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Opinion
Snooker

Der Fall Lee und seine Folgen

Rolf Kalb

Publiziert 28/05/2015 um 16:03 GMT+2 Uhr

Stephen Lee also ist schuldig gesprochen. Das Strafmaß soll in der nächsten Woche ermittelt werden. Viele rufen jetzt nach einer lebenslangen Sperre für den 38-Jährigen, auch eine Reihe von Spielern.

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Fotocredit: Eurosport

Eine lebenslange Sperre für Berufssportler ist aber juristisch problematisch, weil die Freiheit der Berufsausübung dadurch eingeschränkt wird. Ich kann natürlich auch nur spekulieren, was am Ende passiert.
"Ernsthafte Sanktionen" droht das Urteil ja bereits an. Aber es gibt vergleichbare Fälle: Peter Francisco ist 1995 für fünf Jahre gesperrt worden, Quinten Hann wurde 2006 für acht Jahre auf Eis gelegt. In beiden Fällen war die Sperre gleichbedeutend mit dem Karriere-Ende, und das wäre auch wohl bei Stephen Lee so; ich rechne also mit einer Sperre in dieser Größenordnung.
Dann hat sich gestern Ronnie O’Sullivan noch über Twitter gemeldet. Auch andere Spieler würden betrügen, ließ er da die Welt wissen. Ross und Reiter nannte er aber nicht, alles blieb nebulös. Das hilft natürlich nicht weiter. Aber wenn er etwas weiß, dann ist es gut. Dann nämlich sollte er die zuständigen Stellen informieren. Das ist bei World Snooker die Integrity Unit. Nach seinem Spielervertrag ist er (genauso wie alle anderen) sogar verpflichtet, diese Integrity Unit zu informieren, wenn er Informationen über Betrugsversuche hat. Auf Wunsch behandelt diese Einheit die Informationen auch vertraulich.
I've heard there's many more players who throw snooker matches .. I suppose Steve lee was just caught out— Ronnie O'Sullivan (@ronnieo147) September 17, 2013
Twitter aber ist da nicht das richtige Medium. Ich kann verstehen, dass Barry Hearn als Boss von World Snooker sofort einen Brief an den Weltmeister geschrieben hat und ihn auffordert, sich zu erklären. Um es noch einmal klar zu schreiben: Informationen über Sportbetrug nicht an die Integrity Unit weiterzuleiten und Gerüchte zu veröffentlichen, die den Sport in Verruf bringen, verstößt beides gegen den Spielervertrag, den alle unterzeichnet haben – auch Ronnie.
Hier geht es nicht um Formalien oder darum, etwas unter dem Teppich zu halten. Hier geht es darum, effektiv gegen Betrug im Snooker vorzugehen. Gerüchte über Twitter helfen dabei nicht, Informationen an die Integrity Unit, die dann den Fall untersuchen kann, dagegen sehr wohl.
Hat Snooker ein Problem? Ja! Das ist allerdings nicht größer und nicht kleiner als in anderen Sportarten. Der Betrug scheint zur menschlichen Natur zu gehören. Das ist natürlich ein schwacher Trost. Dass es im Snooker keine Probleme mit Doping gibt liegt ja auch nur an der glücklichen Fügung, dass Doping im Snooker (bisher) keinen Sinn macht. Aber Sport- und Wettbetrug sind ein wichtiges Thema. Das darf man nicht einfach hinnehmen. Ein Generalverdacht gegen alle Spieler wäre nicht fair, aber man muss versuchen, den Betrügern auf die Spur zu kommen und ihr Entdeckungsrisiko zu groß zu machen.
Nun ist es sehr schwer zu beurteilen, ob ein Spieler mit Betrugsabsicht knapp verschossen oder sich verstellt hat oder weil er einfach nur schlecht gespielt hat. World Snooker geht deshalb einen anderen Weg: Man arbeitet eng mit der Gambling Commission in Großbritannien zusammen und hat ein weltweites Netzwerk mit vielen Wettanbietern aufgebaut. Durch dieses Radar sollen auffällige Wettmuster identifiziert werden, die dann zu einem Verdacht führen, den man schließlich untersuchen kann. Dazu gehört zum Beispiel auch die Analyse von Telefondaten.
Das ist der richtige Weg. Spieler, die sich jetzt empört äußern (verständlicherweise), sollten deshalb mit der Integrity Unit zusammenarbeiten und sie unterstützen. World Snooker darf natürlich auch nicht stehen bleiben. Das Netzwerk muss ständig vergrößert, das Radar empfindlicher werden. Dadurch steigt dann das Entdeckungsrisiko für potentielle Betrüger, und das ist der einzig wirksame Schutz. Natürlich wird es immer irgendwo auf der Welt ein dubioses Wettbüro geben, das dadurch nicht erfasst wird. Der Weg ist mühselig. Aber so wird es möglichen Betrügern immer schwerer gemacht. Die Hände nur in Unschuld zu waschen oder mit den Schultern zu zucken, wäre der falsche Weg.
Herzliche Grüße Ihr / Euer Rolf Kalb
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