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Martin Schmitt exklusiv im Eurosport-Interview zu Weihnachten: "Wenn der Baum brennt ..."

Tobias Laure

Update 26/12/2022 um 10:40 GMT+1 Uhr

Skisprung-Legende Martin Schmitt erklärt im Eurosport.de Weihnachts-Interview, wie die Stars der Szene mit den besonderen "Herausforderungen" an den Feiertagen umgehen. Heikel sei die Situation immer dann gewesen, wenn an den Festtagen Redebedarf mit dem Bundestrainer bestanden habe, so Schmitt, der die Vierschanzentournee auch in diesem Winter als TV-Experte bei Eurosport begleitet.

Martin Schmitt ist auch dieses Jahr als Eurosport-Experte bei der Vierschanzentournee

Fotocredit: Eurosport

Weltcup, Weihnachten, Vierschanzentournee - das Jahresende ist für die Skispringer traditionell vollgepackt mit Höhepunkten und Verpflichtungen.
"Augen auf bei der Berufswahl", scherzt Martin Schmitt im Gespräch mit Eurosport.de. Der 44-Jährige weiß genau, wovon er sprich. Zusammen mit Sven Hannawald löste Schmitt Ende der 1990er-Jahre dank großer Erfolge bei Weltmeisterschaften, Olympischen Spielen und der Tournee einen nie dagewesenen Skisprung-Hype in Deutschland aus.
Schmitts aktuelle Nachfolger im Nationalteam um Karl Geiger und Markus Eisenbichler bereiten sich dieser Tage auf die Vierschanzentournee vor - und hoffen, vorher an den Weihnachtsfeiertagen Kraft tanken zu können.
Telefonate mit dem Bundestrainer sind aber auch während dieser Zeit nicht ausgeschlossen, wie Schmitt weiß. "Vor allem wenn der berühmte Baum brennt, wird telefoniert", berichtet der zweimalige Gesamtweltcupsieger und meint damit natürlich nicht die Tanne im Wohnzimmer, sondern sportliche Probleme auf der Schanze.
Das Interview führte Tobias Laure
Auf Weihnachten folgt immer direkt das Saisonhighlight, die Vierschanzentournee. Man könnte sich vorstellen, dass dies für die Skispringer eine ungünstige Situation ist. Der Fokus könnte verloren gehen.
Martin Schmitt: Augen auf bei der Berufswahl, sage ich da nur (lacht). Nein, das ist natürlich etwas Schönes. Als Skispringer genießt man es nach der ersten Weltcup-Periode, für ein paar Tage nach Hause zu kommen - auch wenn trotzdem der Sport im Fokus steht. Ich habe das vor der stressigen Tournee-Phase immer als sehr angenehm empfunden, noch einmal rauszukommen.
Man kann auch lecker essen, ohne dass das Ganze kalorisch voll aus dem Ruder läuft.
Sehen das Dawid Kubacki und Anze Lanisek, die derzeit in überragender Form sind, nun aber mit der Unterbrechung des Rhythmus zurechtkommen müssen, genauso?
Schmitt: Ich denke schon, dass es auch für diese Beiden eine willkommene Abwechslung ist. Die vergangenen Wochen waren lang und anstrengend. Kubacki und Lanisek können ihre besten Leistungen nur dann abrufen, wenn sie zu 100 Prozent erholt und im Kopf frisch sind. Für die Springer, die derzeit nicht in Topverfassung sind, ist die Tournee indes die große Chance auf einen Neustart. Dazu liegt Weihnachten in diesem Jahr so günstig, dass ein paar Tage Luft bleiben, an denen man im Training an der Form feilen kann.
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Martin Schmitt bei Olympia 2010 in Vancouver

Fotocredit: dpa

Machen wir einen Sprung zum Heiligabend. Die Skispringer sitzen mit Familien und Freunden beim Essen am Tisch und ... greifen beherzt zu?
Schmitt: Ja, ein beherzter Griff zum Glas Wasser muss schon sein (lacht). Aber jeder Springer entwickelt da seine Methode. Man kann auch lecker essen, ohne dass das Ganze kalorisch voll aus dem Ruder läuft. Wenn man sich sagt: 'Ok, ich gönne mir ein Rinderfilet mit Pellkartoffeln und Rotkraut, dann verkraftet man das als Skispringer durchaus.' Ein Plätzchen hinterher sollte dann auch noch drin sein.
Man orientiert sich mehr an Werten und Daten, wo man früher dem Körpergefühl mehr Bedeutung zugemessen hat. Es ist aber nach wie vor so, dass beide Komponenten wichtig sind.
Hatten Sie während ihrer aktiven Zeit dann etwas anderes auf dem Teller als der Rest der Familie?
Schmitt: Nein, das haben wir alle gemeinsam durchgezogen. Die Familie hat sich mir angepasst, zumal mein Bruder als Nordischer Kombinierer ja auch sportlich aktiv war. Meist waren wir an Heiligabend bei meinen Eltern und haben vorgegeben, was möglich ist und was nicht. Meine Eltern pflegen aber generell einen bewussten und gesunden Lebensstil, von daher war das Essen an den Feiertagen bei uns nicht die ganz große Herausforderung.
Ist man da in der Skisprung-Szene heutzutage, mit immer mehr wissenschaftlichen Erkenntnissen und Einflüssen, strenger als zu Ihrer Zeit als Profi?
Schmitt: Schwer zu beurteilen. Wir haben uns damals schon sehr intensiv mit der Thematik befasst, ob nun im Hinblick auf Training, Ernährung oder Schlafverhalten. Man ist nicht einfach zur Schanze gefahren und gesprungen. Natürlich hat eine Entwicklung stattgefunden. Man hat andere Diagnostikverfahren, bewerte die Trainingssteuerung neu und kann auf bestimmte Dinge besser eingehen. Man orientiert sich mehr an Werten und Daten, wo man früher dem Körpergefühl mehr Bedeutung zugemessen hat. Es ist aber nach wie vor so, dass beide Komponenten wichtig sind. Nicht alles ist in Werten abbildbar. Das hilft zwar, aber im Hinblick auf ein Topevent wie die Tournee müssen Körper und Geist gleichermaßen in der Verfassung sein.
Stehen die Springer während Weihnachten mit dem Bundestrainer in Kontakt oder hat man Ruhe für zwei, drei Tage?
Schmitt: Wenn man an Weihnachten mit dem Bundestrainer telefoniert hat, dann hat meist der Baum gebrannt (lacht).
Woran denken Sie da?
Schmitt: Ich hatte ja auch meine schwierigeren Phasen. Da bin ich kurz vor der Tournee noch in Garmisch oder Engelberg im Continental Cup gesprungen, um mir Selbstvertrauen zu holen. Da gab es natürlich auch an Weihnachten Redebedarf, aber sonst herrscht über die Festtage normalerweise Stille.
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"Ganz wichtig!" Eurosport-Experte Schmitt über Geigers Podest

Umso lauter wird seit Jahren die Frage, wann es denn endlich soweit ist mit dem ersten deutschen Tourneesieg seit Sven Hannawald im Jahr 2002. Muss nervig sein für die Aktiven, das Thema.
Schmitt: Football is coming home! Das dauert ja auch seit Jahrzehnten mit Englands Fußballern ... aber es stimmt: Es ist lange her, dass Sven die Tournee gewonnen hat. Wir waren über die Jahre mit verschiedenen Leuten dicht dran, die Voraussetzungen für den Gesamtsieg waren da. Ich bin aber nicht in der Situation, dass ich sagen kann: 'So muss man es machen!' Ich habe es auch nicht hinbekommen (lacht). Was man sagen kann: Der DSV hatte über die Jahre eine ganze Reihe sehr guter Springer mit exzellenten Leistungen, aber nicht den einen, großen Dominator. Immer wieder hat es aufgrund unglücklicher Umstände nicht hingehauen, eine Dominanz wie Ryoyu Kobayashi im vergangenen Winter oder Dawid Kubacki zu Beginn dieser Saison hat aus dem deutschen Team allerdings niemand entwickelt. Und selbst wenn: Du brauchst trotzdem das nötige Quäntchen Glück bei acht Wertungssprüngen während einer Tournee.
Wenn Sie zwei Weihnachtswünsche - einen für sich und einen für die DSV-Adler - frei hätten, welche wären das?
Schmitt: Für mich nehme ich eine gute Zeit mit meiner Familie, schöne und glückliche Stunden. Für die DSV-Jungs wünsche ich mir, dass sie genug Energie tanken und cool genug aus Weihnachten herauskommen, um bei der Tournee zu zeigen, was sie können.
Herr Schmitt, vielen Dank für das Gespräch und ein Frohes Fest.
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