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Jens Voigt: 10 Gründe für eine Tour de France ohne Froome

Jens Voigt

Update 14/08/2020 um 14:55 GMT+2 Uhr

Eurosport-Experte Jens Voigt legt sich rund zwei Wochen vor dem Start der Tour de France 2020 in Nizza fest: "In meiner persönlichen Tour-Formation von Team Ineos spielt Chris Froome keine Rolle." Der "König der Ausreißer" nennt zehn Gründe, warum Ineos-Teamchef Dave Brailsford den vierfachen Sieger der Frankreich-Rundfahrt nicht nominieren wird und nennt den Tour-Kapitän der britischen Teams.

Chris Froome fährt nur noch dieses Jahr für das Team Ineos

Fotocredit: Getty Images

Die Jens Voigt - Kolumne auf Eurosport.de
Im Lichte der letzten Ergebnisse bei der Tour de l'Ain und lediglich 17 Tage vor dem Start der Tour de France macht sich Sir Dave Brailsford sicher viele Gedanken über die Zusammensetzung seiner Ineos-Mannschaft für die Große Schleife. An Stelle von Brailsford würden mir folgende Gedanken durch den Kopf gehen:
Erstes und wichtigstes Ziel für die Tour ist, das Gelbe Trikot bei der Ankunft in Paris am 20. September in seinen eigenen Reihen zu haben. Punkt.

Die Frage nach den Häuptlingen und Indianern

Wie schaffen wir das, wird er sich fragen. Option eins: viele Häuptlinge und nur wenige Indianer, Option zwei: ein Häuptling, viele Indianer. Ich denke, wir dürfen davon ausgehen, dass Team Ineos ein potenzielles Tour-de-France-Team zur Tour de l’Ain geschickt hat und die Option mit drei Kapitänen getestet hat - wobei sich zwei Leader lediglich als Helfer einordnen konnten.
Brailsford bleibt eigentlich nur noch die Flucht nach vorne und damit die Ein-Kapitän-Strategie. Wenn ein ehemaliger Tour-Sieger ernsthafte Ambitionen auf einen Podiumsplatz bei der Frankreich-Rundfahrt hat, dann kann er nicht rund drei Wochen vor dem Start auf Platz 41 der Gesamtwertung und damit vier Plätze und 2:30 Minuten hinter dem besten deutschen U23-Fahrer ins Ziel kommen. In dieser zugegebenermaßen sehr stark besetzten Rundfahrt war Rang 37 ein unglaublich tolles Ergebnis für Jakob Gessner, aber Platz 41 eben auch ein sehr unbefriedigendes Resultat für Chris Froome.
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Chris Froome

Fotocredit: Getty Images

Wie möchte der vierfachen Tour-Champion die fehlenden 15 bis 20 Prozent Leistungsvermögen in weniger als drei Wochen bis zum Tour-Start in Nizza aufholen? Für mich ist Egan Bernal der klare Ineos-Kapitän für die Tour de France. Damit bleiben noch sieben weitere Plätze frei, die mit Helfern für die Flachetappen und die Berge aufgefüllt werden können.
Ich würde Geraint Thomas als Bodyguard mitnehmen, als Fahrer, dessen einzige Aufgabe es ist, zu jeder Sekunde des Rennens an der Seite von Bernal zu sein. Da wieder eine bergige Tour auf dem Programm steht, wird Team Ineos als Edelhelfer in den Bergen Jonathan Castroviejo, Andrey Amador und Sebastián Henao nominieren. Dann bleiben noch drei Startplätze übrig. Einen davon schnappt sich Ian Stannard, Tempomacher und Powerhouse. Für die letzten beiden Plätze stehen großartige Fahrer wie Dylan van Baarle, Michal Kwiatkowski, Christian Knees, Luke Rowe oder auch Gianni Moscon bereit.

Warum Ineos bei der Tour auf Froome verzichten sollte

Vielleicht denkt Dave Brailsford bereits an die Zukunft und nominiert das erfolgreiche Talent Tao Geoghegan Hart, damit dieser schon mal Tour-Luft schnuppern kann.
In meiner persönlichen Tour-Formation von Team Ineos spielt Chris Froome also keine Rolle. Ich versuche das mal zu erläutern:
1. Froome verlässt das Team zum Ende der Saison.
2. Nach der langen Verletzungspause konnte er noch nicht an sein altes Leistungsvermögen anknüpfen.
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Rückschlag bei Dauphiné-Auftakt: Froome lässt im Finale Federn

3. Mit Geraint Thomas und Egan Bernal stehen bereits zwei ehemalige Tour-Sieger im Aufgebot, beide sind jünger und ihre Erfolge liegen weniger lange zurück.
4. Es gibt kein langes Einzelzeitfahren, in dem Chris seine Stärken ausspielen könnte.
5. Froome ist ein Siegertyp, ein Champion und kein Wasserträger. Er ist es gewohnt, dass man ihm die Trinkflaschen zusteckt, anstatt diese zu holen. Tempofahren auf Flachetappen hat er seit Jahren nicht mehr gemacht. Chris ins Aufgebot zu nehmen wäre ein verschenkter Platz für einen wirklichen Klassehelfer.
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Am Scheideweg: Ineos-Teamchef Dave Brailsford und Chris Froome

Fotocredit: Getty Images

6. Die Übermacht, Stärke und Geschlossenheit von Team Jumbo Visma ist schier erdrückend. Die niederländische Equipe beendete die Tour de l'Ain auf den Plätzen eins, vier und fünf. Ein weiterer Fahrer beendete die Rundfahrt auf Rang elf. Primoz Roglic und Co. hatten also einen Großteil ihrer Mannschaft weit vor Chris Froome im Ziel.
7. Das fortgeschrittene Alter. Die Natur ist unerbittlich und mit zunehmendem Rennfahreralter verlängert sich die Regenationszeit. Man wird langsamer in den Reaktionen und fährt etwas vorsichtiger. Nach seinem Sturz und der Pause scheint Chris einfach nicht mehr an das alte Niveau anschließen zu können.
8. Frieden in der Mannschaft: Die Team-Atmosphäre ist bei einer dreiwöchigen Rundfahrt extrem wichtig. Ein unzufriedener Fahrer kann dann sehr belastend auf den Rest des Teams einwirken.
9. Teamchef Brailsford hat 2014 aus ähnlichen Bewegründen den ehemaligen Tour-Sieger und heutigen Eurosport-Expertenkollegen Bradley Wiggins bei der Tour zu Hause gelassen. Er weiß genau, die prestigeträchtigste Rad-Rundfahrt der Welt ist kein Ponyhof, sondern ein hartes Geschäft, in dem jede nötige Entscheidung, das Gelbe Trikot zu sichern ohne Rücksicht auf etwaige Befindlichkeiten getroffen werden muss.
10. Ein Radprofi ist nur so gut wie sein letztes Ergebnis, ganz einfach.
Dave Brailsford wird sich in diesen Tagen ähnliche Gedanken machen und ganz ehrlich, ich möchte bei dieser Entscheidung nicht in seiner Haut stecken.
Ich gespannt, auf Eure Meinung und Reaktionen. Und lasst mich Euch versichern, dass ich trotz allem den allergrößten Respekt vor Chris Froome habe und ihm in Freundschaft verbunden bin.
Euer Jens Voigt
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