sowohl im Weltcup als auch bei der WM mit gerade einmal 17 Jahren für Furore gesorgt: Was können wir in Zukunft von ihr erwarten?
Pohl: Wenn sie so bleibt, wie sie jetzt ist, sich ihre Lockerheit und jugendliche Leichtigkeit beibehalten kann und sie der ganze Erfolg in dieser Saison nicht erdrückt, können wir von Nathalie erwarten, dass sie in den kommenden Jahren viele schöne Siege feiern und zur Topathletin in der Nordischen Kombination aufsteigen wird. Die Vorzeigekombiniererin im Deutschen Skiverband ist sie ohnehin schon.
Kommen wir noch einmal auf die alte Garde zurück: Ist der Lauf der Goldenen Generation mit Eric Frenzel, Johannes Rydzek und Fabian Rießle nun ein Stück weit vorüber?
Pohl: Es ist schwierig, darüber eine Aussage zu treffen (lacht). Es wird aber so sein, dass die Grenzen an einem gewissen Punkt erreicht sind. Gerade diese drei sind mittlerweile vom Alter her schon so weit fortgeschritten, dass sie sehr viel Kraft aufwenden und mehr trainieren müssen als die jungen Athleten. Sie müssen immer noch mehr Intensität reinlegen. Dieses Pensum auch in den kommenden Jahren aufrechtzuerhalten, vorausgesetzt, sie setzten ihre Karrieren fort, ist schwierig. Ich glaube, dass die Wachablösung ein Stück weit eingeleitet wurde. Wir werden daher den einen oder anderen Athleten in den nächsten ein, zwei Jahren nicht mehr sehen.
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Fabian Rießle, Johannes Rydzek und Eric Frenzel (von links) bejubeln Olympia-Gold 2018 in Pyeongchang

Fotocredit: Imago

Können Julian Schmid und Vinzenz Geiger in die großen Fußstapfen ihrer Vorgänger treten und eine neue Ära prägen?
Pohl: Das können sicherlich beide. Es ist natürlich schwierig, in die Fußstapfen eines Eric Frenzel zu treten, der 2008 seinen ersten Weltcupsieg gefeiert hat und 15 Jahre später immer noch vorne mit dabei ist. In Planica hat er nun seine 18. WM-Medaille gewonnen und ist damit zum erfolgreichsten nordischen Wintersportler der Geschichte aufgestiegen. Das ist ein weiterer Meilenstein für ihn persönlich aber auch für die Nordische Kombination. Schmid und Geiger haben aber auf jeden Fall das Potential, um Deutschland auch in Zukunft vorne in der Weltspitze zu vertreten. Etwas mehr Sorgen bereiten mir dagegen die Positionen drei und vier. Es gibt zwar noch Manuel Faißt, den man nicht vergessen darf, dennoch haben wir aktuell nicht sechs gleichstarke Athleten. Wenn die besten der vergangenen Jahre, sprich Frenzel, Rydzek und Rießle dann irgendwann auch wegfallen, ist das Problem, dass der Deutsche Skiverband in der Breite einige Athleten hat, die nicht ganz so weit sind.
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Highlights Team: Dominator Riiber springt und läuft allen davon

Quelle: Eurosport

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