Ski-WM 2025 - Gut-Behrami vor Start in Saalbach-Hinterglemm exklusiv: "Gelernt, meine Emotionen besser zu kontrollieren"
Update 05/02/2025 um 16:45 GMT+1 Uhr
Lara Gut-Behrami zählt im Ski Alpin zu den erfolgreichsten Athletinnen der vergangenen Jahre und hat in ihrer Laufbahn alles erreicht: Gesamtweltcup, WM-Titel und eine olympische Goldmedaille. Im exklusiven Gespräch mit Eurosport gewährt die Schweizerin einen ungewohnt tiefen Einblick in ihre Gefühlswelt, spricht über ihren Werdegang, Familienpläne - und ihr spezielles Verhältnis zu den Medien.
"Kann wirklich angreifen": Gut-Behrami optimistisch vor WM-Abfahrt
Quelle: Eurosport
Am 2. Februar 2008 ging im Ski alpin der Stern einer Athletin auf, die den Sport bis heute prägen sollte. Lara Gut-Behrami landete in der ersten Weltcup-Abfahrt ihrer Karriere auf dem Podest - die Ziellinie überquerte die damals 16-Jährige dabei liegend, wenige Meter zuvor war sie nämlich gestürzt. Mit Schnee auf der rechten Backe winkte sie dem heimischen Publikum zu und sorgte an jenem bewölkten Tag für das sonnigste Strahlen im Engadin.
Ein wenig fühlten sich die Nostalgiker an diesen besonderen Moment der jüngeren Ski-Geschichte erinnert, als Gut-Behrami 17 Jahre später zum exklusiven Interview mit Eurosport (oben im Video) erschien. Lachend, locker, entspannt - die erfahrene Profisportlerin präsentierte sich nahbar, von einer persönlichen Seite, wie man sie in den vergangenen Jahren eher selten zu Gesicht bekam.
Das Gespräch mit der Olympiasiegerin führten die beiden Eurosport-Expertinnen Francesca Marsaglia und Tina Maze. Letztere stand 2008 in St. Moritz als Siegerin auf dem Podest. Als wäre es vom Schicksal bestimmt gewesen.
"Wer ist dieses Mädchen?", erinnerte sich Maze an ihre Reaktion auf den Auftritt von Gut-Behrami in jenem fernen Jahre zurück. Eine Frage, welche die Ski-Königin aus der Schweiz nun selbst beantwortete.
Gut-Behrami: "Eine Frage des Erwachsenwerdens"
Italienisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Spanisch - Gut-Behrami ist ein wahres Sprachwunder. Wer den Ski-Zirkus in den vergangenen Jahren aufmerksam verfolgt hat, kam jedoch zum Schluss, dass die 33-Jährige trotz ihrer linguistischen Expertise zu den zurückhaltenderen Protagonistinnen zählt. Das war aber nicht immer so.
"Es ist eine Frage des Erwachsenwerdens. Als Kind ist es einfacher, sonnig zu sein. Meine Eltern nannten mich sogar 'Sonnenschein'", erklärte sie. "Im Laufe der Jahre habe ich mir aber einen Schutzschild zugelegt."
Mittlerweile sei sie deutlich ruhiger, wodurch sie ihren Fokus auf das Wesentliche richten kann. "Wenn man im Sport seinen Emotionen ausgeliefert ist, hilft das nicht, Verletzungen zu vermeiden oder eine lange Karriere zu haben", gab sie zu verstehen. "Und so habe ich in den vergangenen Jahren gelernt, meine Emotionen besser zu kontrollieren, sodass ich das, was ich tue, vielleicht auch privat ein bisschen mehr genießen kann."
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Lara Gut-Behrami bei ihrem ersten Weltcup-Podest neben Tina Maze (Mitte) und Maria Holaus (links)
Fotocredit: Getty Images
Gut-Behrami: "Zum Glück habe ich mich verletzt"
Beim Stichwort privat dürfte so mancher Beobachter hellhörig werden. In den Sozialen Medien findet Gut-Behrami seit geraumer Zeit gar nicht mehr statt, im Gegensatz zu weiten Teilen ihrer Konkurrenz ist nur sehr wenig über ihr Leben abseits des Scheinwerferlichts bekannt. Dieser Entschluss war Folge einer langjährigen Entwicklung.
Als ich 18 Jahre alt war, hatte ich schon mein eigenes Logo. Wir haben sogar eine ganze Image-Studie aufgestellt. Dann wurde mir ein Weg präsentiert, der mich zum Produkt hätte werden lassen sollen. Ganz im Sinne von: 'Das, was du bist, geht über das Resultat hinaus. Die Leute kommen, um dich zu sehen. Was du leistest, ist zweitrangig.' Mit 18 klang das für mich sehr seltsam.
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Lara Gut-Behrami im exklusiven Interview mit Eurosport (Foto: David Dörre)
Fotocredit: Eurosport
Doch Gut-Behrami ließ sich auf das damals neuartige Phänomen Social Media ein und nahm ihren Traum von der Weltspitze ins Visier. "Ich war bereit, einen großen Teil meines Lebens für meine Vorstellung von Erfolg zu opfern", so die zweimalige Weltmeisterin. In der Saison 2015/16 triumphierte sie schließlich im Gesamtweltcup - doch richtige Erfüllung erlangte sie nicht.
"Auch im Winter danach hatte ich großartige Ergebnisse. Aber ich war nicht glücklich und fand keine Bedeutung in dem, was ich tat", räumte sie ein. "Trotzdem blieb in den Sozialen Medien aktiv - ein Post hier, ein Post da. Ich war einfach drin. Es war nur noch: Produkt, Produkt, Produkt. Dann habe ich mich zum Glück - so absurd es auch klingt - verletzt."
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Lara Gut-Behrami beim Gewinn ihrer ersten großen Kristallkugel im Winter 2015/16
Fotocredit: Getty Images
Gut-Behrami über ihre Familienpläne
Im Februar 2017 zog sie sich einen Kreuzbandriss und eine Meniskusverletzung zu. "Dann wusste ich, dass ich das Limit erreicht hatte", meinte sie. Wenig später lernte sie ihren heutigen Ehemann Valon Behrami kennen - der ihr einen wertvollen Tipp gab. Als sie wieder einmal einen Post absetzen musste, entgegnete er ihr: "Glaubst du, die Welt hört auf, sich zu drehen, weil du nichts postest? Er ist zum Glück so geradlinig wie ich, damals war ich sogar beleidigt, weil es mir wichtig war. Wenn ich daran aber zurückdenke, ist es absurd."
Ihren Lebenspartner, mit dem sie seit Juli 2018 verheiratet ist, schätzt sie aber nicht nur für seine ehrlichen Ratschläge. "Wenn man alleine daheim ist, fühlt es sich nicht wie Zuhause an. Das macht eine Familie aus. Wir sind der Kern - danach kommt alles andere", gab sie lächelnd zu. Auf Nachfrage von Maze fügte sie nahezu schüchtern an: "Und Kinder werden hoffentlich bald kommen."
Der Schritt zur eigenen Familie ist gerade für einen Profisportler alles andere als selbstverständlich. Über mehr als zwei Jahrzehnte war ihr Leben nur auf sie selbst und ihren Erfolg ausgerichtet.
Es ist auch richtig, irgendwann zu erkennen, dass es nur ein Kapitel ist. Wenn es zu Ende ist, habe ich vielleicht nicht mehr das Adrenalin, mit 130 km/h einen Berg hinunterzufahren."
Ein Gespräch mit dem ehemaligen österreichischen Ski-Star Anna Veith blieb ihr diesbezüglich besonders im Gedächtnis. "Sie erzählte mir, dass es für sie das schönste Gefühl war, aufzuwachen und festzustellen, dass man für ein anderes kleines Kind verantwortlich ist und nicht nur für sich selbst."
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Lara Gut-Behrami und Anna Veith
Fotocredit: Getty Images
Gut-Behrami im Medien-Krieg
Knapp eine Stunde unterhielten sich Gut-Behrami, Maze und Marsaglia an einem einfachen Tisch aus Massivholz, umgeben von unzähligen olympischen Fackeln. Das Trio sprach über private und ernste Themen, in manchen Momenten rutschte aber auch ein Scherz heraus. Nur allzu selten war ein solcher Auftritt von Gut-Behrami in den vergangenen Jahren - auch aufgrund ihrer heiklen Vorgeschichte mit den Medien.
Bei der WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen wurde sie vom Boulevard aus dem deutschsprachigen Raum als "Zicke Nummer 1 im Skisport" beleidigt, das Verhältnis war dementsprechend unterkühlt. "Wenn ich gewinne, ist alles toll. Aber wenn ich im fünften Weltcup-Rennen in Serie auf Platz 20 lande, dann bin ich in einer Krise", bemängelte sie die Dynamik der Presse. "Aufgrund meines Charakters habe ich das falsch aufgenommen - und es wurde zum Krieg."
Diese Eskalation hing aber auch damit zusammen, dass sich Gut-Behrami eben in fünf Sprachen artikuliert. "Mich auf Italienisch auszudrücken ist nicht dasselbe wie in den anderen Sprachen", gab sie zu bedenken.
Dieser Konflikt dauert einige Jahre an, mittlerweile habe sie den richtigen Umgang - und auch die nötige Distanz - zur Medienwelt verinnerlicht. "Ich war auch direkter, als ich hätte sein müssen", so die 46-malige Weltcupsiegerin. "Wenn man schon auf Kriegsfuß steht, ist es normal, dass ein Schlamassel herauskommt. Jeder muss zu Wort kommen, ehemalige Athleten reden über jemanden und ich bin anschließend sauer auf sie." Ein ewiger Teufelskreis.
Gut-Behrami: "Fahre wohl auch in Cortina"
Ein Erfolg, mit dem sie ihre Kritiker verstummen ließ, war die Goldmedaille im Super-G bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking. Ein Triumph, an den sie gar nicht mehr zu glauben vermochte. "Nach meiner Verletzung dachte ich, es sei bereits eine Errungenschaft, in Peking dabei zu sein", meinte sie.
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"Die Linie war perfekt": Gut-Behrami rast zu Gold
Quelle: Eurosport
Das olympische Gold will sie jedenfalls nicht mehr missen. "Olympia ist etwas Spezielles, das habe ich lange nicht realisiert. Dort zu gewinnen, hat den Unterschied gemacht", gab sie einen Einblick.
In einem Jahr finden die Olympischen Winterspiele in Cortina d'Ampezzo statt (6. bis 22. Februar live und on-demand bei discovery+). Vor vier Jahren krönte sie sich dort im Riesenslalom und Super-G zur Weltmeisterin. "Ich hatte auch mal gesagt, dass ich niemals in Cortina dabei sein würde, dass ich Besseres zu tun haben würde. Aber jetzt fahre ich wohl auch in Cortina."
Bei der Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm zeigte Gut-Behrami am Dienstag bereits, aus welchem Holz sie geschnitzt ist, und schnappte sich im ersten Abfahrtstraining die Bestzeit.
Vielleicht ist das ja der Beginn für ihr nächstes Goldmärchen - das sie so strahlen lässt wie einst vor 17 Jahren.
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Quelle: Eurosport
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