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Die Vorzeichen für die Tour haben sich gewendet: Wird Giro-Sieger Tadej Pogacar vom Wackelkandidat zum Top-Favorit?

Felix Mattis

Update 27/05/2024 um 00:29 GMT+2 Uhr

Mit dem dominanten Sieg beim Giro d'Italia hat Tadej Pogacar sein erstes Ziel für die Saison 2024 erreicht. Doch der Slowene hat noch viel mehr vor. Ab dem 29. Juni will er bei der Tour de France am Start stehen, um auch diese zu gewinnen – es wäre das dritte Mal. Die Herausforderung allerdings wird in Frankreich ungleich größer sein. Wir blicken voraus auf das große Saison-Highlight.

Pogacar will das Double: Ausblick auf den großen Tour-Vierkampf

Schon vor der Schlussetappe der 107. Italien-Rundfahrt richtete Tadej Pogacar seinen Blick nach vorn.
"Das heute war nochmal ein Test, um vor dem Sommer zu sehen, wie es geht. Ich wollte den Giro mit einem guten Eindruck beenden, in guter Form. Ich glaube, das habe ich geschafft", sagte der 25-Jährige nach der letzten Bergetappe am Samstag in Bassano del Grappa.
Die Tour de France ist sein nächstes großes Ziel. Gewänne er auch dort, wäre Pogacar der erste seit Marco Pantani im Jahr 1998, dem in einer Saison das Double aus Giro und Tour gelingt.
Bei der Frankreich-Rundfahrt, die am 29. Juni in Florenz beginnt, an den ersten drei Tagen über italienischen Boden führt und dann über die Alpen Frankreich erreicht, bevor sie schließlich am 21. Juli in Nizza endet, trifft Pogacar allerdings auf Primoz Roglic (Bora – hansgrohe) und Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) sowie möglicherweise auch Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike), der Pogacar in Frankreich in den vergangenen zwei Jahren geschlagen hatte.
"Wenn sie alle am Start stehen, ist es die beste Tour seit 20 Jahren", sagte Eurosport-Experte Jens Voigt nach dem Giro-Abschluss im Velo Club.
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Voigt zur Pogacar-Dominanz: "Er hat trotzdem Kräfte gespart"

Dieses einschränkende 'Wenn' liegt am schweren Massencrash bei der Baskenland-Rundfahrt am 4. April, bei dem sich Evenepoel das Schlüsselbein brach und Roglic zwar ohne Knochenbrüche davonkam, aber mit einem sehr lädierten Rücken genauso lange pausieren musste, wie der Belgier – und der vor allem Vingegaard schwer verletzt zurückließ: ein Schlüsselbeinbruch, Rippenbrüche, eine Lungenprellung und ein Pneumothorax wurden vermeldet.

Vingegaards Tour-Start noch unsicher

Er konnte erst am 7. Mai als letzter des Trios wieder aufs Rad steigen. Folglich ist Vingegaards Tour-Start auch noch fraglich. In den vergangenen Wochen beantworteten die Sportdirektoren seines Teams Visma – Lease a Bike Fragen nach den Chancen des Titelverteidigers alle gleich: "Er fährt nur, wenn er bei 100 Prozent ist."
Die Ausgangslage mit Blick auf die Frankreich-Rundfahrt hat sich innerhalb von zwei Monaten also völlig gedreht: Galt im März noch Pogacar als derjenige, hinter dessen Tour-Form das größte Fragezeichen stand, weil er vorher den Giro auf dem Plan hatte, bezeichnen viele ihn nun als den Top-Favoriten. Und der auf dem Papier stärkste Kletterer, Vingegaard, ist der Wackelkandidat.
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Vingegaard meldet sich nach Sturz: Visma-Star mit Tour-Update

Bora-hansgrohe-Sportchef Rolf Aldag warnte aber im Velo Club, dass man die Herausforderung, fünf Wochen nach dem Giro-Sieg auch in Top-Form zur Tour zu reisen, nach wie vor nicht unterschätzen darf. "Zu versuchen, die Form jetzt zu halten, wäre ein Fehler", meinte der 55-Jährige und hat damit trainingswissenschaftlich wohl recht:
Ein derartiges Leistungspeak über elf Wochen zu bewahren – drei Wochen Giro, fünf Wochen Pause, drei Wochen Tour – ist kaum vorstellbar. Und man muss bedenken: Pogacar war schon zwei Wochen vor dem Giro bei Lüttich-Bastogne-Lüttich in einer eigenen Liga, macht insgesamt also 13 Wochen.
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"Ich bin sprachlos": Pogacar nach Giro-Sieg überwältigt

"Tadej muss erst ein bisschen gehen lassen, um dann wieder aufzubauen, hat aber das Problem, dass die Tour gleich von Anfang an in Italien superschwer anfängt. Es ist nicht einfach zu managen", erklärte Aldag.
Pogacars Sportchef Matxin Fernandez hatte in den letzten Tagen bereits den Fahrplan seines Schützlings dargelegt: Nach dem Giro wird Pogacar das Rad für eine Woche in die Ecke stellen, dann läuft die Tour-Vorbereitung an. "Mit dieser Form jetzt aus dem Giro zu gehen, da sollte er mit der Pause dann noch stärker in die Tour kommen", meinte in Rom Pogacars Giro-Edelhelfer Rafal Majka.

Eine Woche Pause, drei Wochen Höhentraining

Drei Wochen Höhentrainingslager in Isola 2000 in den französischen Seealpen sind für Pogacar im Juni geplant. Dort wird am 19. Juli das brutale Schlusswochenende der Tour de France mit einer Bergankunft eingeläutet. Tags drauf folgt eine weitere Bergankunft am Col de la Couillole und am Abschluss-Sonntag dann ein schweres Einzelzeitfahren in Nizza, wo die Tour erstmals endet, weil in Paris dann schon die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele auf Hochtouren laufen.
"Er wird ganz sicher vorne mitfahren können, aber er wird nicht so dominant sein, wie beim Giro", meinte Aldag schließlich mit Blick auf den Giro-Sieger, dessen Landsmann Primoz Roglic bei der Tour für Aldags Team Red Bull-Bora–hansgrohe das Gelbe Trikot anvisiert.
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Highlights: Pogacar nicht aufzuhalten - nächste Machtdemonstration

Während Pogacar und Vingegaard bis zur Tour keine Rennen mehr bestreiten werden, treffen Roglic und Evenepoel ab dem 2. Juni beim Critérium du Dauphiné aufeinander – der klassischen Tour-Generalprobe, bei der man idealerweise aber noch nicht ganz in Top-Form sein sollte. Denn auch dann wäre es schwer, diese bis zum Ende der Tour zu halten. Sie an ihren Ergebnissen dort zu beurteilen, das als Vorwarnung, könnte daher ein Fehler sein.

UAE erstmals auch das stärkste Team bei der Tour?

Psychologisch ist Pogacar durch den Rückenwind des überlegenen Giro-Sieges aktuell sicher im Vorteil und auch sein Team wird bei der Tour wohl erstmals das stärkste sein – mit dem Vorjahresdritten Adam Yates, Juan Ayuso, Joao Almeida, Pavel Sivakov, Marc Soler, Tim Wellens und Nils Politt.
Dagegen ist Vingegaards Visma-Truppe durch den Abgang von Roglic geschwächt und auch Wout van Aert hat die Tour bislang nicht geplant. Bora – hansgrohe ist für die Berge mit Jai Hindley und Aleksandr Vlasov als Edelhelfern gut gewappnet, Evenepoels geplanter Edelhelfer Mikel Landa hat sich aber ebenfalls im April das Schlüsselbein gebrochen.
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Highlights: Vingegaards Meisterstück am Monte Petrano

Nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre und auch aufgrund der reinen Kletter-Leistungen war zu Jahresbeginn Vingegaard der wohl am höchsten gehandelte Tour-Favorit. Und der Däne hat das bei seinen dominanten Auftritten beim Gran Camino im Februar sowie bei Tirreno-Adriatico im März auch bestätigt. Durch den Baskenland-Unfall aber ist er nun derjenige mit dem größten Fragezeichen hinter seinen Tour-Chancen.

Vier große Favoriten - vier Handicaps

Sicher: Das im Winter gelegte Fundament wird Vingegaard nicht verloren haben, aber die Frage ist, wie gut er in den ganz großen Intensitäten drauf sein wird – und gerade da liegen die Stärken der ohnehin etwas explosiveren Pogacar, Roglic und Evenepoel.
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Highlights: Massensturz und Pogacars Super-Solo

"Wir unterhalten uns über die letzten eins, zwei Prozent. Vingegaard wird am Berg nicht mit den Sprintern abgehängt sein. Aber die Frage ist, ob es reicht, wenn alle alles auf den Tisch legen müssen – ob es dann 98, 99 oder 100 Prozent sind", meinte Aldag und Voigt gab zu bedenken: "Letztes Jahr hatte Pogacar den Sturz im Frühjahr bei Lüttich-Bastogne-Lüttich mit dem Handbruch und hat dadurch etwas Training verloren. Vielleicht war damals auch das ausschlaggebend."
Es ist eine extrem interessante Konstellation knapp fünf Wochen vor dem Tour-Start: Alle vier großen Favoriten haben ein Handicap – und es scheint momentan, als sei die Größe dieses Handicaps genau gegenläufig zum eigentlichen Favoritenstatus auf dem Papier. Das könnte die Frankreich-Rundfahrt umso spannender machen. Mit einem Pogacar-Durchmarsch, wie beim Giro, ist jedenfalls nicht zu rechnen.
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Giro-Dominator am Ziel: Pogacar kriegt die Trofeo Senza Fine


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